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KMU-Magazin Nr. 10, Dezember 2011/Januar 2012 Fallstricke bei der Geschäftsführung und Vertretung

Bei GmbH-Einpersonengesellschaften kann der Eintrag ins Handelsregister nur mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Statuteninhalt (OR 776) problematisch sein. Wegen der Selbstorganschaft können bei Zwei- oder Mehrpersonengesellschaften bei der Geschäftsführung und Vertretung unangenehme Komplikationen eintreten.

Die gesetzliche Regelung der Geschäftsführung und Vertretung orientiert sich an den typischen Umständen und Bedürfnissen in kleineren Unternehmen mit nur wenigen beteiligten Personen. Sie lässt aber einen weiten Raum für eine geeignete Organisation in den Statuten, so namentlich für Gesellschaften mit mehreren Beteiligten.

Die Geschäftsführung

Die Geschäftsführung ist die interne Leitung der Gesellschaft.

Persönliche Ausübung

Das Mandat des Geschäftsführers ist stellvertretungsfeindlich, alsor persönlich zu erfüllen.

Gesetzliche Regelung: Konzept der Selbstorganschaft

Gemäss Gesetz üben alle Gesellschafter die Geschäftsführung gemeinsam aus (OR 809 Abs. 1 Satz 1). Beim Konzept der Selbstorganschaft erfolgt die Ausübung der Geschäftsführungsfunktion allein aufgrund der Gesellschafterstellung, eine Wahl ist somit nicht notwendig.

Statutarische Regelung

Entspricht das Konzept der Selbstorganschaft nicht den konkreten Bedürfnissen, kann die Geschäftsführung statutarisch abweichend geordnet werden (OR 809 Abs. 1 Satz 2). Dabei ist es möglich, die Geschäftsführung auf einzelne Gesellschafter zu beschränken oder Dritten zu übertragen. Zur Regelung der von der gesetzlichen Ordnung abweichenden Einzelheiten kann auch auf ein von den Geschäftsführern erlassenes Organisationsreglement verwiesen werden. Wird die Selbstorganschaft aufgehoben, sind die Geschäftsführer zu wählen, und die Gewählten müssen Annahme der Wahl erklären.

Vorsitz-Regelung

Hat die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, muss die Gesellschafterversammlung den Vorsitz regeln (OR 809 Abs. 3), damit die Gesellschafts-Organisation funktionstüchtig ist. Vorsitzender kann ein geschäftsführender Gesellschafter oder eine mit der Geschäftsführung betraute Drittperson (Nicht-Gesellschafter) sein. Statutarisch kann die VorsitzRegelung den Geschäftsführern vorbehalten werden (Selbstkonstituierung), da die Bezeichnung des Vorsitzenden nicht zu den unübertragbaren Aufgaben der Gesellschafterversammlung gehört (s. OR 804 Abs. 2).

Entscheidungsfähigkeit

Die an der Geschäftsführung beteiligten Personen entscheiden ohne anderslautende Statutenbestimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ohne statutarische Regelung kommt dem Vorsitzenden der Stichentscheid zu (OR 809 Abs. 4 Sätze 2 und 3), dies damit die Entscheidungsfähigkeit der Geschäftsführung sichergestellt ist (Musterstatuten EHRA, Art. 25 Abs. 2 FN 25). Für die Beschlussfassung der Geschäftsführer gilt das relative Mehr. Ein positiver Beschluss ist zustande gekommen, wenn mehr geschäftsführende Personen für als gegen einen Antrag votieren. Die Stimmen der sich der Stimme enthaltenden und jene der abwesenden Geschäftsführer zählen nicht.

Vertretung

Die Vertretung ist das rechtsgeschäftliche Handeln für die Gesellschaft nach aussen.

Gesetzliche Regelung:

Einzelvertretungsbefugnis

Nach OR 814 Abs. 1 ist jeder Geschäftsführer zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt (Einzelvertretungsbefugnis). Somit trifft das Gesetz für die Geschäftsführung und die Vertretung abweichende Regelungen ( OR 809 Abs. 1).

Statutarische Regelung

Statutarisch kann die Vertretung abweichend geregelt werden (OR 814 Abs. 2), wobei jedoch mindestens ein Geschäftsführer zur Vertretung befugt sein muss. Damit bleibt gewährleistet, dass die Gesellschaft auf Ebene der Geschäftsführung vertreten werden kann. Bei einer statutarischen Regelung kann für die Einzelheiten auf ein (Organisations-)Reglement der Gesellschafterversammlung oder der Geschäftsführer verwiesen werden. Auch Geschäftsführer ohne Zeichnungsberechtigung müssen ins Handelsregister eingetragen werden (HRegV 73 Abs. 1 Bst. p.).

Gesetzliche Wohnsitzregelung

OR 814 Abs. 3 verlangt die Vertretung der Gesellschaft durch eine Person mit Schweizer Wohnsitz. Dabei muss es sich nicht zwingend um einen Geschäftsführer handeln. Auch ein Direktor, also kein gesetzlich vorgeschriebenes Organ, kann dieses Erfordernis erfüllen. Hier ist zu beachten, dass das Schweizerische Gesellschaftsrecht von einem materiellen Organbegriff ausgeht. Ins Recht gefasst werden kann somit jene Person, die faktisch Organfunktionen ausübt. Auch ein weiterer Zeichnungsberechtigter mit Vollunterschrift (ohne Funktion) erfüllt daher diese gesetzliche Anforderung. Ist keine in der Schweiz wohnhafte Person einzelzeichnungsberechtigt, kann das Wohnsitzerfordernis auch durch das Zusammenwirken mehrerer Personen erfüllt werden. Durch diese Regelung will der Gesetzgeber einen personellen Anknüpfungspunkt in der Schweiz gewährleisten.

Umfang und Beschränkung der Vertretungsbefugnis

Für den Umfang und die Beschränkung der Vertretungsbefugnis verweist OR 814 Abs. 4 auf OR-Artikel 718a im Aktienrecht. Für Verträge zwischen der Gesellschaft und der Person, durch die sie vertreten wird, verweist OR 814 Abs. 4 auf die Regelung in OR 718b.

Zeichnungsweise

Die zur Vertretung der Gesellschaft befugten Personen haben in der Weise zu zeichnen, dass sie der Firma der Gesellschaft ihre Unterschrift beifügen (OR 814 Abs. 5).

Handelsregistereintrag

Nach OR 814 Abs. 6 Satz 1 müssen die zur Vertretung der Gesellschaft befugten Personen in das Handelsregister eingetragen werden (s. auch OR 720 für die AG). «Sie haben ihre Unterschrift beim Handelsregisteramt zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzureichen» (OR 814 Abs. 6 Satz 2). «Handlungsbevollmächtigte können nicht ins Handelsregister eingetragen werden». Die Handelsregistereintragung ist aber für die Vertretungswirkung nicht konstitutiv.

Abberufung/Entziehung

Grundsatz

Die Gesellschafterversammlung kann die durch sie gewählten Geschäftsführer (Gesellschafter oder Dritte) jederzeit abberufen (OR 815 Abs. 1). Soweit den an der Gesellschaft beteiligten Personen die Befugnis zur Geschäftsführung ohne Wahl durch die Gesellschafterversammlung zusteht (OR 809 Abs. 1 Satz 1), ist eine Abberufung nur auf dem Weg einer statutarischen Neuregelung der Geschäftsführung möglich. Dies gilt auch für den Entzug der dispositiven Einzelvertretungsbefugnis. Weichen die Statuten nicht vom Grundsatz der Selbstorganschaft ab, kann ein Geschäftsführer auch nicht einseitig zurücktreten. Er ist darauf angewiesen, dass alle anderen Gesellschafter ihn aus seiner Pflicht entlassen. Verweigern ihm die Mitgesellschafter dies allerdings, so bleibt ihm nichts anderes übrig als seinen/seine Stammanteil/e abzutreten (OR 785 ff.), auf Austritt (OR 822) oder auf Auflösung der Gesellschaft (OR 821) zu klagen.

Gerichtlicher Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis

OR 815 Abs. 2 enthält eine Sicherheitsklausel für Problemfälle. Wenn wichtige Gründe vorliegen, dann kann jeder Gesellschafter beim Gericht beantragen, einem Geschäftsführer die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu entziehen oder zu beschränken. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere bei Unfähigkeit vor.

Einstellung der Funktion bei Direktoren, Prokuristen sowie Handlungsbevollmächtigten

OR 815 Abs. 3 ermöglicht eine rasche Reaktion auf nicht die Geschäftsführer betreffenden Probleme. Absatz 3 räumt nämlich den Geschäftsführern das Recht ein, Direktoren, Prokuristen sowie Handlungsbevollmächtigte jederzeit in ihrer Funktion einzustellen. Obliegt die Geschäftsführung mehreren Personen, erfolgt die Beschlussfassung durch einen Entscheid gemäss OR 809 Abs. 4. Aus Sicherheitsgründen gilt OR 815 Abs. 3 auch für die durch die Gesellschafterversammlung ernannten Personen (vgl. OR 804 Abs. 3). Hier muss jedoch aufgrund von OR 815 Abs. 4 unverzüglich eine Gesellschafterversammlung einberufen werden.

Zum Aufgabenbereich der Geschäftsführer gehört auch die Einstellung einer faktischen Organfunktion bei einer eine solche Funktion missbräuchlich ausübenden Person. Die Einstellung der Funktion betrifft jedoch nur diese Funktion und lässt andere Rechtsbeziehungen unberührt. Eine arbeitsvertragliche Beziehung dauert daher weiter. Der Arbeitsvertrag kann nur nach den dafür vorgesehenen Regeln beendet werden.

Allfällige Entschädigungsansprüche

Allfällige Entschädigungsansprüche der abberufenen oder in ihren Funktionen eingestellten Personen bleiben vorbehalten (vgl. OR 815 Abs. 5).

Das Fazit

Fehlt eine Vorsitz-Regelung mit mehreren Geschäftsführern, müssen die Anmeldungsbelege für die Handelsregistereintragung entsprechend ergänzt werden, was eine Verzögerung der Registrierung zur Folge haben kann. Enthalten die Statuten keinen Verzicht, kommt dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Stichentscheid zu bei der Beschlussfassung durch eine Mehrzahl von Geschäftsführern. Ob dies erwünscht ist, hängt von der betroffenen GmbH ab.

Wird die gesetzliche Wohnsitzregelung verletzt, führt dies zur Abweisung der Handelsregisteranmeldung durch das zuständige Handelsregisteramt. Bei nicht die Geschäftsführer betreffenden Problemen können diese Direktoren, Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte und Personen mit faktischer Organfunktion jederzeit in ihrer Funktion einstellen. Beim Konzept der Selbstorganschaft ist jedoch eine Abberufung nur auf dem Weg einer statutarischen Neuregelung der Geschäftsführung möglich. Dies gilt auch für den Entzug der dispositiven Einzelvertretungsbefugnis.

Ein Geschäftsführer kann bei der Selbstorganschaft nicht einseitig zurücktreten. Er ist darauf angewiesen, dass der andere bzw. alle anderen Gesellschafter ihn aus seiner Pflicht entlassen. Wird ihm dies verweigert, kann er seinen/seine Stammanteil/e abtreten, auf Austritt oder auf Auflösung der Gesellschaft klagen. Die Abtretung von Stammanteilen könnte sich als schwierig erweisen. Gerichtsverfahren erfordern Zeit, kosten Geld und verhindern ein rasches und effizientes Vorgehen.

Das gilt auch bezüglich der Sicherheitsklausel für Problemfälle, die das Vorliegen wichtiger Gründe erfordern, damit ein Gesellschafter beim Gericht beantragen kann, einem Geschäftsführer die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu entziehen oder zu beschränken. Es lohnt sich daher, bei der Gründung einer GmbH die Geschäftsführung und Vertretung aufgrund der gesellschaftsspezifischen Situation zu regeln, um so gegebenenfalls später auftretenden Schwierigkeiten vorzubeugen.

Beitrag veröffentlicht am
1. Dezember 2011

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