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krfacts Ausgabe Juni 2021 Neue Pflichten für Unternehmen zum besseren Schutz von Mensch und Umwelt

Die Eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» (sog. Konzernverantwortungsinitiative) wurde am 29. November 2020 abgelehnt. Folglich wird der indirekte Gegenvorschlag der Bundesversammlung umgesetzt. Neben den geplanten Gesetzesänderungen im Obligationenrecht (OR) liegt mittlerweile der Vorentwurf der dazugehörenden Bundesratsverordnung vor. Obschon die Referendumsfrist gegen die geplante Gesetzesänderung im OR und auch die Vernehmlassungsfrist für die neue Bundesratsverordnung noch laufen, ist es sinnvoll, sich bereits heute einen ersten Überblick über die möglichen künftigen Pflichten und die davon betroffenen Unternehmen zu verschaffen.

I. Berichterstattungspflicht über nichtfinanzielle Belange

1. Allgemeines

Die Berichterstattungspflicht über nichtfinanzielle Belange beinhaltet einen jährlichen Bericht über Umwelt- (insbesondere CO2-Ziele), Sozial- und Arbeitnehmerbelange sowie die Achtung der Menschenrechte und die Korruptionsbekämpfung. Der entsprechende Bericht soll einerseits das gelebte Geschäftsmodell sowie andererseits die Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit auf die genannten Belange enthalten. Zudem sind die Unternehmenskonzepte in Bezug auf die vorgenannten Belange inklusive der zu ihrer Umsetzung ergriffenen Massnahmen darzustellen. Schliesslich hat der Bericht auch eine Risikobeurteilung der eigenen Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit den nicht-finanziellen Belangen zu beinhalten.

Die Erfüllung dieser Berichterstattungspflicht bedarf nicht zu unterschätzender Vorarbeit. Der Bericht muss veröffentlicht werden und mindestens 10 Jahre lang öffentlich zugänglich sein. Eine Verletzung der Berichterstattungspflicht kann eine Busse von bis zu CHF 100‘000.00 zur Folge haben.

2. Geltungsbereich

Ihrem Unternehmen obliegt eine solche Berichterstattungspflicht, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Ihr Unternehmen qualifiziert sich als eine «Gesellschaft des öffentlichen Interesses». Als solche gelten Publikumsgesellschaften sowie weitere juristische und natürliche Personen, die nach den Finanzmarktgesetzen eine Bewilligung, eine Anerkennung, eine Zulassung oder eine Registrierung der Finanzmarktaufsichtsbehörde benötigen (etwa Banken oder Versicherungen);
  • Ihr Unternehmen hat mindestens 500 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt. Dabei sind auch die Stellen von der Gesellschaft kontrollierten in- oder ausländischen Unternehmen mitzuzählen;
  • Ihr Unternehmen weist eine Bilanzsumme von CHF 20 Millionen oder eines Umsatzerlöses von CHF 40 Millionen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren auf. Dabei sind wiederum die von der Gesellschaft kontrollierten in- und ausländischen Unternehmen miteinzubeziehen.

II. Sorgfaltspflichten und Berichterstattung in den Bereichen «Konfliktmineralien» und «Kinderarbeit»

Für die Bereiche «Konfliktmineralien» und «Kinderarbeit» gelten zusätzliche Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten.

1. Sorgfaltspflichten

Die Sorgfaltspflichten in den Bereichen «Konfliktmineralien» und «Kinderarbeit» beinhalten unter anderem die Führung eines Managementsystems und die Erstellung eines Risikomanagementplans. Das Managementsystem soll die Lieferkettenpolitik für möglicherweise aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammende Mineralien und Metalle darlegen sowie für Produkte und Dienstleistungen, bei denen ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht. Das System soll letztlich die Rückverfolgung der Lieferkette gewährleisten. Bei den Sorgfaltspflichten handelt es sich um Bemühungspflichten und nicht um Erfolgspflichten. Das Unternehmen muss sich somit darum bemühen, keine Konfliktmineralien oder Produkte mit begründetem Verdacht auf Kinderarbeit zu beziehen. Die Sorgfaltspflichten führen jedoch zu keinem absoluten Verbot des Imports von Konfliktmineralien oder Produkten bzw. Dienstleistungen mit begründetem Verdacht auf Kinderarbeit. Stattdessen sollen die sorgfältigen Bemühungen der Unternehmen sowie die Markttransparenz dazu führen, dass weder Konfliktmineralien noch Produkte von Kinderarbeit verwendet werden.

2. Berichterstattungspflicht im Bereich „Konfliktmineralien“

Im Bereich der Konfliktmineralien obliegt Ihrem Unternehmen eine Berichterstattungspflicht, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muss Ihr Unternehmen Mineralien (Erze und Konzentrate) oder Metalle, die Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthalten, in die Schweiz einführen oder in der Schweiz bearbeiten. Zweitens müssen diese Materialien aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten stammen. Es handelt sich dabei um Gebiete, in denen bewaffnete Konflikte geführt werden oder die sich nach Konflikten in einer fragilen Situation befinden. Ebenso sind dies Gebiete, in denen die Staatsführung und die Sicherheit schwach oder nicht vorhanden sind und in denen weitverbreitete systematische Verstösse gegen internationales Recht einschliesslich Menschenrechtsverletzungen stattfinden.

Der Bundesrat legt in der Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz in den Bereichen Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten sowie Kinderarbeit (VSoTr) die jährlichen Einfuhr- und Bearbeitungsmengen fest, bis zu welchen ein Unternehmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht befreit ist. Die Einfuhr- und Bearbeitungsmengen der einzelnen in- und ausländischen Tochtergesellschaften werden dabei zusammengezählt. Diese Mengen sind derzeit in der Vernehmlassung.

3. Berichterstattungspflicht im Bereich „Kinderarbeit“

Im Bereich Kinderarbeit obliegt Ihrem Unternehmen eine Pflicht zur Berichterstattung, wenn Sie Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt wurden. Diese Pflicht gilt nicht für alle Unternehmen.

Für die Prüfung, ob Ihr Unternehmen einer solchen Pflicht obliegt, kann folgendes dreistufige Prüfschema angewandt werden:

  1. Erreicht Ihr Unternehmen (unter Einbezug der vom Unternehmen kontrollierten in- und ausländischen Unternehmen) zwei der drei nachfolgenden Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren: a) Bilanzsumme von CHF 20 Mio.; b) Umsatzerlös von CHF 40 Mio.; c) 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt?
  2. Bezieht Ihr Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen aus Ländern, in denen mittlere bzw. hohe Risiken im Bereich der Kinderarbeit bestehen (gemäss UNICEF Children’s Rights in the Workplace Index)?
  3. Ergibt sich ein konkret begründeter Verdacht auf Kinderarbeit (durch unternehmensinterne oder -externe Hinweise)?

Falls diese drei Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, obliegt Ihrem Unternehmen die beschriebene Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht.

4. Befreiung von Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten „Konfliktmineralien“ und „Kinderarbeit“

Ihr Unternehmen kann sich von den unter Ziff. 2 und Ziff. 3 dieses Kapitels beschriebenen Pflichten befreien, wenn es darlegt, dass es international anerkannte Regelwerke einhält. Bei diesen Regelwerken handelt es sich um OECD-Leitfäden, ILO-Übereinkommen sowie eine EU-Verordnung, die in Art. 6 VSoTr detailliert umschrieben werden.

5. Weitere Fragen

Ob und welche Pflichten Ihr Unternehmen im konkreten Fall treffen, kann erst nach Ablauf der Referendumsfrist und dem Abschluss der laufenden Vernehmlassung definitiv gesagt werden. Jedoch sollten sich Unternehmen ihren potenziellen Pflichten bewusst sein und bereits heute Vorkehrungen für das baldige Inkrafttreten der Bestimmungen – wahrscheinlich schon anfangs 2022 – treffen. Gerne helfen wir Ihnen dabei.

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