KMU-Magazin Nr. 1/2, Februar 2025 Grünes Bauen generell und mit Blick auf das Stockwerkeigentum
Ökologisches, oder auch «grünes», Bauen ist mit vielen generellen Herausforderungen verbunden. Ein noch differenzierteres Vorgehen beansprucht dies bei Stockwerkeigentümerschaften. Der Beitrag dokumentiert einen Überblick.
Gemäss Wikipedia wird mit ökologischem Bauen, welches international auch als «grünes Bauen» (engl.: green building) bezeichnet wird, die umfassende Lehre der Wechselbeziehungen zwischen dem Menschen, seiner gebauten Umwelt und den Ökosystemen, mit dem Anspruch, künftigen Generationen eine lebenswerte und intakte Umwelt zu hinterlassen, verstanden. Nahe damit verwandt ist das Thema des nachhaltigen Bauens.
Nachhaltigkeit im Baubereich umfasst gemäss der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) eine Vielzahl an Aspekten wie Klimaschutz und -anpassung, Kreislaufwirtschaft, Förderung der Biodiversität und Baukultur sowie die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten.
Das Raumplanungsrecht
Grünes Bauen umfasst viele Aspekte. Einer davon ist die autarke Art der Stromgewinnung, beispielsweise durch Solarstromanlagen auf dem Dach eines Gebäudes. Diesbezüglich sieht das Bundesgesetz über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) in Art. 18a Absatz 1 vor, dass in Bau- und in Landwirtschaftszonen auf Dächern genügend angepasste Solaranlagen keiner Baubewilligung nach Art. 22 Absatz 1 RPG bedürfen. Solche Vorhaben sind lediglich der zuständigen Behörde zu melden. Die Raumplanungsverordnung (RPV) regelt in Art. 32a die Einzelheiten bzw. definiert die Voraussetzungen, unter denen eine Solaranlage auf einem Dach als genügend angepasst gilt.
Werden die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, liegt eine Erleichterung vor, da nicht ein Baubewilligungsverfahren durchlaufen werden muss. Dies hat zur Folge, dass keine Einsprache gegen die entsprechende bewilligungsfreie Solaranlage erhoben werden kann, was wiederum dazu führt, dass solche Bauvorhaben zügig umgesetzt werden können.
Ein weiterer Aspekt des grünen Bauens liegt in der Reduktion des Energieverbrauchs der entsprechenden Bauten. Dies kann beispielsweise durch das Anbringen einer guten Wärmedämmung erreicht werden, um den Heizaufwand zu verringern. Die Kantone sehen dafür verschiedene Förderungsinstrumente, wie beispielsweise einen Energiebonus in Form der Erhöhung der Überbauungsziffer, vor. Bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen dürfen Neubauten also grösser gebaut werden, als in der entsprechenden Zone grundsätzlich zulässig wäre.
Ein Energiebonus ist häufig auch für Umbauten vorgesehen. So erhöht sich bei Umbauten die Überbauungsziffer beispielsweise dann, wenn der Neubaugrenzwert der Schweizer Norm SN 520 380/1 (Ausgabe 2016) zum Heizwärmebedarf oder eine Zertifizierung des Labels Minergie erreicht wird. Auch für das Anbringen einer nachträglichen Wärmedämmung wird die anrechenbare Gebäudefläche oftmals durch eine entsprechende Erhöhung der Überbauungsziffer ausgeglichen.
Was gebaut werden darf, wird weitgehend durch die kommunalen und kantonalen Baugesetze bestimmt. Es empfiehlt sich daher, kantonale Spezialisten beizuziehen. Teilweise werden deren Leistungen gar von der öffentlichen Hand finanziert. Es lohnt sich also, sich vorab bei den zuständigen kommunalen Stellen zu erkundigen.
Das Energierecht
In Zusammenhang mit der Energieeffizienz von Bauten sind primär die kantonalen Energiegesetze massgebend. In aller Regel sollen sie eine sparsame, effiziente und nachhaltige Energienutzung fördern. Das namentlich durch
- a. eine verstärkte Nutzung von einheimischen und erneuerbaren Energien sowie von Abwärme,
- b. Erstellung, Betrieb, Sanierung und Unterhalt von Gebäuden und Anlagen mit möglichst geringem Energieeinsatz und möglichst geringen Energieverlusten und
- c. den Einsatz von Technologien, die dem Stand der Technik entsprechen und wirtschaftlich sind.
Aus diesem Grund geben die kantonalen Energiegesetze üblicherweise die Minimalanforderungen an die Energienutzung bei Gebäuden vor. Gebäude und gebäudetechnische Anlagen sind üblicherweise so zu erstellen, zu betreiben und zu unterhalten, dass möglichst wenig Energie verloren geht. Der winterliche und der sommerliche Wärmeschutz, die gebäudetechnischen Anlagen und die Nutzung der Elektrizität in Gebäuden haben dem Stand der Technik zu entsprechen. Das gilt dann auch für Gebäudesanierungen ab einem gewissen Schwellenwert. Oft wird dieser erreicht, wenn die Baukosten 30 Prozent des Gebäudeversicherungswertes überschreiten.
Das führt dazu, dass bei Gebäudesanierungen, die entsprechende Baukosten erreichen, zwingend energetische Massnahmen vorzunehmen sind. Diese Massnahmen betreffen die Gebäudehülle und die Gebäudetechnik. So wird beispielsweise vorgegeben, dass bei Bauten, die beheizt, belüftet, gekühlt oder befeuchtet werden müssen, oder bei einer Dachsanierung das Stromerzeugungspotenzial angemessen auszunutzen ist.
Wird eine Sanierung oder ein Neubau geplant, empfiehlt es sich daher, die geltenden Vorgaben rechtzeitig abzuklären. Der Beizug von entsprechenden Fachplanern ist ab einem gewissen Volumen unerlässlich. Das nicht zuletzt auch, weil die allenfalls erforderlichen Anlagen im Betrieb eine nicht zu unterschätzende Komplexität aufweisen.
Das Stockwerkeigentum
Viele Stockwerkeigentumsliegenschaften in der Schweiz sind bereits ein bisschen in die Jahre gekommen und es stellt sich die Frage nach deren Sanierung. Insbesondere die energetische und somit die grüne Sanierung ist dabei ein Thema. Es wird oft eine neue Heizung, eine bessere Wärmedämmung oder auch der Bau einer Solaranlage zur Stromversorgung thematisiert. Gehen wir davon aus, dass sich die Frage nach einer besseren Wärmedämmung der Aussenwände und nach einer Solaranlage auf dem Dach stellt.
Sowohl die Wärmedämmung der Aussenwände als auch die Solaranlage auf dem Dach sind bauliche Massnahmen. Das Dach und auch die Aussenwände des Gebäudes sind gemeinschaftliche Teile. Diese baulichen Massnahmen betreffen somit gemeinschaftliche Teile der Stockwerkeigentumsliegenschaft. Bauliche Massnahmen an gemeinschaftlichen Teilen dürfen nur vollzogen werden, soweit die Stockwerkeigentümergemeinschaft zugestimmt hat. Doch wie, beziehungsweise mit welchem Quorum, hat die Zustimmung zu erfolgen?
Die baulichen Massnahmen lassen sich unterteilen in notwendige, nützliche oder der Verschönerung und Bequemlichkeit dienende Massnahmen (Art. 647c bis Art. 647e ZGB).
Notwendige bauliche Massnahmen sind Unterhalts-, Wiederherstellungs- und Erneuerungsarbeiten, die für die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache nötig sind. Diese Arbeiten können mit der Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer ausgeführt werden (Art. 647c ZGB). Das einfache Mehr reicht somit aus.
Erneuerungs- und Umbauarbeiten, die eine Wertsteigerung oder Verbesserung der Wirtschaftlichkeit oder Gebrauchsfähigkeit der Sache bezwecken, bedürfen der Zustimmung der Mehrheit aller Stockwerkeigentümer, die zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt (Art. 647d Abs. 1 ZGB). Es wird somit ein qualifiziertes Mehr verlangt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Änderungen, die einem Stockwerkeigentümer den Gebrauch oder die Benutzung der Sache zum bisherigen Zweck erheblich und dauernd erschweren oder unwirtschaftlich machen, nur mit seiner Zustimmung durchgeführt werden können (Art. 647d Abs. 2 ZGB).
Des Weiteren besagt das Gesetz, dass wenn die Änderung von einem Stockwerkeigentümer Aufwendungen verlangt, die ihm nicht zumutbar sind, insbesondere weil sie in einem Missverhältnis zum Vermögenswert seines Anteils stehen, sie ohne seine Zustimmung nur durchgeführt werden kann, wenn die übrigen Stockwerkeigentümer seinen Kostenteil auf sich nehmen, soweit er den ihm zumutbaren Betrag übersteigt (Art. 647d Abs. 3 ZGB).
Bauarbeiten hingegen, welche lediglich der Verschönerung, der Ansehnlichkeit der Sache oder der Bequemlichkeit im Gebrauch dienen, dürfen grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Stockwerkeigentümer ausgeführt werden (Art. 647e Abs. 1 ZGB). Hier besteht jedoch eine Ausnahme. Diese Arbeiten dürfen auch gegen den Willen eines nicht zustimmenden Stockwerkeigentümers ausgeführt werden mit der Zustimmung der Mehrheit aller Stockwerkeigentümer, die zugleich auch den grösseren Teil der Sache vertritt, sofern der nicht zustimmende Stockwerkeigentümer in seinem Nutzungs- und Gebrauchsrecht nicht dauernd beeinträchtigt wird und die übrigen Stockwerkeigentümer ihm für eine bloss vorübergehende Beeinträchtigung Ersatz leisten und seinen Kostenanteil übernehmen (Art. 647e Abs. 2 ZGB).
Die grüne Sanierung
Wie sieht es nun mit dem grünen Bauen beziehungsweise dem grünen Sanieren aus? Hier gilt es zu unterscheiden, ob und welche Gesetzesvorgaben bestehen. Bestehen keine zwingenden Vorgaben betreffend beispielsweise energetischen Sanierungsmassnahmen, stellt eine Solaranlage, auch wenn sie keiner Baubewilligung bedarf, unseres Erachtens grundsätzlich keine notwendige bauliche Massnahme dar. Wir sind der Ansicht, dass sie als nützliche Massnahme zu qualifizieren ist. Ihre Zustimmung bedarf somit einer qualifizierten Mehrheit.
Auch die bessere Wärmedämmung ist nicht per se als notwendige bauliche Massnahme zu qualifizieren, sondern als nützliche Massnahme. Deshalb bedarf auch ihre Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit.
Die grüne Sanierung kann, auch wenn sie in der Raumplanungsgesetzgebung gefördert wird, nicht von sich aus als notwendige bauliche Massnahme qualifiziert werden, da sie weder Unterhalts-, Wiederherstellungs- noch Erneuerungsarbeiten darstellt, die für die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache nötig sind. Grüne Sanierungen stellen unseres Erachtens an sich Erneuerungs- und Umbauarbeiten dar, die eine Wertsteigerung oder die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit oder Gebrauchsfähigkeit der Sache bezwecken. Insofern bedarf es einer grösseren Überzeugungsarbeit, um ein entsprechendes Projekt durchzubringen, da ein qualifiziertes Mehr erreicht werden muss.
Anders sieht es jedoch aus, wenn aufgrund beispielsweise des Energiegesetzes oder eines anderen Gesetzes energetische Sanierungsmassnahmen zwingend vorgeschrieben werden. Verlangt des Energiegesetz beispielsweise, dass bei einer Dachsanierung zwingend eine Solaranlage zu installieren ist, und stellt die Dachsanierung eine notwendige Massnahme dar, so handelt es sich bei der gesetzlich zwingend notwendigen Solaranlage ebenfalls um eine notwendige bauliche Massnahme.
Fazit
Grünes Bauen bringt generell viele Herausforderungen mit sich. Das zum einen hinsichtlich des Bauvolumens, aber auch mit Blick auf die geforderte Energieeffizienz von Bauten. Mit einer rechtzeitigen Fachberatung lässt sich grünes Bauen nicht nur wirtschaftlich interessanter gestalten, vielmehr ist eine solche Fachberatung geeignet, zukünftige Probleme im Betrieb und Unterhalt grüner Bauten zu vermeiden. Grünes Bauen erfordert bereits von Einzelpersonen eine umsichtige und rechtzeitige Planung. Bei Stockwerkeigentümergemeinschaften ist diesem Umstand umso mehr Beachtung zu schenken, muss doch nicht nur der Bau, sondern auch die Entscheidfindung in der Gemeinschaft geplant werden. Auch dabei gilt, je früher und fundierter alle Stockwerksparteien auf die «grüne Reise» mitgenommen werden, desto mehr Nutzen kann damit erreicht werden und umso weniger Energie verpufft in unnötigen Diskussionen.