CH-D Wirtschaft 1/2025 Internationale Nachlassplanung zwischen Deutschland und der Schweiz
Deutschland und die Schweiz. Die enge Beziehung zwischen diesen beiden Ländern ist nicht von der Hand zu weisen. Tatsache ist, dass deutsche Staatsangehörige gerne in der Schweiz leben und arbeiten, Tendenz: steigend. Die Zahl der in der Schweiz lebenden deutschen Staatsbürger ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. Während sie im Jahr 2013 bei knapp 292’300 lag, stieg sie bis im Jahr 2023 auf beinahe 324’000 (www.de.statista.com).
Obwohl die geografische Trennung von Lörrach über Rheinfelden, Koblenz und Konstanz klar verläuft, gibt es in anderen Bereichen schwammige Grenzen. Mit dem Wechsel des Staatsgebiets gehen daher auch stets mannigfaltige rechtliche Fragen einher. Der vorliegende Artikel beleuchtet die erbrechtlichen Schnittstellen von Personen, deren (potenzieller) Nachlass sich im Einflussbereich beider Staaten befinden.
Die Behörden welches Staates sind für die Nachlassabwicklung zuständig?
Zur Veranschaulichung wird von folgendem Beispiel ausgegangen: Eine deutsche Unternehmerin zieht von München in die Schweiz, nach Luzern. Dort kauft sie sich eine schöne Eigentumswohnung direkt am See. Ihr Bankkonto bei der Commerzbank in München behält sie bei. Sie stirbt im Alter von 62 Jahren. Aufgrund des grenzüberschreitenden Sachverhalts ist zunächst fraglich, welche Behörden oder Gerichte für die Nachlassabwicklung zuständig sind.
In der Schweiz gilt, dass grundsätzlich die Behörden am letzten Wohnsitz der Verstorbenen zuständig sind. Aufgrund des Wohnsitzes in Luzern erklären sich in unserem Ausgangsbeispiel die Schweizer Behörden in Luzern für zuständig.
Aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit der Unternehmerin ist jedoch auch der in Deutschland anwendbaren EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) Beachtung zu schenken. Die EU-ErbVO beinhaltet kein europäisch einheitliches Erbrecht. Vielmehr legt es für alle EU-Staaten eine Zuständigkeitsordnung fest und bestimmt das auf die Abwicklung des Nachlasses an-wendbare Recht.
Die EU-ErbVO knüpft für die Bestimmung der Zuständigkeit primär an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen an, was im Übrigen nicht mit dem schweizerischen Anknüpfungspunkt des Wohnsitzes zu verwechseln ist. Selbst wenn sich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Verstorbenen nicht in Deutschland befand, können die deutschen Gerichte dann zuständig sein, sofern sich Vermögenswerte des Verstorbenen auf deutschem Staatsgebiet be-finden und der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit besass oder der Umzug in die Schweiz nicht länger als fünf Jahre zurückliegt.
Vorliegend könnten sich somit aufgrund des Kontos bei der Commerzbank in München nebst den Schweizer Behörden auch deutsche Gerichte für die Abwicklung des gesamten Nachlasses für zuständig erklären. Es droht ein Kompetenzkonflikt, welcher das Nachlassvermögen und dessen Abwicklung blockieren kann.
Dieser Problematik kann unter anderem mit der Umstrukturierung oder der Veräusserung von Vermögenswerten entgegengewirkt werden, vorliegend beispielsweise, wenn das Vermögen bei der Commerzbank München zu Lebzeiten in die Schweiz transferiert wird. Doch nicht alleine die Frage nach der Zuständigkeit der Behörden kann Probleme bereiten. Selbst das auf den Nachlass anwendbare Recht kann in gewissen Konstellationen unerwünschte Wirkungen haben.
Welches Recht ist auf die Nachlassabwicklung anwendbar?
Die Frage des auf den Nachlass anwendbaren Rechts bestimmt sich gemäss der schweizerischen Rechtsordnung wiederum aufgrund des letzten Wohnsitzes des Verstorbenen. In unserem Ausgangsbeispiel wäre im Falle der Zuständigkeit der Schweizer Behörden Schweizer Erbrecht anwendbar. Dies, da die Erblasserin ihren letzten Wohnsitz in Luzern hatte. Die Schweiz akzeptiert zudem die Anwendung des Erbrechts am Lageort eines Grundstücks, sollte sich ein solches im Nachlass des Erblassers befinden (lex rei sitae). Dies führt dazu, dass bei internationalen Erbfällen sogar unterschiedliche nationale Erbrechte parallel angewendet werden können.
Aus Sicht der EU-ErbVO ist auf den Erbfall das Recht des Staates anzuwenden, in welchem die verstorbene Person im Zeitpunkt des Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Ausgangsbeispiel dürfte klar sein, dass sich der letzte gewöhnliche Aufenthalt der deutschen Unternehmerin in Luzern befand. Vorliegend hätten somit die zuständigen deutschen Gerichte für sie «fremdes» Schweizer Recht anzuwenden. Eine äusserst unerwünschte Situation.
Ein besonderes Risiko in der internationalen Nachlassplanung stellt das sogenannte «Forum-Shopping» dar. Damit ist gemeint, dass Erben gezielt das für sie günstigste Erbrecht wählen, indem sie die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts anstreben. Dies kann durch eine klare Rechtswahl im Testament verhindert werden. Zudem können Strafklauseln in Testamenten eingeführt werden, die verhindern, dass Erben durch Prozessführung ein für sie günstigeres Erbrecht durchsetzen, was wiederum für andere Erben nachteilig sein kann.
Vorausschauende Personen werden prüfen, welches Recht ihren Bedürfnissen am besten entspricht. Sowohl das Schweizer Recht als auch die EU-ErbVO sehen eine Rechtswahlmöglichkeit vor. Dies bedeutet, dass der Erblasser zu Lebzeiten seinen dereinsten Nachlass entweder dem Recht seines Wohnsitzes/ gewöhnlichen Aufenthalts oder seinem Heimatrecht unterstellen kann, wobei das Schweizer Pflichtteilsrecht weiterhin bestehen bleibt. Eine vorausschauende Abstimmung von Erb- und Güterrecht kann zudem steuerliche und erbrechtliche Vorteile bieten. Ehe- und Erbverträge ermöglichen es, klare Regeln für den internationalen Nachlassfall festzulegen und Streitigkeiten zwischen den Erben zu vermeiden.
Hierzu ist es essenziell zu wissen, welche Rechtsordnung für welche Konstellation die entsprechenden Vorteile bietet. Beim ersten Hinsehen bestehen zwischen dem Schweizer und dem Deutschen Erbrecht nur geringe Unterschiede. Auf den zweiten Blick wird man jedoch erkennen, dass es einige Differenzen gibt. Diese können unter Umständen stark ins Gewicht fallen.
Ein nicht zu unterschätzender Punkt in diesem Zusammenhang ist das Ehegüterrecht. In Deutschland beeinflusst der Güterstand massgeblich den Erbanteil des überlebenden Ehepartners. Zum Beispiel führt die sog. Zugewinngemeinschaft zu einer pauschalen Erhöhung des Erbanteils des Ehepartners um ein Viertel. In der Schweiz hingegen ist die Errungenschaftsbeteiligung der gesetzliche Güterstand. Beim Tod eines Ehepartners muss zuerst der güterrechtliche Anteil bestimmt werden, bevor das Erbrecht greift. Durch Eheverträge oder erbrechtliche Vereinbarungen kann im Vorfeld festgelegt werden, welche Regelungen für den Erbfall gelten sollen.
Auch in Bezug auf Erbverträge und Testamente gibt es Unterschiede: Während in Deutschland Testamente die gängige Form der Nachlassregelung darstellen, sind in der Schweiz Erbverträge eine weitverbreitete Praxis.
Nach dem Gesagten dürfte es für den Erblasser von Wichtigkeit sein, sich bereits zu Lebzeiten um eine saubere Abwicklung seines Nachlasses zu kümmern. Eine präzise Abstimmung zwischen den Rechtsordnungen ist essenziell, um zu vermeiden, dass ein Erbfall in mehreren Ländern parallel abgewickelt werden muss. Hierzu bedarf es einer rechtzeitigen und umsichtigen Planung.
Steuerliche Stolpersteine
Ein weiterer Faktor, der für eine vorausschauende Planung spricht, ist die Vermeidung von unliebsamen Steuern. In Anbetracht der beiden Rechtsordnungen ergeben sich auch hier wesentliche Differenzen. In Deutschland unterliegt der Nachlass der Erbschaftssteuer, die zwischen 7 % und 50 % variiert, abhängig vom Verwandtschaftsgrad und der Höhe des Nachlasses. In der Schweiz hingegen wird die Erbschaftssteuer kantonal geregelt, wobei nahe Verwandte oft von der Steuer befreit sind. Die erbschaftssteuerlichen Freibeträge sind in Deutschland klar geregelt, während sie in der Schweiz je nach Kanton unterschiedlich ausfallen. Je nach Wohnsitz können dadurch erhebliche Unterschiede entstehen.
Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen beiden Ländern verhindert zudem eine zweifache Besteuerung von Erbvorgängen und regelt gleichzeitig die Steuerpflicht. Immobilien werden grundsätzlich im Belegenheitsstaat besteuert, während bewegliches Vermögen im Wohnsitzstaat des Erblassers besteuert wird. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, etwa durch Schenkungen zu Lebzeiten oder eine sorgfältige Planung internationaler Vermögenswerte, können erhebliche Steuerlasten reduzieren.
Staatsübergreifende Anerkennung von erbrechtlichen Dokumenten
Eine weitere wichtige Thematik ist die Anerkennung von Testamenten und Erbscheinen. Die EU-ErbVO sowie das Haager Testamentsformübereinkommen regeln die Formgültigkeit internationaler Testamente. Deutsche Erbscheine werden in der Schweiz anerkannt, wenn sie nach deutschem Recht gültig sind. Ein zusätzliches Instrument ist das Europäische Nachlasszeugnis, das eine einfachere Nachweisführung innerhalb der EU ermöglicht, jedoch nicht verpflichtend ist. Während in Deutschland das Nachlassgericht eine zentrale Rolle in der Nachlassabwicklung spielt, erfolgt diese in der Schweiz häufig über Notare oder Erbenbescheinigungen.
Fazit
Die Nachlassplanung zwischen Deutschland und der Schweiz erfordert eine frühzeitige und strategische Herangehensweise. Eine professionelle Beratung durch Fachleute beider Länder ist essenziell. Unterschiede im Erbrecht, Steuerrecht und in der Anerkennung von Dokumenten müssen beachtet werden, um Streitigkeiten und langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden sowie steuerliche Vorteile zu nutzen. Persönliche Aspekte wie die internationale Familienstruktur, die Verteilung von Vermögenswerten in mehreren Ländern und die individuellen Interessen der Erben sollten auch berücksichtigt werden. Eine frühzeitige Planung minimiert rechtliche und steuerliche Risiken und stellt sicher, dass der Nachlass den eigenen Wünschen entsprechend geregelt wird.