CH-D Wirtschaft 2/2025 Internationale Schiedsgerichtsbarkeit - Stolpersteine bei der Vertragsgestaltung
Im internationalen Wirtschaftsverkehr entscheiden sich zahlreiche Unternehmen gezielt für die Schiedsgerichtsbarkeit. Sie bietet Vertraulichkeit, Flexibilität und oft Vorteile bei der internationalen Vollstreckbarkeit. Damit diese Vorteile im Streitfall tatsächlich zum Tragen kommen, ist eine sorgfältige Vertragsgestaltung unerlässlich. Vor allem der Schiedsklausel sollte besondere Beachtung geschenkt werden. Widersprüche, Unklarheiten oder Lücken können dazu führen, dass Verfahren erheblich verzögert oder sogar ganz verhindert werden. Dieser Beitrag beleuchtet zentrale Stolpersteine bei der Ausgestaltung von Schiedsvereinbarungen in grenzüberschreitenden Verträgen.
Unklare oder fehlerhafte Schiedsklauseln
Ein häufiger Stolperstein ist die sogenannte pathologische Schiedsklausel. Damit sind Regelungen gemeint, die unklar, widersprüchlich oder unvollständig sind und daher im Streitfall zu Diskussionen über die Zusammensetzung oder Zuständigkeit des Schiedsgerichts führen. Praktische Beispiele belegen, dass Streitbeilegungsklauseln für Laien oft überzeugender klingen, als sie inhaltlich tatsächlich sind:
So enthielt der Vertrag eines internationalen Konsortiums folgende Schiedsklausel: «Für den vorliegenden Vertrag ist ausschliesslich schweizerisches Recht anwendbar. Gerichtsstand ist Meilen. Streitigkeiten unter den Gesellschaftern über den vorliegenden Vertrag werden nach Möglichkeit unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte durch ein Schiedsgericht erledigt (…).»
Die Vermischung von staatlicher Gerichtsbarkeit («Gerichtsstand Meilen») und Schiedsgerichtsbarkeit («Ausschluss der ordentlichen Gerichte zugunsten eines Schiedsgerichts») führte dazu, dass das Bundesgericht entschied, dass im konkreten Fall keine wirksame Schiedsvereinbarung vorlag. Folglich wurden die Parteien nach langen verfahrensrechtlichen Auseinandersetzungen an die ordentlichen Gerichte verwiesen.
Neben der Kombination von staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten kommt es auch vor, dass der Schiedsort fehlt oder unpräzise bezeichnet wird, beispielsweise mit Formulierungen wie «Arbitration in Switzerland». Darüber hinaus kann es zu widersprüchlichen Angaben bezüglich der Schiedsinstitution oder der Anzahl der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter kommen. Solche Klauseln führen zu zusätzlichem Klärungsbedarf oder gar zu (schieds-)gerichtlichen Vorfragen, was die Effizienz und Schnelligkeit der Schiedsgerichtsbarkeit und damit der Lösung des Konflikts beeinträchtigt.
Praxistipp: Verwenden Sie bewährte Musterschiedsklauseln anerkannter Institutionen, wie beispielsweise jene der Internationalen Schweizerischen Schiedsordnung des Swiss Arbitration Centre (Swiss Rules), der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DISRegeln) oder der International Chamber of Commerce (ICC Rules). Diese Klauseln sind im Internet zugänglich und kostenlos abrufbar. Von sog. Ad-hoc-Schiedsverfahren, d.h. Verfahren ohne Anbindung an eine Schiedsinstitution, ist in der Regel abzuraten.
Die Wahl der Schiedsinstitution: Mehr als eine Formsache
Ob ICC, DIS, Swiss Arbitration Centre oder eine andere Institution – die Wahl der Schiedsinstitution prägt das gesamte Verfahren. Alle Institutionen gewährleisten Struktur, klare Regeln und administrative Unterstützung. Im deutsch-schweizerischen Kontext stellt sich häufig die Frage: Soll eine Deutsche Institution (z. B. DIS), eine Schweizer Institution (z. B. Swiss Arbitration Centre) oder lieber eine Institution mit Sitz in einem anderen Staat, wie die ICC in Paris gewählt werden? Alle Regelwerke bieten eine gute Grundlage, unterscheiden sich jedoch in Detailfragen – etwa bei den Kosten oder hinsichtlich der Rolle der Institution bei der Bestellung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter.
Praxistipp: Wählen Sie die Schiedsinstitution unter besonderer Berücksichtigung der Vertragssprache, der Nationalität und Struktur der Vertragspartner, des voraussichtlichen Streitwerts sowie der Vertrautheit der Parteien mit dem jeweiligen Regelwerk.
Wie fülle ich die Platzhalter der Musterschiedsklausel aus?
Haben Sie sich mit Ihrem Vertragspartner auf eine Schiedsinstitution geeinigt, sehen die jeweiligen Musterschiedsklauseln in der Regel Platzhalter für folgende Angaben vor:
- Schiedsort;
- Anzahl der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter;
- Verfahrenssprache;
- Teilweise: Wahl des anwendbaren materiellen Rechts.
In den folgenden Abschnitten wird auf die einzelnen Elemente einer Schiedsklausel eingegangen mit besonderem Blick, worauf dabei zu achten ist.
Schiedsort: Kleine Entscheidung mit grossen Folgen
Der Schiedsort bzw. Sitz des Schiedsgerichts wird häufig missverstanden und unterschätzt. Er bestimmt nicht den physischen Ort der Verhandlung, sondern legt fest, welches nationale Recht (die sog. lex arbitri) auf das Schiedsverfahren Anwendung findet. Die lex arbitri regelt unter anderem, in welchem Umfang staatliche Gerichte das Verfahren unterstützen oder ob und wie ein Schiedsspruch bei einem staatlichen Gericht angefochten werden kann. Zudem entscheidet die lex arbitri darüber, welche formalen und inhaltlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit überhaupt eine gültige Schiedsvereinbarung vorliegt.
Praxistipp: Bestimmen Sie den Schiedsort bewusst. Klären Sie ab, wie schiedsfreundlich das dahinterstehende staatliche Recht ist und welche Voraussetzungen an eine gültige Schiedsklausel gestellt werden.
Zusammensetzung des Schiedsgerichts: Eine oder drei Personen?
Die Entscheidung über die Anzahl der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter hat erhebliche Auswirkungen auf die Dauer, die Kosten und die Qualität des Verfahrens. Während bei geringeren Streitwerten eine Person genügt, empfiehlt sich bei komplexen oder grossvolumigen Streitigkeiten die Bestellung eines dreiköpfigen Schiedsgerichts – nicht zuletzt, um die Entscheidungsfindung auf eine breitere Basis zu stellen. Dem tragen die Regelwerke von Schiedsinstitutionen Rechnung, indem sie für kleinere Streitigkeiten ein beschleunigtes Verfahren vorsehen, das von einer Einzelschiedsrichterin oder einem Einzelschiedsrichter geführt wird.
Praxistipp: Legen Sie in der Schiedsklausel ausdrücklich fest, wie viele Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter bestellt werden. Überlegen Sie sich, ab welchem Streitwert sich ein Dreiergremium rechtfertigt.
Sprache des Verfahrens: Ein unterschätzter Kostenfaktor
Im Streitfall kann eine fehlende Regelung zur Verfahrenssprache das Verfahren verkomplizieren und verteuern. Ist nichts vereinbart und besteht Uneinigkeit zwischen den Parteien, entscheidet in der Regel das Schiedsgericht über die Verfahrenssprache, was sich für eine Partei nachteilig auswirken kann. Übersetzungskosten, Verständigungsprobleme oder strategische Nachteile sind mögliche Folgen.
Praxistipp: Legen Sie die Verfahrenssprache eindeutig in der Schiedsklausel fest.
Explizite Wahl des anwendbaren materiellen Rechts
Manche Musterschiedsklauseln sehen vor, dass auch das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht bestimmt werden soll. Es handelt sich dabei weniger um eine Frage des Schiedsverfahrens, als vielmehr um eine wichtige Klarstellung, welches Recht herangezogen wird, um den Streit zu entscheiden. Fehlt in Verträgen eine ausdrückliche Regelung zum anwendbaren materiellen Recht, kann dies im Streitfall zu komplexen und langwierigen Vorfragen führen.
Praxistipp: Ergänzen Sie die Schiedsklausel um eine eindeutige Rechtswahl, damit klar ist, welches Recht auf einen möglichen Streit anwendbar ist.
Kombination mit Mediation: Sorgfalt bei Eskalationsklauseln
Eine weitere Option ist, die Schiedsgerichtsbarkeit mit Mediation oder anderen alternativen Streitbeilegungsverfahren zu kombinieren. Solche Mehrstufigkeits- oder Eskalationsklauseln können sinnvoll sein, vorausgesetzt, sie sind klar strukturiert und rechtsverbindlich ausgestaltet. Unklare Fristen, unbestimmte Begriffe oder fehlende Verbindlichkeit führen hingegen oft zu Streit. Im schlimmsten Fall kann das Verfahren dadurch blockiert werden.
Praxistipp: Legen Sie eindeutig fest, welche Schritte in welcher Reihenfolge zu durchlaufen sind, und ob diese verpflichtend oder optional ausgestaltet werden sollen.
Fazit: Schiedsklauseln brauchen Aufmerksamkeit – Vorsicht bei copy-paste
Die sorgfältige Gestaltung der Schiedsklausel ist kein Nebenthema, sondern ein essenzieller Bestandteil internationaler Verträge. Individuell ausgehandelte oder «selbstgebastelte» Schiedsklauseln führen dabei besonders häufig zu Problemen. Es wird daher empfohlen, sich an bewährten Musterschiedsklauseln anerkannter Schiedsinstitutionen zu orientieren. Diese sind praxiserprobt und effizient. Abweichungen sind möglich, sollten jedoch nur in begründeten Ausnahmefällen und nach fundierter rechtlicher Beratung vorgenommen werden.