KMU-Magazin Nr. 7/8, Juli/August 2025 Zum Arbeitsverhältnis beim Betriebsübergang
Bei einem Betriebsübergang gehen alle dem übergehenden Betrieb(-steil) zugeordneten Arbeitsverträge mit ihren bisherigen Rechten und Pflichten automatisch auf die Erwerberin über. Der Beitrag zeigt mögliche Handlungsspielräume und was Arbeitgeberinnen zu beachten haben.
Kommt es zu einem Betriebsübergang, also werden ganze Betriebe oder Betriebsteile übertragen, hat dies weitreichende Konsequenzen für die involvierten Parteien. Der in Art. 333 OR gesetzlich vorgesehene automatische Übergang der Arbeitsverhältnisse vom Veräusserer an die Erwerberin dient in erster Linie dem Schutz der Arbeitnehmenden, indem er die von der Dauer eines Arbeitsverhältnisses abhängigen Ansprüche wie beispielsweise Kündigungsfristen, Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit oder Dienstaltersgeschenke wahrt. Im Folgenden werden Handlungsspielräume für Arbeitgeberinnen aufgezeigt, um von dieser starren Regelung abweichen zu können.
Rechtsgrundlagen
Gemäss Art. 333 Abs. 1 OR gehen bei einem Betriebsübergang alle dem übergehenden Betrieb(-steil) zugeordneten Arbeitsverträge mit ihren bisherigen Rechten und Pflichten automatisch auf die Erwerberin über. Diese Bestimmung verfolgt den Zweck, Arbeitnehmende zu schützen und insbesondere den Erhalt ihrer dienstaltersabhängigen Rechte sicherzustellen.
Es besteht für die Vertragspartner, also für Veräusserer und Erwerberin, grundsätzlich kein vertraglicher Spielraum bezüglich der Übergänge der Arbeitsverhältnisse. Es besteht lediglich ein Ablehnungsrecht für die betroffenen Arbeitnehmenden (Art. 333 Abs. 1 und 2 OR) sowie eine Solidarhaftung von Veräusserer und Erwerberin für gewisse Ansprüche (Art. 333 Abs. 3 OR).
Die solidarische Haftung umfasst Ansprüche, die bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs fällig werden. Darüber hinaus umfasst sie Ansprüche, die nach dem Übergang bis zu dem Zeitpunkt fällig werden, zu dem das Arbeitsverhältnis ordentlich beendet werden könnte oder bei Ablehnung des Übergangs durch den Arbeitnehmenden beendet wird.
Weiter besteht die Pflicht, Arbeitnehmende oder deren Arbeitnehmervertretung rechtzeitig vor Vollzug des Betriebsübergangs über den Grund und die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs zu informieren (Art. 333a Abs. 1 OR). Bei einer Übertragung ohne Anpassungen der Arbeitsverhältnisse oder der Arbeitsbedingungen reicht eine einfache Information aus. Werden im Rahmen des Betriebsübergangs jedoch Massnahmen beabsichtigt, welche Arbeitnehmende betreffen, so sind diese, oder deren Arbeitnehmervertretung, rechtzeitig vor einem Entscheid über diese Massnahmen zu konsultieren (Art. 333a Abs. 2 OR).
Die Beachtung dieser Grundsätze ist elementar. Dennoch gibt es Handlungsspielräume in engen Schranken, welche zulässig sind und nicht als Umgehung von Art. 333 OR qualifizieren. Nachfolgend erläutern wir diese anhand von gewissen Beispielfällen.
Verbleib beim Veräusserer
In der Praxis kommt es oftmals vor, dass der Veräusserer ein Interesse daran hat, bestimmte Personen, welche eigentlich dem übergehenden Betrieb angehören, weiter zu beschäftigen. Sei es aus wirtschaftlichen Überlegungen oder weil er auf bestimmtes Spezialwissen für einen nicht übertragenen Betriebsteil nicht verzichten kann. Für diesen Fall stehen folgende Ansätze zur Verfügung.
Bei einem sogenannten echten Funktionswechsel teilt man die betroffenen Arbeitnehmenden einer anderen Funktion oder einem anderem Betriebsteil zu, welcher nicht vom Übergang erfasst wird, wodurch die Zugehörigkeit zum übergehenden Betrieb entfällt. Diese Umstrukturierung darf jedoch nicht nur zum Schein geschehen, es muss zwingend eine tatsächliche Funktionsanpassung des Arbeitnehmenden vorgenommen werden. Ansonsten handelt es sich um eine nicht zulässige Umgehung von Art. 333 OR.
Eine weitere Möglichkeit stellt die Ablehnung durch den Arbeitnehmenden in Kombination mit einem neuen Arbeitsvertrag dar. Beim Betriebsübergang haben die betroffenen Arbeitnehmenden nach Art. 333 Abs. 2 OR einen gesetzlichen Anspruch darauf. Die Folge davon ist eine Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses innert gesetzlicher, und nicht etwa innert vertraglicher, Kündigungsfrist. Parallel dazu kann ein neuer Arbeitsvertrag mit dem Veräusserer ausgehandelt werden. Die Wahrung der bisherigen oder sogar eine Verbesserung der Vertragsbedingungen ist dabei der Normalfall. Auch eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ist denkbar, dabei sollte jedoch die Anpassung unter Einhaltung der Kündigungsfrist erfolgen und sachliche Gründe vorhanden sein.
Sofern die zeitliche Umsetzung und die Kündigungsfristen nicht in Einklang gebracht werden können, empfiehlt es sich, die vertragliche Situation einvernehmlich zu regeln. Beispielsweise kann mit einem Aufhebungsvertrag, das heisst, einer einvernehmlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmenden, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf Kündigungsfristen vereinbart werden. Damit eine solche Vereinbarung wirksam ist, sind die üblichen Rahmenbedingungen für solche Verträge einzuhalten.
Zu erwähnen sind einerseits die Beachtung des sogenannten Verzichtsverbots für Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes oder aus Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben (Art. 341 OR), und andererseits ein vernünftiges Interesse des Arbeitnehmenden, übrige Ansprüche abändern zu wollen. Gleichzeitig wird ein neuer Arbeitsvertrag mit dem Veräusserer abgeschlossen. Die Beendigung des alten und die Wirksamkeit des neuen Arbeitsvertrages sind dabei mit dem Datum des Betriebsübergangs zu harmonisieren und als Bedingung am tatsächlichen Vollzug des Betriebsübergangs vorzusehen.
Betriebsfremde Arbeitnehmende
Auch kommt es vor, dass die Erwerberin Arbeitnehmende übernehmen möchte, die formal nicht zum übergehenden Betrieb gezählt werden. Da hier die Arbeitsverhältnisse nicht von Art. 333 OR erfasst sind, müssen besondere Vereinbarungen getroffen werden.
So ist einerseits eine dreiseitige Vereinbarung zwischen Veräusserer, Erwerberin und dem betroffenen Arbeitnehmenden denkbar. Andererseits kann ein neuer Arbeitsvertrag zwischen der Erwerberin und dem Arbeitnehmenden abgeschlossen werden, wobei das alte Arbeitsverhältnis mittels Aufhebungsvertrag einvernehmlich aufgelöst wird.
Wie sich zeigt, ist eine Übernahme eines betriebsfremden Arbeitnehmenden ohne dessen ausdrückliche Zustimmung nicht möglich. Allen Parteien empfiehlt es sich, auf schriftliche Vereinbarungen zu bestehen, damit klare Rechtsverhältnisse geschaffen werden.
Kündigungen
Arbeitgeberinnen stellen sich häufig die Frage, ob vor oder im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang Kündigungen ausgesprochen werden dürfen, um den Personalbestand auf den anstehenden Betriebsübergang vorzubereiten. Die bereits erwähnte Konsultationspflicht nach Art. 333a Abs. 2 OR kommt im Fall solcher Personalanpassungen zur Anwendung. Konkret bedeutet dies, dass nicht nur informiert werden, sondern mit den Arbeitnehmenden oder deren Arbeitnehmervertretung ein Dialog geführt werden muss, sodass Meinungen und Vorschläge der Arbeitnehmenden in die Entscheidung einfliessen können.
Grundsätzlich bleibt die Kündigungsfreiheit bestehen, allerdings nur, sofern sachliche Gründe wie eine Restrukturierung des Betriebs oder eine nachweisbare wirtschaftliche Notlage vorliegen. Will man hingegen bloss unangenehme Übergänge vermeiden, erkennt die Rechtsprechung eine unzulässige Umgehung von Art. 333 OR. Entsprechende Kündigungen sind dann nichtig und das Arbeitsverhältnis geht gleichwohl auf die Erwerberin über. Solche nichtigen Kündigungen liegen insbesondere vor, wenn mit der Kündigung verhindert werden soll, dass gewisse Arbeitnehmende auf die Erwerberin übergehen, weil die Erwerberin diese nicht übernehmen möchte, oder wenn damit der Eintritt der gesetzlichen Rechtsfolgen wie die Aufrechterhaltung dienstaltersabhängiger Rechte, die einjährige Geltung eines vorhandenen Gesamtarbeitsvertrages nach Art. 333 Abs. 1bis OR oder die gesetzlich vorgesehene Solidarhaftung nach Art. 333 Abs. 4 OR verhindert werden soll.
Es empfiehlt sich also Arbeitgeberinnen, alle Personalentscheidungen und insbesondere deren Begründungen sowie die Konsultation der Arbeitnehmenden ausführlich und vollständig zu dokumentieren, damit bei allfälligen gerichtlichen Auseinandersetzungen auf die objektiv tragenden Motive verwiesen werden kann. Dies macht die Legitimität des Vorgehens greifbar und verhindert Missbrauchseinwände der Arbeitnehmenden.
Möglichkeiten zur Anpassung
Die gesetzlichen Vorgaben zum Betriebsübergang verbieten jedoch nicht, dass die Erwerberin, sobald sie Arbeitgeberin geworden ist, die Verträge der übergegangenen Arbeitnehmenden an ihre bestehenden Lohn- und Sozialleistungen anpasst. Dabei sind jedoch drei Schranken zu beachten. Dienstaltersabhängige Rechte dürfen auch nach dem Betriebsübergang nicht beeinträchtigt werden, so darf beispielsweise keine erneute Probezeit vereinbart werden.
Wie auch bei Kündigungen kann die gesetzlich vorgesehene Solidarhaftung zwischen Veräusserer und Erwerberin nach Art. 333 Abs. 4 OR nicht wegbedungen werden und die Weitergeltung eines allfälligen GAVs nach Art. 333 Abs. 1bis OR bleibt auch hier unantastbar.
Darüber hinaus gilt auch der bereits ausgeführte Grundsatz, dass jede wesentliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen eine sachliche Rechtfertigung voraussetzt, damit es sich nicht um missbräuchliches Vorgehen handelt. Da solche Vertragsanpassungen als Änderungskündigungen gelten, soweit sie nicht einvernehmlich erfolgen, ist bei Erreichen der entsprechenden Schwellenwerte das Massenentlassungsverfahren nach Art. 335d ff. OR zu beachten. Andernfalls qualifiziert die Änderungskündigung als missbräuchlich, wobei diesfalls «nur» ein Betrag von zwei Monatslöhnen als Poenale einschlägig ist (Art. 336 Abs. 2 lit. c OR i.V.m. Art. 336a Abs. 3 OR), anstelle der üblichen Grenze von sechs.
Zur Frage, wann eine solche Anpassung der Arbeitsbedingungen vorgenommen werden kann, ist man sich in der Lehre einig, dass es bereits ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Übernahmevertrags möglich ist, Anpassungen mit Inkrafttreten auf den Übernahmezeitpunkt den Arbeitnehmenden vorzulegen. Gerichtlich wurde bis anhin lediglich bestätigt, dass man ab Betriebsübergang eine Anpassung vornehmen kann.
Empfehlungen und Fazit
Trotz der zunächst starren gesetzlichen Regelung des Betriebsübergangs nach Art. 333 OR bleibt Arbeitgeberinnen ein gewisses Mass an Flexibilität bei der Umsetzung von Betriebsübergängen, wenn sie folgende Punkte beachten. Durch eine frühzeitige Planung mit rechtzeitiger Information und Konsultation der Belegschaft (oder deren Vertretung) können bereits im Vorfeld eines Betriebsübergangs Unklarheiten beseitigt und Bedürfnisse geklärt werden, damit Konflikte gar nicht erst entstehen. Eine einvernehmliche Vertragsanpassung ist ideal und anstrebenswert. Erfahrungsgemäss ist dies umsetzbar, wenn mit genügend zeitlichem Vorlauf der Betriebsübergang geplant werden kann. Sollte dies nicht möglich sein, ist ein besonderes Augenmerk auf eine saubere schriftliche Dokumentation zu legen und die Rechte der Arbeitnehmenden zu wahren, um nicht unnötige Konflikte zu provozieren.
Werden diese Punkte beachtet, lassen sich Betriebsübergänge effizient und rechtssicher gestalten. Unternehmen profitieren zugleich von der Möglichkeit, ungewollte personelle Konstellationen anzupassen oder neue Talente einzubinden.
