krfacts Ausgabe November 2019 Wichtige gesetzliche Neuerungen per 01. Januar / 01. Juli 2020
Bei diversen Bundeserlassen treten per 01. Januar / 01. Juli 2020 Änderungen in Kraft. Wir haben für Sie die wichtigesten Neuerungen ausgewählt und kurz zusammengefasst.
Obligationenrecht – Teilrevision des Verjährungsrechts
Das revidierte Verjährungsrecht tritt am 01. Januar 2020 in Kraft. Grundsätzlich ist zwischen der relativen und der absoluten Verjährungsfrist zu unterscheiden. Die relative Frist beginnt mit der Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen. Sie beträgt für Forderungen aus unerlaubter Handlung oder ungerechtfertigter Bereicherung zurzeit ein Jahr, was generell als zu kurz empfunden wird. Das neue Recht sieht deshalb neu eine relative Verjährungsfrist von drei Jahren vor. Damit bleibt den geschädigten Personen mehr Zeit, ihre Forderungen durchzusetzen. Eine weitere wichtige Erneuerung ist die zwanzigjährige absolute Verjährungsfrist bei Personenschäden. Damit sollen Geschädigte von Spätschäden (insb. Asbestopfer) bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche nicht mehr wie bisher an der Verjährung scheitern.
Schifffahrtsrecht – Änderung des Binnenschifffahrtsgesetzes
Seit 2014 gilt analog zum Strassenverkehr in der Freizeitschifffahrt als fahrunfähig, wer eine Blutalkoholkonzentration von 0.5 Gewichtspromille oder eine Atemalkoholkonzentration von 0.25 mg Alkohol pro Liter Atemluft (mg/l) überschreitet. Vom Fahrverbot wegen Alkohol- und Betäubungsmitteleinwirkungen werden ab dem 01. Januar 2020 Personen ausgenommen, die sich auf bis zu 4 Meter langen Gummibooten, auf bis zu 2.5 Meter langen Schiffen, auf Strandbooten sowie auf Paddelbooten an der Führung eines Schiffes beteiligen. Weiterhin gilt jedoch, dass ein Schiff nur von fahrtüchtigen Personen gesteuert werden darf. Sobald Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen, wird diese einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen. Neu kann die Fahreignung auch mit einer Atemalkoholprobe überprüft werden. Keine Fahreignung besteht bei Fahrten in angetrunkenem Zu stand mit einer Blutalkoholkonzentration von 1.6 Gewichtspromille oder mit einer Atemalkoholkonzentration von 0.8 mg/l.
Verwaltungsrecht – Änderung der Verordnung über den Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen
Ab dem 01. Januar 2020 ist in allen Kantonen der Kataster über die öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (ÖREBK) verfügbar. Grundeigentümer und interessierte Personen haben in der ganzen Schweiz einfachen Zugang zu diesen sogenannten öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen. Relevante Informationen über Grundstücke werden im Internet auf den kantonalen ÖREB- Portalen gesammelt und einfach zugänglich gemacht. Dazu gehören z.B. Projektierungszonen von Nationalstrassen, Grundwasserschutzzonen oder belastete Standorte.
Heilmittelrecht – Integrität, Transparenz und Weitergabepflicht sowie Revision des Medizinprodukterechts
Am 01. Januar 2020 treten die neuen Bestimmungen zur Integrität und Transparenz im Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG) sowie die Verordnung über die Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH) in Kraft. Die neuen Bestimmungen in Art. 55 und 56 revHMG sowie die Ausführungsbestimmungen in der VITH werden die bisherigen Vorschriften über das Versprechen und Annehmen geldwerter Vorteile in Art. 33 HMG ablösen. Zudem überarbeitet die Schweiz ihr Medizinprodukterecht in Anlehnung an die verschiedenen neuen EU-Bestimmungen. Die bisherige Medizinprodukteverordnung (MepV) wird totalrevidiert. Des Weiteren wird es neue Ausführungsbestimmungen zu In-vitro-Diagnostika geben. Voraussichtlich im ersten Halbjahr 2020 wird Art. 55 revHMG deshalb bereits nochmals revidiert werden. Nach Inkrafttreten beider Revisionen werden bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und Medizinprodukten geldwerte Vorteile untersagt, wenn sie die Wahl der Behandlung beeinflussen können. Außerdem müssen Preisrabatte und Rückvergütungen beim Heilmitteleinkauf künftig gegenüber den Behörden transparent gemacht werden. Die Vergünstigungen sind dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Verlangen offenzulegen. Das BAG muss die Einhaltung der neuen Regelungen kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen verhängen. Von dieser Transparenzpflicht sind jedoch bestimmte Heilmittel mit geringem Risikopotenzial für die Patientinnen und Patienten ausgenommen.
Ebenfalls am 01. Januar 2020 treten die neuen Bestimmungen zur Weitergabepflicht im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) und in der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) in Kraft. Die neue Bestimmung von Art. 56 Abs. 3 bis KVG regelt die Möglichkeit, zwischen Versicherer und Leistungserbringer die teilweise Weitergabe von Vergünstigungen zu vereinbaren. In der KVV finden sich zudem – nebst Ausführungsbestimmungen – neue Regelungen zur Rechnungstellung. Neu dürfen Leistungserbringer (Ärztinnen und Ärzte, Spitäler, Apothekerinnen und Apotheker) einen Teil der Vergünstigungen (z.B. Rabatte beim Einkauf von Arzneimitteln) zur Verbesserung der Qualität der Behandlung einsetzen.
Steuerrecht – Revision der Liegenschaftskostenverordnung
Die Liegenschaftskostenverordnung konkretisiert die neuen Abzüge für Hauseigentümer bei der direkten Bundessteuer per 01. Januar 2020. Unter anderem können energiesparende Investitionen und Kosten für den Rückbau im Zuge eines Ersatzneubaus abgezogen werden. Die Auslagen können auf drei aufeinanderfolgende Steuerperioden verteilt werden, wenn sie im Jahr, in dem sie entstanden sind, steuerlich nicht vollständig berücksichtigt werden können. Als ein steuerlich abzugsfähiger Rückbau gelten die Kosten der Demontage von Installationen, des Abbruchs des vorbestehenden Gebäudes, des Abtransports und der Entsorgung des Bauabfalls. Nicht abzugsfähig sind insbesondere die Kosten von Altlastensanierungen des Bodens und von Geländeverschiebungen, Rodungen, Planierungsarbeiten sowie Aushubarbeiten im Hinblick auf einen Ersatzneubau. Die Rückbaukosten können nur dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn innert angemessener Frist ein Ersatzneubau auf dem gleichen Grundstück errichtet wird, der Bau eine gleichartige Nutzung aufweist und von derselben steuerpflichtigen Person vorgenommen wird, die den Rückbau getätigt hat.
Steuerrecht – Einführung des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
Die Gesetzesänderungen für die Steuerreform sowie die AHV-Finanzierung (STAF) treten am 01. Januar 2020 in Kraft. Mit der Unternehmenssteuerreform wird die privilegierte Besteuerung für gewisse Gesellschaften (Holdinggesellschaften, Domizilgesellschaften, gemischte Gesellschaften) auf Kantons- und Gemeindeebene abgeschafft. Damit die Schweiz weiterhin ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt, sind deshalb verschiedene Gegenmassnahmen vorgehsehen. Die AHV-Vorlage leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Renten. Die AHV wird um 0.3% angehoben. Der Beitragssatz von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden wird um je 0,15% erhöht.
Strafrecht – Anpassung des Ordnungsbußengesetzes
Bisher wurden Ordnungsbußen nur bei Übertretungen des Strassenverkehrsgesetzes sowie bei bestimmten Übertretungen des Betäubungsmittelgesetzes ausgesprochen. Ab dem neuen Jahr sind solche Ordnungsbussen auch bei geringfügigen Verstössen gegen andere Gesetze möglich. Die Ordnungsbußenverordnung sowie die Bussenlisten regeln welche Tatbestände neu nach dem Ordnungsbußenverfahren geahndet werden können und legen die jeweiligen Bußen fest. Die maximale Höhe der Buße beträgt CHF 300.00. Das neue Ordnungsbussengesetz, die Ordnungsbußenverordnung sowie die entsprechenden Bußenlisten werden per 01. Januar 2020 in Kraft gesetzt.
Strafrecht / Zivilrecht – Einführung des Bundesgesetzes über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen
Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking werden in Zukunft besser geschützt. So werden dem Opfer, welches das Zivilgericht wegen Gewalt, Drohungen oder Stalking anruft, keine Gerichtskosten mehr auferlegt. Zudem teilt das Gericht seinen Entscheid über Schutzmassnahmen künftig der kantonalen Kriseninterventionsstelle, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) sowie weiteren Behörden und Dritten mit. Künftig kann die Strafbehörde ausserdem ein Strafverfahren wegen einfacher Körperverletzung, wiederholter Tätlichkeiten, Drohung oder Nötigung in Paarbeziehungen nur noch sistieren, wenn diese Massnahme geeignet scheint, die Situation des Opfers zu stabilisieren oder zu verbessern. Der Entscheid über den Fortgang des Strafverfahrens hängt nicht mehr ausschliesslich von der Willensäusserung des Opfers ab, weil dieses unter Umständen von der beschuldigten Person unter Druck gesetzt wird. Bei Verdacht auf wiederholte Gewalt in der Paarbeziehung ist hingegen keine Sistierung des Verfahrens mehr möglich. Neu kann die Strafbehörde anordnen, dass die beschuldigte Person für die Zeit der Sistierung ein Lernprogramm gegen Gewalt besucht. Vor Ende der auf sechs Monate befristeten Sistierung entscheidet die Behörde abschliessend, ob sie das Verfahren einstellt oder wieder aufnimmt. Der Bundesrat hat entsprechende Änderungen im Zivil- und Strafrecht auf den 01. Juli 2020 in Kraft gesetzt.
Um das bestehende Rayon- oder Kontaktverbot gemäss Art. 28b ZGB besser überwachen zu können, wird das Gericht künftig anordnen können, dass die potenziell gewaltausübende Person ein elektronisches Armband oder eine elektronische Fussfessel trägt. Die Aufzeichnungen können nachträglich ausgewertet werden, falls das Opfer geltend macht, dass die überwachte Person das Verbot nicht eingehalten hat. Die Bestimmung über die elektronische Überwachung von zivilrechtlichen Rayon- oder Kontaktverboten tritt erst auf den 01. Januar 2022 in Kraft.
Sachenrecht – Änderung der Grundbuchverordnung
Ab dem 01. Juli 2020 gelten für den elektronischen Zugang zu Grundbuchdaten neue Bestimmungen. Der Bundesrat hat in der Grundbuchverordnung die Bestimmungen über die Modalitäten des elektronischen Zugangs punktuell angepasst. Neu können die Kantone insbesondere den berechtigten Behörden und den Eigentümerinnen und Eigentümern von Grundstücken einen elektronischen Zugang zu den Belegen ermöglichen.
Grundrechte – Änderung des Gleichstellungsgesetzes
Der Bundesrat hat die Änderung des Gleichstellungsgesetzes sowie die dazugehörige Verordnung zur besseren Durchsetzung der Lohngleichheit auf den 01. Juli 2020 in Kraft gesetzt. Unternehmen mit 100 oder mehr Angestellten müssen die erste betriebsinterne Lohngleichheitsanalyse bis spätestens Ende Juni 2021 durchführen. Die Analyse muss durch eine unabhängige Stelle (Revisorinnen und Revisoren) überprüft und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über das Ergebnis informiert werden. Die Verordnung legt unter anderem die Kriterien für die Ausbildung der Revisorinnen und Revisoren fest. Die Änderung des Gleichstellungsgesetzes sowie die dazugehörige Verordnung werden deshalb auf den 01. Juli 2032 automatisch wieder ausser Kraft treten. Während der Geltungsdauer müssen die Lohngleichheitsanalysen regelmässig alle vier Jahre wiederholt werden, es sei denn, die erste Analyse zeigt auf, dass kein unerklärbarer systematischer Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern feststellbar ist. In diesem Fall muss keine weitere Analyse durchgeführt werden.
Aktienrecht – Änderung des Bundesgesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch
Bereits am 01. November 2019 in Kraft getreten ist das Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke (Global Forum). Gemäss dem Gesetz sind Inhaberaktien nur noch sehr eingeschränkt zulässig. Ebenso wurden Anpassungen bei der schon bestehenden Meldepflicht von Aktionären vorgenommen. Wir haben über diese Änderungen in unserem krfacts vom Oktober 2019 berichtet.