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KMU-Magazin Nr. 7/8, Juli/August 2024 Welche Sperrfristen bei einer Kündigung zu beachten sind

Im Schweizer Recht gilt grundsätzlich das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist es erlaubt, das Arbeitsverhältnis jederzeit zu beenden. Dabei sind vom Arbeitgeber jedoch bestimmte Sperrzeiten einzuhalten. Der Beitrag zeigt, wann und wie der Sperrfristenschutz zur Anwendung kommt.

Bei einer Kündigung des Arbeitgebers nach Ablauf der Probezeit kommt der sogenannte Sperrfristenschutz zur Anwendung. Liegen gewisse Umstände im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vor, ist die Kündigung nichtig. Treten diese Umstände erst nach der Kündigung, aber während der Kündigungsfrist, ein, steht die Kündigungsfrist still und das Ende des Arbeitsverhältnisses schiebt sich nach hinten.

Nachfolgend wird dieser Sperrfristenschutz erläutert und insbesondere zur Frage, ob bei einer sogenannten arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit dieser Sperrfristenschutz zur Anwendung gelangt, Stellung genommen. Dabei wird auf die neuste Rechtsprechung (BGer 1C_595/2023 vom 26. März 2024) in ­diesem Zusammenhang hingewiesen.

Sperrfristen und ihre Wirkung

Art. 336c Abs. 2 OR besagt, dass eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung nichtig ist, wenn diese während der Sperrfrist ausgesprochen wird. Tritt eine Sperrfrist hingegen während der Kündigungsfrist ein, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt. Am bekanntesten sind die Sperrfristen bei Krankheit oder Unfall. Mit der Gesetzesnovelle betreffend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind weitere Sperrfristen ergänzt worden. Tabellarisch können die wichtigsten Sperrfristen wie in der Abbildung dargestellt werden.

Mit anderen Worten kann beispielsweise die Arbeitgeberin einer kranken Person während der Sperrfrist nicht (ordentlich) kündigen. Die Kündigung ist nichtig beziehungsweise entfaltet keine Rechtswirkung und gilt als nicht geschehen. Wird eine bereits gekündigte Person während der Kündigungsfrist fünf Tage wegen einer Grippe krank, steht die Kündigungsfrist um diese fünf Tage still. Diese fünf Tage werden am ursprünglichen End­termin des Arbeitsvertrages angehängt.

Zu beachten ist sodann Art. 336c Abs. 3 OR: Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines Monats oder einer Arbeits­woche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zu­sammen, so verlängert sich diese bis zum nächstfolgenden Endtermin. Häufig wird im Arbeitsvertrag jeweils das Ende eines Monats vereinbart, das heisst, der neue Endtermin ist wiederum das Ende eines Monats, auch wenn die gekündigte Person nur fünf Tage krank war.

Diese «sprunghafte» Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um jeweils einen «ganzen» Monat wird von vielen Arbeitgebern als störend empfunden, ist jedoch bei ­Arbeitsverträgen, welche als Endtermin das Monatsende vorsehen, hinzunehmen. Vergessen wird dabei häufig, dass zumindest nach der verlängerten Kündigungsfrist – im vorliegenden Beispiel ab dem sechsten Tag – zumindest kein Sperrfristenschutz mehr besteht und beispielsweise eine neue Grippe in dieser Zeit keine Verlängerung des Vertragsendes mehr bewirkt, da der Sperrfristenschutz nur während der Kündigungsfrist be­ziehungsweise der verlängerten Kündigungsfrist eine Wirkung entfalten kann.

Kein Sperrfristenschutz

Der Sperrfristenschutz kommt nur zur Anwendung, wenn die ordentliche Kündigung von der Arbeitgeberin erklärt worden ist. Es gibt aber verschiedene Kon­stellationen, in denen der Sperrfristenschutz nicht zur Anwendung gelangt. Nicht abschliessend können folgende Fälle aufgezählt werden:

  • Die Kündigung erfolgt während der Probezeit.
  • Die Kündigung wird vom ­Mitarbeitenden ausgesprochen.
  • Es wird eine fristlose Kündigung ­ausgesprochen.
  • Die Parteien fixieren – unter ­Beachtung des (allenfalls not­wendigen) Verzichtsverbots – im Rahmen einer Aufhebungs­vereinbarung den Endtermin des ­Arbeitsvertrages.

Wie nachfolgend berichtet wird, gelangt zudem auch bei einer sogenannten arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit der Sperrfristenschutz nicht zur Anwendung. Um die aktuelle Rechtsprechung zu verstehen, ist ein Blick in die Vergangenheit vonnöten.

Grund des Sperrfristenschutzes

In der Botschaft (Botschaft des Bundesrates vom 9. Mai 1984, in BBl 1984 II 604 f.) wurde zum Sperrfristenschutz aus­geführt: «(...) beim Kündigungsschutz soll hingegen das Verschulden des Arbeitnehmers keine Rolle spielen, weil der Schutz allein schon durch die besondere Lage des Arbeitnehmers – Arbeitsver­hinderung infolge Krankheit oder Unfalls – gerechtfertigt ist. Es ginge zudem nicht an, wenn in Zweifelsfällen erst ein Prozess Klarheit darüber bringen könnte, ob der Kündigungsschutz bestehe. Selbst nach dieser Änderung werden die Arbeitnehmer sicher nicht schuldhaft erkranken oder verunfallen, um in den Genuss des Kündigungsschutzes zu gelangen.

Gegen Rechtsmissbräuche bietet im ü­b­rigen Artikel 2 des Zivilgesetzbuches eine genügende Eingriffsmöglichkeit, und dies auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt in der neuen Bestimmung. Die Norm stellt klar, dass der Kündigungsschutz sowohl bei totaler wie auch bei teilweiser Arbeitsverhinderung infolge Krankheit oder Unfalls besteht. Dadurch wird positivrechtlich verankert, was die Gerichtspraxis ­bereits festgestellt hat: Der Kündigungsschutz besteht nicht, weil der Arbeitnehmer infolge der Arbeits­verhinderung keine Stelle suchen kann, sondern weil eine Anstellung des Arbeitnehmers durch einen neuen Arbeitgeber auf den Zeitpunkt des Ablaufs der ordentlichen Kündigungsfrist im Hinblick auf die Ungewissheit über Fortdauer und Ausmass der Arbeitsunfähigkeit höchst unwahrscheinlich erscheint.»

Arbeitsunfähigkeit

Kontrovers wurde daher diskutiert, ob alle Arbeitsverhinderungen infolge Krankheit einen Sperrfristenschutz auslösen oder eine Arbeitsverhinderung, welche ausschliesslich mit dem Arbeitsplatz zusammenhängt, keinen Sperrfristenschutz auslöst. Mit dem Entscheid 1C_595/2023 vom 26. März 2024 hat das Bundesgericht zumindest im Bereich des öffentlichen Personalrechts, welches auf die Regelungen von Art. 336c OR verweist, Klarheit geschaffen.

Liegt eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vor, das heisst, die Arbeitsunfähigkeit ist nur auf den Arbeitsplatz beschränkt, greift der Sperrfristenschutz nicht. In solchen Fällen kann ohne weiteres gekündigt werden und die Kün­digung ist gültig. Fraglich bleibt, ob diese Rechtsprechung auch ausserhalb des öffentlichen Personalrechts bestätigt wird.

Beweislage

Wie in der Botschaft erwähnt, versuchte der Gesetzgeber, eine unklare Rechtslage zu vermeiden, und wollte die Anwendung des Sperrfristenschutzes möglichst weit gefasst wissen. Daher kommt der Sperrfristenschutz auch bei nur teilweiser Arbeitsunfähigkeit oder nur kurzen Krankheiten zur Anwendung.

Der Mitarbeitende wird mit einem Arztzeugnis den Beweis zu erbringen haben, dass er arbeitsunfähig ist. Den Nachweis der arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit hat die Arbeitgeberin als Gegenbeweis zu erbringen. Dies kann im Rahmen der vertrauensärztlichen Untersuchung erfolgen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit häufig mit Belastungssituationen mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen einhergeht und die Grenze, ob der Krankheitswert umgehend da­hinfallen würde, wenn der kranke Arbeitnehmer in einer anderen Stelle tätig wäre, nur äusserst schwer zu erbringen ist.

Hilfreich kann allenfalls sein, wenn der Vertrauensarzt auch zur Frage, ob eine ­Ferienfähigkeit vorhanden ist, eine Beur­teilung abgibt. Dies kann – zumindest bei psychologischen Beeinträchtigungen – als Indiz gewertet werden, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht einen so hohen Krankheitswert hat, dass eine Erholung per se ausgeschlossen wäre. Selbst wenn der Vertrauensarzt eine arbeitsplatz­bezogene Arbeitsunfähigkeit bestätigen würde, liegen zwei sich widersprechende Parteigutachten vor, die in aller letzter Konsequenz vom Richter im Rahmen der Beweiswürdigung beurteilt werden. In solchen Situationen ist es nicht überraschend, wenn der Richter zurückhaltend ist und eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit eher verneinen wird.

Insofern folgt die neue Rechtsprechung nicht dem Gedanken des Gesetzgebers und wird wohl unzählige Gerichtsfälle provozieren, in welchen die Parteien darüber streiten, ob nun eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat oder nicht. Den Arbeitgebern ist in solchen Situationen dringend zu raten, nach Ablauf der «strittigen» Sperrfrist ­erneut vorsorglich zu kündigen für den Fall, dass nachträglich die arbeitsplatz­bezogene Arbeitsunfähigkeit von einem Gericht verneint wird.

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