KMU-Magazin Nr. 07/08, Juli/August 2021 Wann Weiterbildungskosten rückzahlungspflichtig sein sollten
Können Mitarbeiter die in einer Weiterbildung erlangten Fähigkeiten in ihrem Berufsalltag nicht anwenden, besteht die Gefahr, dass sie kündigen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob und wenn ja, welche Weiterbildung finanziert werden sollte und in welchen Fällen eine mögliche Rückzahlungsverpflichtung vereinbart werden sollte.
Das stetige Weiterbilden im Berufsleben wird von vielen Unternehmen unterstützt. Vor allem die Personalverantwortlichen sollten sich dabei immer die Frage stellen, wie die neu zu erwerbenden Fähigkeiten auch im Berufsalltag des Mitarbeitenden integriert werden können und wie das jeweilige Aufgabengebiet erweitert werden soll.
Besteht im konkreten Fall das Risiko, dass nach abgeschlossener Ausbildung der Mitarbeitende die erworbenen Kenntnisse schlichtweg bei seiner Tätigkeit nicht einsetzen kann, ist es absehbar, dass sich der Mitarbeitende nach einer neuen Stelle umsehen wird, welche die von ihm erworbenen Fähigkeiten mitumschliesst.
Fluktuationskosten bedenken
Neueste Studien der Hochschule Luzern belegen, dass insbesondere die fehlende Möglichkeit, das Gelernte im beruflichen Umfeld anzuwenden, Auslöser für eine Enttäuschung sein kann. Es überrascht daher nicht, dass mit Abschluss einer Weiterbildung häufig ein Stellenwechsel einhergeht. Damit kommt der Frage nach der Finanzierung der Weiterbildung sowie einer Rückzahlungspflicht dieser Kosten erhöhte Bedeutung zu.
Wie vorstehend erwähnt, liegt die Herausforderung beim Entscheid, ob eine finanzielle Unterstützung der Weiterbildungskosten durch den Arbeitgeber erfolgen soll, insbesondere darin, dass nach der Ausbildung die neuen Fähigkeiten des Mitarbeitenden erfolgreich in seinen Berufsalltag integriert werden können. Dies wird ein Erfolgsfaktor sein, um sich überhaupt nicht mit der Frage der Rückzahlung der Weiterbildungskosten beschäftigen zu müssen. Beim Finanzierungsentscheid sollte ein Unternehmen berücksichtigen, ob die Organisation des Unternehmens hinreichend flexibel ist, um einen steten Wandel beziehungsweise eine Erweiterung der Tätigkeitsbereiche des einzelnen Mitarbeitenden auffangen zu können. Wird diese Frage verneint, ist einerseits damit zu rechnen, dass ein Weggang des Mitarbeiters wahrscheinlich ist.
Andererseits kann dies Fluktuationskosten auslösen. Fluktuationskosten werden vielfach unterschätzt und resultieren bei genauerer Analyse meistens in einem hohen fünfstelligen Betrag. Um diesen drohenden Schaden nicht noch weiter zu erhöhen, vertreten wir die Ansicht, dass in diesen Fällen eine Rückzahlung der gewährten Finanzspritze logische Folge ist. Investitionen sollten sich auszahlen und wenn dieser Ausgleich nicht durch die langfristige Bindung des Mitarbeiters nach Abschluss der Ausbildung erfolgt, ist ein finanzieller Ausgleich herzustellen. Darüber hinaus können sich natürlich auch grundsätzliche Fragen ergeben, wie dieses Szenario per se verhindert werden kann.
Warum ist unsere Unternehmung nicht genügend flexibel? Können wir alternativ unseren Mitarbeitenden bessere Weiterbildungsangebote nahelegen, welche im Ergebnis einen Mehrwert für unser Unternehmen erzeugen und gleichzeitig die Tätigkeit des Mitarbeitenden verbessern? Welche Massnahmen bringen uns an dieses Ziel? Bis dahin bleibt die schriftliche, vor Beginn der Weiterbildung abgeschlossene Rückzahlungsverpflichtung des Mitarbeitenden bedeutungs- und wirkungsvoll. Aber was habe ich nun dabei zu beachten?
Im Interesse des Mitarbeitenden
Zuerst ist klarzustellen, dass die im Zusammenhang mit einer Einarbeitung anfallenden Kosten als notwendige Auslagen gelten und nicht vom Arbeitnehmer zu ersetzen sind. Entsprechende Rückzahlungsvereinbarungen wären nichtig. Zu denken ist beispielsweise an Schulungen, welche bei einer Neueinführung einer Kern-Software des Betriebes notwendig werden. Derartige Kostenstellen sind vom Unternehmen zu tragen.
Notwendige Voraussetzung für eine Rückzahlungsverpflichtung ist der Umstand, dass die Weiterbildung dem Mitarbeiten den nicht nur in seiner konkreten Arbeitsstelle, sondern allgemein auch auf dem Arbeitsmarkt einen dauernden Vorteil verschafft. Dies ist bei einer Ausbildung zum Stationsleiter eines Spitals angenommen worden. Obwohl diese Ausbildung betriebsnotwendig war, verbesserte sich durch die Ausbildung zum Stationsleiter dessen Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt und er konnte beziehungsweise hätte diese Zusatzqualifikation bei einer neuen Stellensuche in seinem Interesse verwerten können.
Irrelevant ist, ob er dies auch getan hat oder konkret hätte tun können. Im konkreten Fall handelte es sich um einen Grenzgänger, welcher die Zusatzqualifikation in seinem Wohnsitzstaat bei einem dortigen Spital nicht nutzbringend hätte vorbringen können.
Zeitlich befristete Rückzahlung
Kann die Rückzahlungsvereinbarung frei vereinbart werden? Nein. Es sind gewisse Schranken zu beachten. Die Rückzahlungspflicht der vorfinanzierten Ausbildungskosten im Falle des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis kann den Mitarbeiter im Hinblick auf den Kündigungszeitpunkt stark beeinflussen. Dadurch kann die sogenannte Kündigungsparität der Arbeitsvertragsparteien unzulässigerweise verletzt werden. Mit der Kündigungsparität wird sichergestellt, dass der Mitarbeitende mindestens die gleichen Fristen bei der Kündigung einzuhalten hat wie der Arbeitgeber. Wird der Mitarbeitende durch die Rückzahlungsvereinbarung somit in seinem Entscheid und im Gegensatz zum Arbeitgeber schlechter gestellt, ist die Kündigungsparität verletzt. Dieser Zustand soll zeitlich befristet andauern. Behelfsweise und im Sinne einer gewissen Einheitlichkeit haben die Gerichte auf die maximale Dauer bei Konkurrenzverboten abgestellt und eine dreijährige Rückzahlungsverpflichtung akzeptiert.
Zum anderen wird der Mitarbeitende nach Abschluss seiner Weiterbildung – zumindest theoretisch – seine erworbenen Fähigkeiten zu Gunsten des Unternehmens einsetzen und ihm damit einen Mehrwert bescheren. Es wird empfohlen, eine monatliche Reduktion des allenfalls zurückzuzahlenden Betrages zu vereinbaren. Längere Fristen (quartalsweise, halb oder jährlich) können zu Diskussionen Anlass geben und sind daher zu vermeiden.
Vor diesem Hintergrund ist daher einerseits die Pflicht zur Rückzahlung auf maximal drei Jahre zu begrenzen und der geschuldete Betrag ist ab Abschluss der Weiterbildung degressiv auszugestalten. In der Praxis haben sich zwei Jahre als angemessene Zeitdauer herauskristallisiert und werden weitestgehend akzeptiert. Zu beachten ist zudem Folgendes: Sollte das Unternehmen dem Mitarbeitenden ohne begründeten, vom Arbeitnehmer zu vertretenden Anlass kündigen, kann die gerichtliche Geltendmachung der Rückzahlungspflicht scheitern. Ob der Richter die gleiche Auffassung über den begründeten Anlass teilt, ergibt sich erst vor Gericht und ist damit mit einem Prozessrisiko verbunden.
Häufige Fallstricke
In der Rückzahlungsvereinbarung ist im Detail anzugeben, welche Kosten die Weiterbildung ausgelöst hat und welche Summe der Rückzahlungsverpflichtung endlich unterliegt. Insbesondere Prüfungs- und Zertifikatsgebühren gehen dabei vielfach vergessen oder Fahrtkosten (GA oder Halbtax) werden unzureichend bedacht.
Soweit die Weiterbildung nicht auf Anordnung des Unternehmens erfolgt, kann die für die Weiterbildung aufgewendete Zeit von der Arbeitszeit ausgenommen werden. Aufgrund der Komplexität ob, und wenn ja in welchem Umfang und zu welchem Betrag, sollte ohne Unterstützung einer Fachperson von der Anrechnung der Arbeitszeit im Rahmen der Rückzahlungsvereinbarung abgesehen und einfache Lösungen gewählt werden. Das heisst: keine Rückzahlungspflicht betreffend Arbeitszeit und keine teilweise oder vollständige Zeitgutschrift für die aufgewendete Zeit der Weiterbildung als Arbeitszeit.
Dabei ist unbedingt zu berücksichtigen, ob die Weiterbildung auch an Samstagen stattfindet beziehungsweise in einem Kantonsgebiet stattfindet, wo vom Erwerbsort abweichende kantonale Feiertage bestehen. Regelmässig sind auch Formulierungen anzutreffen, welche eine Rückzahlungsverpflichtung vor beziehungsweise bei Beendigung der Weiterbildung schlichtweg nicht regeln. Denken Sie an die Beendigung der Weiterbildung – sei es freiwillig, sei es aufgrund eines mangelnden Prüfungserfolgs – oder an eine Kündigung bei noch laufender Ausbildung. Auch wenn sich die meisten Gerichte über die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip in eine Rückzahlungsverpflichtung zu Gunsten des Unternehmens retten, ist das thematische Abhandeln in der Vereinbarung empfohlen.
Darlehen
Anstelle einer vorgenannten Rückzahlungsverpflichtung und unter (zwingender) Beachtung der vorgenannten Regeln finden sich ab und an Darlehensverträge mit dem Mitarbeitenden, welche für die Finanzierung der Weiterbildung gewährt werden. Vor allem in Konzernen werden diese nicht vom formalen Arbeitgeber, sondern von einer verwandten Gesellschaft gewährt. Im Grundsatz sind solche Darlehensverträge möglich. Im Rahmen der konkreten Vertragsausgestaltung öffnen sich jedoch neue oder für das Unternehmen ungünstige Problemfelder. Zu denken ist an die sofortige Fälligstellung des Darlehensbetrages bei einer Kündigung des Arbeitsvertrages.
Fazit
Mit den neusten Studien wächst die Erkenntnis, dass die bisher gelebte Praxis in Unternehmen, ob und wenn ja, welche Weiterbildung finanziert werden sollte, kritisch zu hinterfragen ist. Erkennbare fehlende Möglichkeiten der Implementation der erworbenen Weiterbildungsfähigkeiten in den Arbeitsalltag des Mitarbeitenden sollten Warnlampen aufleuchten lassen und befeuern allenfalls die Mitarbeiterfluktuation.
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