KMU-Magazin Nr. 11/12, November/Dezember 2022 Gesetzliche Neuerungen für das Jahr 2023
Jeweils auf das neue Jahr hin treten unzählige neue oder geänderte Gesetze und Verordnungen in Kraft. Sich im Dschungel dieser Normen zurechtzufinden, wird immer mehr zu einer Herausforderung. Der Beitrag fasst die wichtigsten Änderungen zusammen, welche in diesem Jahr in Kraft treten.
Neues Aktienrecht
Nach einem mehrjährigen politischen Prozess tritt am 1. Januar 2023 das neue Aktienrecht in Kraft, das mehr Flexibilität für Gesellschaften bringt. Neu können Aktiengesellschaften (AG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) ihr Grundkapital auch in Euro, US-Dollar, britischen Pfund oder japanischen Yen angeben, sofern dies die für die Geschäftstätigkeit wesentliche Währung ist. Dabei muss dieses Kapital im Zeitpunkt der Errichtung dem Gegenwert von mindestens 100'000 CHF (bzw. 20'000 CHF bei der GmbH) entsprechen und die Buchführung und Rechnungslegung haben in der Fremdwährung zu erfolgen. Der Nennwert der Aktien und Stammanteile kann neu weniger als 1 Rappen betragen, muss aber über null liegen.
Aktiengesellschaften können künftig ein Kapitalband schaffen. Dieses erlaubt es dem Verwaltungsrat, das Aktienkapital während maximal fünf Jahren um bis zu 50 Prozent zu erhöhen oder herabzusetzen. Die Generalversammlung muss dazu einen entsprechenden Artikel in die Statuten aufnehmen. Das Mindestkapital von Aktiengesellschaften von 100'000 CHF darf dabei aber nicht unterschritten werden.
Flexibilisierungen, die während der Corona-Pandemie in der Covid-19-Verordnung geschaffen wurden, werden nun ins Obligationenrecht (OR) übernommen. So sind u. a. für die Durchführung der Generalversammlung neu elektronische Mittel zulässig. Der Verwaltungsrat kann vorsehen, dass Aktionärinnen und Aktionäre, die nicht am Ort der Generalversammlung anwesend sind, ihre Rechte auf elektronischem Weg ausüben können. Eine Generalversammlung kann auch nur auf rein elektronischem Weg («virtuell») durchgeführt werden, sofern die Statuten dies vorsehen. Diese neuen Möglichkeiten stellen willkommene Erleichterungen für AGs, GmbHs und Genossenschaften dar.
Schliesslich stärkt die Revision auch Minderheitsaktionärsrechte bei Aktiengesellschaften und lässt Schiedsklauseln für die Beurteilung von gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten bei AGs und GmbHs in den jeweiligen Statuten neu explizit zu.
Neues Erbrecht
Das bereits Ende 2020 vom Parlament verabschiedete revidierte Erbrecht tritt auf den 1. Januar 2023 in Kraft. Es gilt für alle Todesfälle, die am oder nach dem 1. Januar 2023 erfolgen. Das neue Erbrecht ist flexibler als bisher ausgestaltet. Mit der Revision wird der Pflichtteil für direkte Nachkommen der Erblasserin oder des Erblassers auf die Hälfte reduziert, der Pflichtteil für die Eltern entfällt ganz. Für Ehepaare in der Scheidung entfällt der Pflichtteilsschutz zudem neu bereits ab der Einleitung des Scheidungsverfahrens und nicht mehr erst mit dem rechtskräftigen Scheidungsurteil. Im Konkubinat hingegen besteht weiterhin kein gesetzliches Erbrecht. Für weitere Informationen zum neuen Erbrecht verweisen wir auf den Artikel «Erweiterte Verfügungsfreiheiten für Erblasser» im «KMU-Magazin» Nr. 9, September 2021 von Dr. iur. Markus Kaufmann und Andrea Meule.
Änderungen in der Grundbuchverordnung
Mit der revidierten Grundbuchverordnung werden die Grundbuchämter verpflichtet, zur Identifizierung von Personen systematisch die AHV-Nummer zu verwenden. Dadurch wird die Überprüfung von Grundeigentum und allenfalls damit verbundenen Rechten vereinfacht (Art. 949b und 949c ZGB). Des Weiteren betreibt der Bund künftig einen nationalen Grundstücksuchdienst. Dieser wird Suchanfragen von berechtigten Behörden entgegennehmen, über einen verschlüsselten Kanal an die kantonalen Grundbuchsysteme weiterleiten und den anfragenden Behörden die Suchresultate mitteilen.
Änderungen im Bereich der Geldwäscherei
Die Revision sieht Massnahmen für Finanzintermediäre in den Bereichen wirtschaftliche Berechtigung, Aktualität der Kundendaten und Geldwäschereiverdachtsmeldung vor. Zudem fördert sie die Transparenz von Vereinen mit erhöhtem Risiko im Bereich der Terrorismusfinanzierung und verstärkt die Aufsicht und Kontrollen im Bereich der Edelmetalle. Der Bundesrat erlässt in verschiedenen Verordnungen Ausführungsbestimmungen, unter anderem zum Meldewesen, zur Einführung eines Kontrollmechanismus für den Ankauf von Altedelmetallen sowie zur neuen Aufgabe des Zentralamtes für Edelmetallkontrolle als Geldwäschereiaufsichtsbehörde.
Für kleinere Vereine ist eine Ausnahme von der Eintragungspflicht ins Handelsregister vorgesehen. Unter gewissen Bedingungen kann zudem zum Schutz der Vorstandsmitglieder auf deren Eintrag ins Handelsregister verzichtet werden. Schliesslich werden die Pflichten bei Geldwäschereiverdacht künftig nicht mehr in Verordnungen der Aufsichtsbehörden festgehalten, sondern durch den Bundesrat geregelt.
Änderung im Steuerrecht
Mit der Umsetzung der parlamentarischen Initiative Markwalder hat das Parlament Art. 33 Abs. 3 DBG angepasst, so dass die nachgewiesenen Kosten für die Drittbetreuung von Kindern bis höchstens 25'000 CHF pro Kind und Jahr (statt wie bisher 10'100 CHF) von den Einkünften bei der direkten Bundessteuer abgezogen werden können.
Zudem hat das Parlament die Umsatzgrenze, bis zu welcher nicht gewinnstrebige, ehrenamtlich geführte Sport- und Kulturvereine sowie gemeinnützige Institutionen von der Mehrwertsteuer befreit sind, von 150'000 CHF auf 250'000 CHF angehoben.
Entschädigung für Adoptionsurlaub
Erwerbstätige, die ein Kind von unter vier Jahren zur Adoption aufnehmen, haben Anspruch auf einen zweiwöchigen Adoptionsurlaub, der über die Erwerbsersatzordnung (EO) entschädigt wird. Zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes muss die geltend machende Person arbeitnehmend oder selbständigerwerbend sein; in den letzten neun Monaten vor Aufnahme des Kindes bei der AHV versichert und in dieser Zeit während mindestens fünf Monaten eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Die Urlaubstage müssen innerhalb des ersten Jahres nach der Aufnahme des Kindes bezogen werden, die Entschädigung beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, maximal aber 196 CHF pro Tag.
Neues Datenschutzgesetz
Nach vielen teilweise hitzig geführten Debatten wird das neue Schweizer Datenschutzgesetz (DSG) nun am 1. September 2023 in Kraft treten. Den Unternehmen bleibt somit noch etwas Zeit, sich allen notwendigen Anpassungen widmen zu können.
Mit der Totalrevision wird das DSG den veränderten technologischen und gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen erhöhen die Transparenz von Datenbearbeitungen und stärken die Selbstbestimmung der betroffenen Personen über ihre Daten.
Diese Totalrevision des DSG ist für den Wirtschaftsstandort Schweiz sehr wichtig. Sie stellt unter anderem sicher, dass das Schweizer Datenschutzgesetz mit dem europäischen Recht vereinbar bleibt und ist eine Voraussetzung, dass die EU die Schweiz weiterhin als Drittstaat mit einem angemessenen Datenschutzniveau anerkennt.
Vom revidierten Datenschutzgesetz sind nur noch Daten von natürlichen Personen betroffen, der Schutz von juristischen Personen fällt weg. Genetische und biometrische Daten werden neu in die Definition der besonders schützenswerten Daten aufgenommen und die Grundsätze «Privacy by Design» und «Privacy by Default» werden eingeführt. Wenn ein hohes Risiko für die Persönlichkeit oder die Grundrechte der betroffenen Person besteht, müssen künftig Folgenabschätzungen durchgeführt werden. Zudem werden generell die Informationspflichten der Datenbearbeiter ausgeweitet und ein Verzeichnis der Bearbeitungstätigkeiten wird für sie obligatorisch.
Die Verordnung zum Gesetz sieht jedoch unter gewissen Voraussetzungen eine Ausnahme für KMU vor. Abschliessend findet der Begriff «Profiling» (die automatisierte Bearbeitung personenbezogener Daten) Einzug in das Gesetz. Für weiterführende Informationen wird auf den Artikel «Was das neue Datenschutzgesetz für KMU bedeutet» im KMU-Magazin Nr. 4/5, April/Mai 2021 von Dr. iur. Irma Ambauen und Andrea Meule verwiesen.
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