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krfacts Ausgabe Oktober 2021 Ergänzungsleistungen und Verwandtenunterstützung

Zum sozialen Fundament unseres Staates gehören neben der AHV und der IV sowie den Hilflosenentschädigungen auch die Ergänzungsleistungen (kurz EL). Wenn die Renteneinkünfte und das Vermögen nicht ausreichen, um die minimalen Lebenskosten zu decken, ist zu prüfen, ob ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen gegeben ist.

Wenn jedoch die Ergänzungsleistungen nicht ausreichen oder kein Anspruch besteht, besteht möglicherweise Anspruch auf Sozialhilfe. Bei der Prüfung von Sozialhilfegesuchen haben die Sozialhilfebehörden die Möglichkeit abzuklären, ob Verwandte vorhanden sind, die in günstigen Verhältnissen leben und vor der Ausrichtung von Sozialhilfe finanzielle Unterstützung leisten könnten. Denn wer seinen Lebensunterhalt nicht mehr selber verdienen kann, hat unter gewissen Voraussetzungen einen gesetzlichen Anspruch auf Unterstützung durch seine nahen Verwandten.

Ergänzungsleistungen: Wann besteht ein Anspruch?

Anspruch auf Ergänzungsleistungen hat, wessen Renteneinkommen und Vermögen die minimalen Lebenskosten nicht zu decken vermag. Dafür müssen aber persönliche und wirtschaftliche Voraussetzungen erfüllt sein. Es wird in jedem Einzelfall eine Berechnung vorgenommen und die anerkannten Ausgaben den anrechenbaren Einnahmen gegenübergestellt. Die Differenz entspricht den jährlichen Ergänzungsleistungen. Dabei ist zu unterscheiden, ob eine Person noch zu Hause lebt oder in einem Heim/Spital wohnt.

Zu den anerkannten Ausgaben zählen für Personen die zu Hause leben unter anderem ein Pauschalbetrag für den allgemeinen Lebensbedarf (für Lebensmittel, Kleidung, Steuern usw.), der Mietzins (bis zu einem definierten Maximum, abhängig von der Haushaltsgrösse und der Wohnregion) sowie die Krankenkassenprämien für die obligatorische Krankenpflegeversicherung bis zur maximalen anwendbaren Durchschnittsprämie.

Als Einnahmen werden unter anderem angerechnet: die Renten der AHV/IV und Pensionskasse sowie das Vermögen. Anspruch auf Ergänzungsleistungen hat hingegen in jedem Fall nur, wessen Vermögen unter CHF 100‘000.00 als Einzelperson oder CHF 200‘000.00 als Ehepaar liegt. Selbstbewohntes Wohneigentum wird allerdings nicht mitberechnet, Ferienwohnungen oder vermietete Liegenschaften hingegen schon. Bei der Berechnung des tatsächlichen Anspruchs bleibt zudem ein Teil des Vermögens – der sog. Freibetrag – unberücksichtigt. Dieser Betrag dient zur Deckung weiterer persönlichen Ausgaben. Er liegt für Einzelpersonen bei CHF 30‘000.00 und bei Ehepaaren bei CHF 50‘000.00.

Hingegen wird dasjenige Vermögen angerechnet, auf das eine Person freiwillig verzichtet. Ein Vermögensverzicht wird angenommen, wenn eine Person entweder ohne rechtliche Verpflichtung oder ohne gleichwertige wirtschaftliche Gegenleistung auf Vermögen verzichtet hat. Dies kann zum Beispiel eine Schenkung oder ein Erbvorbezug an die Nachkommen sein. Als freiwilliger Verzicht gelten Ausgaben von mehr als zehn Prozent des Vermögens pro Jahr bei einem Vermögen über CHF 100'000.00 bzw. von mehr als CHF 10'000.00 pro Jahr bei einem Vermögen unter CHF 100'000.00. Wichtig ist, dass der Zeitpunkt des Vermögensverzichts keine Rolle spielt, denn es kann keine Verjährung eintreten. Die Anrechnung des Vermögensverzichts erfolgt somit zeitlich unbeschränkt. Allerdings wird der anzurechnende Betrag von Vermögenswerten, auf die verzichtet worden ist, jährlich um CHF 10'000.00 vermindert. Diesem Umstand ist bei der Nachlassplanung Rechnung zu tragen.

Die Ergänzungsleistungen ergeben sich sodann aus der Differenz zwischen den Ausgaben und den Einnahmen. Die Ergänzungsleistungen sind bei der zuständigen kantonalen Stelle des Wohnkantons zu beantragen und werden nach ihrer Festlegung monatlich ausbezahlt. Zudem können krankheits- und behinderungsbedingte Kosten vergütet werden (z.B. zahnärztliche Behandlungen und ärztlich angeordnete Kuren).

Rückerstattung von Ergänzungsleistungen

Seit dem 01. Januar 2021 gilt, dass Ergänzungsleistungen, die in den letzten 10 Jahren vor dem Tod des Erblassers rechtmässig bezogen worden sind, von den Erben aus dem Nachlass zurückbezahlt werden müssen, sofern der Nachlass mehr als CHF 40‘000.00 beträgt. Bei Ehepaaren entsteht eine Rückerstattungspflicht erst aus dem Nachlass des Zweitverstorbenen, soweit die Voraussetzungen noch immer gegeben sind. Betroffen sind Leistungen, die nach dem 01. Januar 2021 ausbezahlt wurden.

Diese neue Rückerstattungspflicht kann insbesondere Erbinnen und Erben von Grundstücken betreffen. Wenn die geerbte Liegenschaft den Wert von CHF 40'000.00 übersteigt und auch die weiteren Voraussetzungen gegeben sind, dann müssen sie ab 2021 bezogene Ergänzungsleistungen aus dem Erbe zurückzahlen. Das Privatvermögen der Erbinnen und Erben ist von der Rückerstattungspflicht ausgenommen. Diese Thematik ist in der Nachlassplanung zu berücksichtigen.

Diese Rückerstattungspflicht hat zu einem Systemwechsel in der schweizerischen Vorsorge geführt. Ergänzungsleistungen wurden bisher als ein verfassungsmässiger Anspruch angesehen; sie waren keine Fürsorge oder Sozialhilfe. Mit dieser Änderung müssen erstmals rechtmässig bezogene Sozialversicherungsleistungen rückerstattet werden.

Verwandtenunterstützung und deren steigende Bedeutung

Wer in günstigen Verhältnissen lebt ist gestützt auf das Schweizerische Zivilgesetzbuch verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie, die ohne Beistand in Not geraten würden, finanziell zu unterstützen. Es betrifft somit insbesondere erwachsene Kinder gegenüber ihren Eltern und Grosseltern und umgekehrt. Für Geschwister besteht keine Unterstützungspflicht.

Diese Unterstützungspflicht wird geprüft, wenn neben anderen Renteneinkünften auch die Ergänzungsleistungen nicht mehr ausreichen, um den Lebensbedarf zu decken und Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen werden müssen. Sie trifft aber nur diejenigen, die selbst in günstigen Verhältnissen leben. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung lebt derjenige in günstigen Verhältnissen, wem aufgrund seiner finanziellen Gesamtsituation eine wohlhabende Lebensführung möglich ist.

Meist greifen die Behörden bei der individuellen Beurteilung einer solchen Unterstützungspflicht auf die Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) zurück. Diese gelten als grobe Richtschnur, es ist allerdings anzumerken, dass sie für die Behörden und Gerichte nicht rechtlich verbindlich sind. Nach diesen Richtlinien lebt in günstigen Verhältnissen, wer als Ehepaar ein steuerbares Einkommen gemäss Bundessteuer zuzüglich eines Vermögensverzehrs von mehr als CHF 180'000.00 und als Alleinstehende von mehr als CHF 120'000.00 aufweist, zuzüglich eines Zuschlags von CHF 20'000.00 pro Kind. Für den Vermögensverzehr gilt, dass vom steuerbaren Vermögen ein Freibetrag für Ehegatten von CHF 500'000.00 und für Alleinstehende von CHF 250'000.00, zuzüglich eines Zuschlags von CHF 40'000.00 pro Kind, abgezogen wird. Der verbleibende Betrag wird unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Lebenserwartung in einen Jahresbetrag umgerechnet, der zum steuerbaren Einkommen hinzugezählt wird für die Prüfung, ob die vorstehenden Limiten überschritten werden. Es müssen aber die Verhältnisse im Einzelfall genau geprüft werden.

Ein Anspruch auf Verwandtenunterstützung geht dem Anspruch auf Sozialhilfe vor. Selbstverständlich darf die Behörde von den Pflichtigen maximal den Betrag fordern, den sie selbst als Sozialhilfe an die berechtigte Person ausrichtet. Die Sozialbehörden können den Unterstützungsbeitrag jedoch nicht mittels Verfügung festlegen. Kann auf Verhandlungsbasis kein freiwilliger Beitrag ausgehandelt werden, müssen die Behörden die Verwandtenunterstützung vor Gericht einklagen. Obwohl die Voraussetzungen für eine Verwandtenunterstützung eher streng sind und die kantonalen Unterschiede in der Anwendung bisher relativ gross waren, ist – möglicherweise auch aufgrund der gestiegenen Eintrittsschwellen für Ergänzungsleistungen – spürbar, dass immer mehr Gemeinden prüfen, ob die Voraussetzungen der Verwandtenunterstützung erfüllt sind.

Unsere Experten stehen Ihnen bei Fragen rund um Ergänzungsleistungen und Verwandtenunterstützung gerne zur Verfügung.

Beitrag veröffentlicht am
18. Oktober 2021

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