KRFACTS AUSGABE OKTOBER 2024 Die illegalen Transferregeln der FIFA
Die Regeln des Fussball-Weltverbandes FIFA geben nicht zum ersten Mal Anlass für eine gerichtliche Auseinandersetzung. Am 04. Oktober 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Transferregeln des Verbandes die in den Grundrechten der Europäischen Union festgehaltene Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit von Bürgern der EU in unzulässiger Weise einschränkt. Doch, was heisst das genau? Der vorliegende Artikel soll den gefällten Entscheid in kurzer Form beleuchten und einen Ausblick geben auf die Auswirkungen des Urteils auf die FIFA.
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht das FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern. Gemäss Art. 17 des Reglements hat eine Partei, welche einen Vertrag ohne triftigen Grund bricht, eine Kompensation zu bezahlen. Wenn ein Spieler zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet wird, so haftet sein neuer Verein zudem solidarisch mit dem Spieler. Dem neuen Verein drohen zudem harte Sanktionen, wenn er den Spieler zum „Vertragsbruch“ anstiftete.
Der Fussballspieler Lassana Diarra unterzeichnete 2013 einen Vertrag bei einem russischen Fussballverein. Nach einem Jahr kündigte er den Vertrag, ohne triftigen Grund. Diarra wollte anschliessend zu einem belgischen Klub wechseln. Da der belgische Verein massive Sanktionen und Schadenersatzforderungen fürchtete, scheiterte der Transfer. Diarra klagte daraufhin gegen die FIFA vor den belgischen Gerichten und machte geltend, dass die unverhältnismässig harten Regeln einen Transfer zum belgischen Verein unmöglich machten und gegen das oben genannte EU-Recht verstosse.
Das belgische Berufungsgericht beschloss das Verfahren zu unterbrechen und ersuchte den EuGH um eine Vorabentscheidung betreffend die Auslegung von gewissen EU-Bestimmungen. Die Richter des EuGH entschieden nun – knapp elf Jahre nach Anhebung der Klage – dass bestimmte Transferregeln der FIFA, welche auf den konkreten Fall Anwendung finden, nicht mit dem EU-Recht konform sind, da sie unverhältnismässig hart sind. Konkret sind die dem neuen Klub auferlegte Solidarhaftung und die Androhung von harten Sanktionen nicht verhältnismässig. Die Klubs würden dadurch abgeschreckt, den betreffenden Spieler zu verpflichten, da sie harten Konsequenzen ausgesetzt sein könnten.
Der Entscheid könnte für die geltenden Transferregeln einige Bedeutung haben. So könnten Spieler künftig wohl einfacher aus laufenden Vertragsverhältnissen mit Klubs aussteigen, da die neuen Klubs keine harten Sanktionen oder hohe Entschädigungsansprüche zu fürchten haben, sondern einzig Schadenersatzansprüche in dem Umfang, was vernünftigerweise als erforderlich angesehen werden könne.
Sollte dieses Szenario eintreffen, so würde dies die Kontinuität der Mannschaftskader negativ beeinträchtigen, da Spieler den Verein einfacher verlassen bzw. wechseln könnten. Dies wiederum könnte Auswirkungen auf die von den abgebenden Klubs geforderten, hohen Ablösesummen haben.
Das Urteil des EuGH bewirkt, dass die belgischen Gerichte ihren Entscheid nun im Einklang mit den Erwägungen des EuGH zu fällen haben. Folglich dürften einige Wochen und Monate vergehen, bis der Streit definitiv erledigt sein wird. Die nächsten Monate werden zeigen, ob und falls ja, inwiefern die FIFA ihre Transferregeln überarbeitet und ob eine „Transferrevolution“ bevorsteht, wie dies das Urteil im Fall „Bosman“ im Jahre 1995 bewirkte.