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krfacts Spezialausgabe 09. April 2020 COVID-19: Missbrauch der Corona-Kredite und deren strafrechtliche Folgen

Am 26. März 2020 ist in Folge des Coronavirus die Verordnung zur Gewährung von Krediten und Solidarbürgschaften (COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung) in Kraft getreten. Gemäss dieser Verordnung sollen den Unternehmen mit Hilfe von Überbrückungskrediten ausreichend Liquidität zur Verfügung gestellt werden, damit sie trotz Corona-bedingten Umsatzeinbussen ihre laufenden Fixkosten decken können. Diese zusätzliche Massnahme stellt mit den vom Bundesrat bereits beschlossenen Massnahmen im Bereich der Kurzarbeit sowie dem COVID-Erwerbsersatz zur Deckung der Lohnkosten ein umfassendes Massnahmenpaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie dar.

Für das Erhalten einer Solidarbürgschaft bzw. eines Kredits hat das Unternehmen diverse Anforderungen mittels Selbstdeklaration zu erfüllen. Die Vollständigkeit und Wahrheit der Angaben im Gesuch sind von den Gesuchstellerinnen und Gesuchstellern schriftlich zu bestätigen. Ferner sind die gewährten Kredite zweckgebunden. Sie dienen einzig zur Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten als Folge der wirtschaftlichen Auswirkungen der Bekämpfung des Coronavirus. Ausserdem sind gewisse Vorgänge, wie bspw. Ausschüttung von Dividenden und Tantiemen, während der Dauer der Solidarbürgschaft unzulässig.

Die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung beinhaltet mit Artikel 23 auch eine Strafbestimmung. Der Grund dieser Strafbestimmung liegt darin, dass die Vergabe von Krediten ohne oder zumindest ohne gründliche Überprüfung der von den Unternehmen eingereichten Angaben erfolgt. Zudem sei gemäss dem Bundesrat fraglich, ob die klassischen Straftatbestände, insbesondere Betrug (Art. 146 StGB), greifen würden. Ungewiss sei hierbei, ob eine blosse Falschangabe der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers angesichts der fehlenden Überprüfung der Angaben bereits als Arglist qualifiziert werden könne. Den Straftatbestand der Urkundenfälschung nach Art. 251 StGB könnte nicht vorliegen, weil den Angaben der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers meistens bereits die Urkundenqualität fehlt. Die Strafbestimmung enthält einen expliziten Vorbehalt, dass sie nur zur Anwendung gelangt, sofern keine schwereren strafbaren Handlungen nach dem StGB vorliegen.

Im Folgenden wird geprüft, ob die strafbaren Handlungen gemäss Art. 23 COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung im Grundsatz auch als Betrug (Art. 146 StGB) oder Veruntreuung (Art. 138 StGB) qualifiziert werden können. Diese strafbaren Handlungen kommen in Betracht: (1) Vorsätzlich mit falschen Angaben erwirkte Kreditvergabe und/oder (2) vorsätzliche Verwendung des Kredites entgegen dem Zweck der Verordnung. Der erste Sachverhalt ist unter dem Aspekt des Betruges zu prüfen. Es wird im Folgenden nur die Tatbestandvoraussetzung der Arglistig näher betrachtet. Arglistig verhält sich, wer sich einer einfachen Lüge bedient bzw. etwas verschweigt, wobei die Überprüfung der Angaben des Täters vom Getäuschten – für den Täter – voraussehbar unterlassen wird. Gemäss Bundesgericht liegt diese Voraussehbarkeit vor, falls klare Zusicherungen oder Regelungen bestehen, nach welchen eine Kontrolle unterbleibt (BGE 107 IV 171). Im Falle der getätigten Kredite und Solidarbürgschaften in Folge des Coronavirus ist allen Gesuchstellerinnen und Gesuchstellern bewusst, dass aufgrund der ausserordentlichen Lage und der Ausgestaltung als schnelle Kreditvergabe, eine Überprüfung weitgehend unterbleibt. Die spezielle und rationelle Ausgestaltung der Kreditvergabe gilt zum Schutz der Schweizer Wirtschaft in einer ausserordentlichen Lage und kann unseres Erachtens deshalb als Ausfluss eines strafrechtlich schützenswerten, besonderen Vertrauensverhältnisses qualifiziert werden. Damit wäre die Arglist gegeben und es könnte ein Betrug vorliegen, falls alle weiteren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.

Beim zweiten Sachverhalt könnte ebenfalls ein Betrug vorliegen. Doch wird dieser Sachverhalt unter dem Aspekt der Veruntreuung (Art. 138 StGB) betrachtet. Gemäss Rechtsprechung und Lehre kann eine Veruntreuung eines gewährten Kredites bzw. eines Darlehens vorliegen, falls u.a. vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt werden. Erstens bedarf es bei Abschluss des Darlehensvertrages einer Zweckbindung des geliehenen Geldes, das heißt der Darleiher und der Borger müssen zusammen verbindlich festlegen, wofür das Geld zu verwenden ist. Zweitens muss aus dem Sachverhalt hervorgehen, dass der Darleiher dem Borger das Geld nicht gegeben hätte, wenn er gewusst hätte, dass dieser es für etwas anderes als das Vereinbarte verwenden wird. Drittens muss sich die vereinbarte Zweckbindung eignen, das Verlustrisiko zu begrenzen. Als vierte und letzte Voraussetzung muss die vereinbarte Zweckbindung des Darlehens entweder im ausschliesslichen Interesse des Darleihers oder beider Parteien oder einer gemäss Wunsch des Darleihers zu begünstigenden Person liegen. Diese Voraussetzungen sind unseres Erachtens gegeben. Die Herausgabe der Kredite ist zweckgebunden. Sie dient - wie bereits oben ausgeführt – lediglich zur Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten als Folge der wirtschaftlichen Auswirkungen der Bekämpfung des Coronavirus. Es darf nicht anders verwendet werden und es würde nicht gesprochen, falls der Borger wüsste, dass es für etwas anderes als zur Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten infolge der COVID-19- Pandemie verwendet würde. Die Zweckbindung dient dazu, Liquidationsschwierigkeiten zu überwinden und somit das Unternehmen wirtschaftlich am Leben zu erhalten. Nach Überwindung der bestehenden Krise ist es den unterstützten Unternehmen eher möglich, wieder Fuss zu fassen und den erhaltenen Kredit laufend zurückzubezahlen. Schliesslich dient die vereinbarte Zweckbindung zum einen dem Borger, weil er notwendige Liquidität erhält und zum anderen auch dem Bund, weil diverse Unternehmen somit nicht Konkurs gehen und dadurch auch Arbeitsplätze gesichert werden können. Schliesslich begegnet man mit vorgenannter Massnahme auch einem drohenden Zusammenbruch der nationalen Wirtschaft. Als Fazit der vorgängigen Ausführungen kann somit festgehalten werden, dass der Tatbestand der Veruntreuung bei Vergabe von Corona-Krediten und nicht bestimmungsgemässer Verwendung erfüllt werden kann.

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Aufgrund der aktuellen Entwicklungen und der unterschiedlichen Ausgangslagen empfehlen wir, sich bei rechtlichen Fragen mit uns in Verbindung zu setzen.

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