KMU-Magazin Nr. 06, Juni 2022 Bauen ohne Baubewilligung lohnt sich nicht
Auch wenn eine Baute oder Anlage nach der eigenen Beurteilung keiner Baubewilligung bedarf, ist es empfehlenswert, das entsprechende Bauamt über das geplante Bauvorhaben vorab zu informieren und die Baubewilligungspflicht zu klären. Der Beitrag informiert über die Baubewilligungspflicht und die Ausnahmen davon.
Wer eine Baute oder Anlage erstellen will, benötigt hierfür eine Baubewilligung – so sieht es das für die Kantone verbindliche Raumplanungsgesetz (RPG) des Bundes vor. Als «Bauten oder Anlagen» gelten grundsätzlich jegliche künstlich geschaffenen und fest mit dem Erdboden verbundenen Einrichtungen, die sich auf die Umwelt auswirken.
Vom Grundsatz der Baubewilligungspflicht gibt es jedoch auch Ausnahmen. So zum Beispiel für Solaranlagen bis zu einer bestimmten Grösse.
Solche Ausnahmen sehen sowohl das Bundesrecht als auch die kantonalen Gesetzgebungen vor. Sie betreffen in aller Regel aber nur kleinste Bauvorhaben. Während früher die Behörden oftmals zur Ansicht gelangten, der Rückbau einer ohne Baubewilligung erstellten, nachträglich nicht bewilligungsfähigen Baute sei unverhältnismässig und sie könne daher bestehen bleiben, hat sich der Wind in den letzten Jahren gedreht: Ohne Baubewilligung erstellte und nachträglich nicht bewilligungsfähige Bauten müssen meist zurückgebaut werden. Das kann ganz schön ins Geld gehen.
Nachträgliche Bewilligung
Bevor der Rückbau einer nicht bewilligten Baute und Anlage verfügt werden kann, muss die zuständige Behörde stets prüfen, ob die Baute oder Anlage im Rahmen eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens bewilligt werden kann. Das nachträgliche Baubewilligungsverfahren leitet die Behörde entweder von Amtes wegen oder auf private Anzeige hin ein. Kann die Baute oder Anlage nachträglich bewilligt werden, darf sie bestehen bleiben. Andernfalls muss sie der Eigentümer auf eigene Kosten zurückbauen.
Ob eine Baute oder Anlage nachträglich bewilligt werden kann, hängt insbesondere auch von ihrer Lage ab: Generell sind die Aussichten, eine Baute innerhalb der Bauzone nachträglich bewilligt zu erhalten, besser als ausserhalb der Bauzone. Die Tatsache allein, dass eine Baute oder Anlage seit Langem besteht, begründet noch keinen Anspruch, dass sie auch bestehen bleiben darf.
Innerhalb der Bauzone
Innerhalb der Bauzone ist das Bauen im Rahmen der kantonalen und kommunalen Bauordnung zulässig. Eine ohne Baubewilligung erstellte, den kantonalen und kommunalen Bauvorschriften aber entsprechende Baute oder Anlage kann folglich oft auch nachträglich bewilligt werden. Entspricht sie nicht den gesetzlichen Vorgaben, muss sie zurückgebaut werden. Ausgenommen sind Bauten und Anlagen, deren Bau mehr als 30 Jahre zurückliegt. Innerhalb der Bauzone gilt nämlich eine 30-jährige Verwirkungsfrist für die Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes. Eine rechtswidrig erstellte Baute oder Anlage muss nach Ablauf dieser Frist folglich nicht mehr zurückgebaut werden. Eine Gegenausnahme bilden wichtige öffentliche Interessen, welche den Rückbau trotzdem rechtfertigen.
Die Verwirkungsfrist von 30 Jahren für den Rückbauanspruch wird mit Überlegungen zur Rechtssicherheit begründet. Das Bundesgericht ist der Meinung (BGE 107 Ia 121, E. 1a), dass es stossend wäre, wenn die Behörde einen Grundeigentümer nach langer Zeit des Duldens zur Beseitigung einer widerrechtlichen Baute oder Anlage verpflichten könnte. Zudem sieht das Bundesgericht auch praktische Schwierigkeiten. So dürfte es nach mehr als 30 Jahren schwierig sein, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sowie die Praxis der kantonalen und kommunalen Behörden für Bauten innerhalb der Bauzone abzuklären und nachzuvollziehen.
Allerdings werden rechtswidrig und nachträglich nicht bewilligungsbare Bauten auch nach 30 Jahren nicht rechtmässig. Sie müssen nach Ablauf der 30-Jahres-Frist lediglich geduldet werden. Das hat insbesondere zur Folge, dass auf den Bestand kein Anspruch besteht und eine solche nicht bewilligte, sondern nur geduldete Baute oder Anlage auch nicht einfach umgebaut oder wieder aufgebaut beziehungsweise erweitert werden darf. Der Eigentümer hat einzig das Recht, sie mit nicht bewilligungspflichtigen Massnahmen zu unterhalten. Das kann den Gebrauch tüchtig einschränken!
Ausserhalb der Bauzone
Ausserhalb der Bauzone darf grundsätzlich nicht beziehungsweise nur gebaut werden, was der Zone dient. So ist es zum Beispiel erlaubt, in der Landwirtschaftszone einen Stall zu erstellen – ein Werkhof für ein Bauunternehmen darf hingegen nicht gebaut werden. Ohne Baubewilligung erstellte und nachträglich nicht bewilligungsfähige Bauten und Anlagen duldeten die Behörden nach Ablauf der vorgenannten 30-Jahres-Frist in der Vergangenheit auch ausserhalb der Bauzone.
Das erlaubt ein aktuelles Bundesgerichtsurteil nun nicht mehr (1C_469/2019 und 1C_483/2019 vom 28. April 2021). Das Bundesgericht ist zur Ansicht gelangt, dass es ausserhalb der Bauzone mit Blick auf die Rechtssicherheit und die Praktikabilität nicht notwendig sei, die 30-Jahres-Frist zur Anwendung zu bringen. Ausserhalb der Bauzone gelte nämlich im Wesentlichen Bundesrecht. Der kantonale und kommunale Beurteilungsspielraum sei sehr beschränkt und das geltende Recht somit leicht zu ermitteln. In der Regel genüge schon ein Blick auf den Zonenplan, um festzustellen, ob eine Baute oder Anlage dem Zonenzweck entspreche.
Diese aktuelle Rechtsprechung ist für die Praxis von einschneidender Bedeutung: Dient eine ohne Bewilligung ausserhalb der Bauzone erstellte und nachträglich nicht bewilligungsfähige Baute oder Anlage nicht der entsprechenden Zone, muss sie in aller Regel zurückgebaut werden. So beispielsweise Wohnungen, die in einen ehemaligen Stall eingebaut wurden, oder Alphütten, die in Ferienchalets umgewandelt wurden. Mit solchen Rückbauten werden nicht nur erhebliche Investitionen vernichtet, sondern fallen auch zusätzlich noch beträchtliche Kosten für den Rückbau an.
Bauen ausserhalb der Bauzone ohne Baubewilligung kann aus diesen Gründen keinesfalls empfohlen werden. Beim Kauf von ausserhalb der Bauzonen gelegenen Grundstücken ist zudem besonders darauf zu achten, dass alle Bauten und Anlagen rechtmässig bewilligt sind. Denn auch der neue Eigentümer muss nicht rechtmässig erstellte Bauten und Anlagen auf eigene Kosten zurückbauen.
Die neue Rechtsprechung hat natürlich auch die Politik aufgeschreckt. Zurzeit sind daher Bestrebungen im Gang, um auch innerhalb der Landwirtschaftszone die 30-jährige Verwirkungsfrist zu instituieren (https://www.parlament.ch/de/services/news/Seiten/2022/20220317084900047194158159038_bsd044.aspx, besucht am 25.4.2022). Ob diese Bestrebungen von Erfolg gekrönt sein werden, wird sich weisen. Bis zum Entscheid darüber ist aber auf jeden Fall Vorsicht geboten.
Hinweis: Schwieriger gestaltet sich die Abklärung für ausserhalb der Bauzone gelegene Bauten und Anlagen, die bereits vor dem 1. Juli 1972 erstellt wurden. Hier ist die Rechtmässigkeit ihrer Erstellung Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erweiterten Besitzstandsgarantie nach Art. 24c RPG und muss deshalb in aller Regel ohnehin abgeklärt werden, was sehr aufwendig sein kann. Hinzu kommt, dass die Verwirkung auch hier unter dem Vorbehalt wichtiger öffentlicher Interessen steht; dazu zählen neben dem Schutz von Polizeigütern im engeren Sinne (Sicherheit und Gesundheit von Personen) auch andere zwingende öffentliche Interessen des Umwelt, Gewässer, Ortsbild und Landschaftsschutzes, die ebenfalls abgeklärt werden müssen (Urteil 1C_726/2013 vom 24. November 2014, E. 4). Aus vorgenannten Gründen ist laut dem Bundesgericht der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit ausserhalb der Bauzone am besten gedient, wenn klar ist, dass eine rechtswidrige Nutzung nicht geduldet wird – auch wenn sie über lange Zeit nicht entdeckt bzw. beanstandet wurde.
Fälschlich bewilligtes Bauwerk
Die baurechtlichen Bestimmungen und deren Anwendung sind komplex. Sie erlauben zudem auch Interpretationsspielraum. Es kommt daher nicht selten vor, dass Bauwerke genehmigt werden, die nicht bewilligt werden dürften. Wird nach ihrer Erstellung ein Verstoss gegen das Baugesetz festgestellt und müssen sie zurückgebaut werden, weil eine nachträgliche Bewilligung nicht möglich ist, kommt es zur Frage, ob die Gemeinde (oder der Kanton) für die Folgen der ursprünglich falschen Baubewilligung haftet. Eine solche Staats- beziehungsweise Vertrauenshaftung der Gemeinde oder des Kantons ist denkbar – jedoch an strenge Anforderungen geknüpft.
Damit die Staatshaftung greift, bedarf es eines rechtswidrigen Verhaltens von Seiten der Behörden. Ein solches Verhalten liegt oftmals nicht vor beziehungsweise die sich daraus ergebenden allfälligen Ansprüche können nur schwierig bewiesen werden oder sind in der Zwischenzeit verjährt. Hinzu kommt, dass die betroffene Person oder ihre Rechtsnachfolgerin im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens mitgewirkt und damit ihren Beitrag zur fälschlicherweise ausgesprochenen Baubewilligung geleistet hat.
Im Unterschied zur Staatshaftung beruht die Vertrauenshaftung auf dem Grundsatz, dass sich auch die Behörden nach den Regeln von Treu und Glauben zu richten und damit rechtmässig zu verhalten haben. Auf ein solches Verhalten darf sich die rechtssuchende Person so weit verlassen, als sie darauf vertrauen darf. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn sie selber nicht nach Treu und Glauben handelt, also beispielsweise im Baubewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder weiss, dass die Behördenauskunft oder die von der Behörde geschaffene Vertrauensgrundlage – zum Beispiel die Baubewilligung – fehlerhaft ist.
Handelt die rechtssuchende Person jedoch selber rechtmässig und trifft sie gestützt auf eine falsche behördliche Vertrauensgrundlage nachteilige Dispositionen, ist die betroffene Person so zu stellen, als ob sie die Disposition nicht getroffen hätte. Wird eine Baute oder Anlage gestützt auf eine rechtwidrige Baubewilligung erstellt, heisst das in aller Regel aber nicht, dass die Baute bestehen bleiben darf, vielmehr ist die entsprechende Eigentümerschaft so zu stellen, wie wenn ihre Baubewilligung gar nie erteilt worden wäre. In aller Regel ist sie also finanziell zu entschädigen, darf die erstellte Baute oder Anlage aber nicht behalten und muss sie zurückbauen.
Fazit
Bauen ohne Baubewilligung lohnt sich nicht. Auch wenn eine Baute oder Anlage nach der eigenen Beurteilung keiner Baubewilligung bedarf, ist es empfehlenswert, das entsprechende Bauamt über das geplante Bauvorhaben vorab zu informieren. Man erspart sich so nicht nur unnötigen Ärger und damit verbundenen (finanziellen) Aufwand, sondern unter Umständen auch beträchtliche Rückbaukosten. Ärger und Kosten können auch nach Jahrzehnten noch anfallen!
Beim Kauf eines Grundstücks ist nicht nur darauf zu achten, dass die darauf errichteten Bauwerke in gutem Zustand sind, vielmehr ist auch zu prüfen, ob sie rechtmässig bewilligt sind. Der Kauf schützt vor einer allfälligen Rückbauverpflichtung nicht, denn das Verhalten der Voreigentümerschaft wird der Käuferschaft in aller Regel angerechnet. Eine die Rechtmässigkeit der Bauten umfassende Gewährleistungsklausel im Kaufvertrag empfiehlt sich.
Bewilligt eine Gemeinde ein Bauvorhaben fälschlicherweise und wird dieser Fehler danach korrigiert, so besteht die Möglichkeit, dass die Gemeinde aufgrund der Staats- oder der Vertrauenshaftung bei Vorliegen der gegebenen Voraussetzungen schadenersatzpflichtig wird. Die Voraussetzungen für eine solche Haftung sind jedoch hoch. Wer ausserhalb der Bauzone ohne Baubewilligung baut, muss nicht bewilligte Bauten und Anlagen in aller Regel und unabhängig ihres Alters wieder zurückbauen.
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