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KMU-Magazin Nr. 9, September 2023 Wohnbauten: In die Ruhe investieren

Das Ruhebedürfnis gewinnt an Bedeutung. Das insbesondere auch in den eigenen vier Wänden. Reklamationen über den lauten Nachbarn häufen sich. Gerade bei Wohneigentum sollte dem Schallschutz daher Beachtung geschenkt werden. Im Nachhinein lässt er sich kaum oder nur mit hohem Aufwand erreichen. Es lohnt sich daher, dies schon vor dem Kauf zu beachten.

Heute ist bekannt, dass Lärm die Lebensqualität der Menschen beeinträchtigt. Chronisch hohe Lärmbelastungen können sogar krank machen und gesundheitliche Langzeitfolgen nach sich ziehen. Ausserdem mindert Lärm die Standortattraktivität ganzer Gebiete und kann dazu führen, dass es in von Lärm stärker belasteten Quartieren zu einer sozialen Entmischung kommt. Dadurch leben an lärmigen Verkehrsachsen mit der Zeit immer mehr schlecht integrierte, finanziell benachteiligte Menschen, was soziale Konflikte begünstigen kann.

Doch es wird nicht nur der Verkehrslärm als störend empfunden. Schon Gehgeräusche einer Partei eines Mehrfamilienhauses können von anderen Personen im Haus als störend empfunden werden. Umso wichtiger ist es, dass die bestehenden Vorgaben zum Schallschutz für Gebäude eingehalten werden. Das nicht nur für Lärm von aussen, sondern auch für Lärm und Schall im Innern. Die geltenden Vorschriften sind sowohl beim Neu- als auch Umbau zu berücksichtigen, damit die Einhaltung der gesetzlich definierten Grenzwerte für den Schall von innen und aussen gewährleistet werden kann.

Grundlagen des Schallschutzes

Die Anforderungen an den Schallschutz bestimmen das Umweltschutzgesetz (USG; SR 814.01) und die Lärmschutzverordnung (LSV; SR 814.41). Wer ein Gebäude erstellen will, welches dem längeren Aufenthalt von Personen dienen soll, muss für einen angemessenen, den Regeln der Baukunde entsprechenden, baulichen Schutz gegen Aussen und Innenlärm (Art. 21 USG) sorgen. Als Regel der Baukunde gilt dabei gemäss dem ausdrücklichen gesetzlichen Verweis in Art. 32 LSV die SIA-Norm 181 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA). Dieser hat die Bedeutung eines genügenden Schallschutzes schon früh erkannt und hierzu die genannte SIA-Norm 181 «Schallschutz im Hochbau» erlassen.

Die SIA-Norm 181 regelt nicht nur die Anforderungen an den Schallschutz von Hochbauten und deren Messweise detailliert, sondern bestimmt auch die einzuhaltenden Werte. Dabei unterscheidet sie nicht nur zwischen den verschiedenen Schallarten (Tritt, Körper- und Luftschall), sondern definiert auch zwei «Anforderungslevel»: die Mindestanforderungen und die erhöhten Anforderungen. Die erhöhten Anforderungen gelten dabei für Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum, den Mindestanforderungen haben alle anderen Wohnbauten zu genügen.

Gestützt auf die SIA-Norm 181 verlangt die LSV, dass alle lärmempfindlichen Räume neuer Gebäude die Mindestanforderungen der SIA-Norm 181 und Gebäude, die dem Lärm von zivilen Flugplätzen mit Verkehr von Grossflugzeugen ausgesetzt sind, deren erhöhten Anforderungen zu erfüllen haben (Art. 32 Abs. 1 LSV). Als lärmempfindliche Räume gelten dabei in Wohnungen alle Räume, ausgenommen die Küchen, soweit sie keinen Wohnanteil aufweisen, sowie die Sanitär- und Abstellräume (Art. 2 Abs. 6 LSV).

Als «neu» gilt ein Gebäude, wenn es nach dem 1. Januar 1985 (Inkraftsetzung USG) bewilligt worden ist oder wenn ein älteres Gebäude umfassend erneuert wird, das heisst seine Aussenbauteile, Trennbauteile, Treppen oder haustechnischen Anlagen umgebaut, ersetzt oder neu eingebaut werden. Im Falle von umfassenden Umbauten kann die Vollzugsbehörde allerdings Erleichterungen gewähren, wenn die Einhaltung der Anforderungen unverhältnismässig wäre (Art. 32 Abs. 3 USG).

Arten von Schall und Lärm

Bei Lärm wird zwischen Aussen- und Innenlärm unterschieden. Aussenlärm ist Lärm, der von einer Anlage ins Freie abgestrahlt wird und von aussen auf ein Gebäude einwirkt. Aussenlärm ist stets Luftschall, d. h. Schall, der sich in der Luft ausbreitet. Im Gegensatz zum Aussenlärm kann der Innenlärm sowohl als Luftschall (Gespräche, Musik etc.), Trittschall oder Körperschall auftreten. Als Körperschall breitet sich der Innenlärm in der festen Materie aus und wird erst anschliessend in die Luft abgestrahlt (z. B. Fahrgeräusch eines Lifts). Gemessen wird der Schall in Dezibel (db). Für die verschiedenen Arten von Schall gelten unterschiedliche Anforderungen, weshalb hier auch nicht von den verschiedenen erlaubten und nicht erlaubten Werten die Rede sein soll.

Der Schutz vor Innenlärm verlangt eine entsprechende Beschaffenheit der Trennbauteile innerhalb des Gebäudes (zum Beispiel Innenwände, Decken und Türen). Diese müssen so beschaffen sein, dass sie die Übertragung von Luftschall und Trittschall zwischen benachbarten bzw. übereinanderliegenden Räumen ausreichend unterbinden. Diese Anforderung gilt für Trennbauteile zwischen verschiedenen Nutzungseinheiten wie Wohnungen, Büro- oder Gewerbebetrieben (Art. 33 Abs. 2 LSV), nicht jedoch innerhalb einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses. Ein Treppenhaus zwischen verschiedenen Nutzungseinheiten (zum Beispiel in einem Mehrfamilienhaus) gilt als separate Einheit und ist entsprechend zu isolieren.

Anforderungen

Ist nichts anderes vereinbart, bemisst sich die Anforderung des Lärmschutzes in Wohnhäusern nach der Lärmschutzverordnung LSV. Mit Ausnahme für Wohnbauten in der Nähe von Flugplätzen mit Grossflugzeugen verlangt die LSV nur die Einhaltung der nach den Vorschriften der SIA- Norm 181 bestimmten Mindestanforderungen. Das unabhängig davon, ob es sich um Miet- oder im Eigentum stehende Räume handelt. Die Mindestanforderungen gewährleisten den Schallschutz, der nötig ist, um von anderen Personen im Haus, die ihre Räume im üblichen Mass nutzen, nicht erheblich gestört zu werden.

Die erhöhten Anforderungen an den Schallschutz gelten nur dann, wenn deren Einhaltung ausdrücklich mit der jeweils anderen Partei vereinbart wird. Die SIA- Norm 181 verlangt im Unterschied zur LSV demgegenüber für Neubauten von Wohneigentum die Erfüllung der erhöhten Anforderungen. Sie garantiert damit den höheren Komfort als gesetzlich vorgeschrieben. Der Schallschutz ist aber in jedem Fall nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Umbauten sicherzustellen, die aufgrund ihrer Eingriffstiefe eine umfassende Verbesserung des Schallschutzes erlauben (zum Beispiel Auskernung eines bestehenden Gebäudes).

Wer nicht selber baut, muss sich den gewünschten Schallschutz vertraglich von der Verkaufspartei zusichern lassen, wer selber baut, von den am Bau beteiligten Planern und Unternehmern. Eine solche Vereinbarung kann dahingehend lauten, dass die erhöhten Anforderungen der SIA-Norm 181 erfüllt werden müssen. Denkbar ist es aber auch, dass man im Vertrag sogar höhere Lärmschutzwerte festlegt. Denn auch die erhöhten Anforderungen gewährleisten nicht, dass man die anderen Personen im Haus nicht hört. Die erhöhten Anforderungen sollen gemäss Definition nur eine Wohnumgebung schaffen, in der sich ein Grossteil der Menschen behaglich fühlt.

Will man also die absolute Ruhe haben, reichen auch die erhöhten Anforderungen nicht aus. In diesem Fall muss man mit seiner Vertragspartei individuell höhere Werte vereinbaren. Ist die Planung oder gar der Bau des gewünschten neuen Zuhauses aber bereits fortgeschritten, ist das in der Regel kaum mehr möglich, denn der Schallschutz muss von Anfang an geplant werden.

Vorgehen bei Störungen

Ob die von Gesetzes wegen geschuldeten oder die vereinbarten Schallschutzwerte eingehalten sind, führt nach dem Bezug von Wohneigentum nicht selten zu Diskussionen. Zu beachten ist dabei, dass sich die Schallschutzwerte nicht mit handelsüblichen Gerätschaften messen lassen. Die SIA-Norm 181 regelt die Messweise exakt. Und diese Messweise gilt unabhängig davon, ob man die SIA-Norm 181 zum Vertragsinhalt hat erklären lassen oder es bei der gesetzlichen Regelung der LSV beliess. Für die Messung der Schallschutzwerte ist daher immer ein spezialisiertes Unternehmen beizuziehen, das die Messweise kennt und über die dafür notwendigen, geeichten Geräte verfügt. Die Planung und Durchführung solcher Messungen sind entsprechend recht kostspielig.

Oft stellt sich daher die Frage, wer für die Messung aufzukommen hat. Auch in diesem Zusammenhang ist das vertraglich Vereinbarte von entscheidender Rolle. Von Bedeutung ist dabei die SIA-Norm 118, welche die allgemeinen Bedingungen für Bauverträge regelt und die rechtlichen Verhältnisse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, einschliesslich Aspekte wie Gewährleistung, Haftung und Abnahme von Bauleistungen, definiert. Nur wenn man ausdrücklich die Gewährleistung nach dieser SIA-Norm vereinbart hat, kann verlangt werden, dass die andere Vertragspartei die Einhaltung der geschuldeten Schallschutzwerte nachzuweisen und damit für die Kosten einer Messung aufzukommen hat.

Ist nichts oder die Gewährleistung nach Obligationenrecht abgemacht, so hat die Eigentümerin oder der Eigentümer die Messung zu beauftragen und zu finanzieren. Immerhin können die Kosten von der anderen Vertragspartei zurückverlangt werden, wenn die Messung zeigt, dass die geschuldeten Schallschutzwerte nicht eingehalten sind. Ist dies der Fall, liegt ein Mangel am Wohnobjekt vor. Auch in diesem Zusammenhang ist es oftmals entscheidend, dass die Parteien hinsichtlich der Gewährleistung die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 vertraglich vereinbart haben. Nur dann besteht nämlich die Möglichkeit, den Mangel während den ersten zwei Jahren jederzeit zu rügen.

Ist die SIA-Norm 118 für die Gewährleitung nicht vereinbart, muss das Wohneigentum nach der Übernahme nicht nur sofort geprüft, sondern im Rahmen dieser Prüfung feststellbare Mängel auch umgehend gerügt werden. Andernfalls können die sich aus den Mängeln ergebenden Ansprüche gegen die andere Vertragspartei nicht mehr durchgesetzt werden. Im Kontext mit dem Schallschutz stellt sich in Fällen, in denen die Parteien für die Gewährleistung die SIA-Norm 118 nicht vereinbart haben, oftmals die Frage, ob die sich aus dem Mangel ergebenden Ansprüche nicht bereits verwirkt sind. Werden sich die Parteien hinsichtlich dieserFrage nicht einig, indem die das Wohneigentum veräussernde oder erstellende Partei den Mangel und die Haftung dafür nicht anerkennt, kann das für die Eigentümerin oder den Eigentümer zu erheblichen prozessualen Risiken führen. Zeigt sich, dass die geschuldeten Schallschutzanforderungen nicht erfüllt sind, stehen der Wohnungseigentümerin verschiedene Mängelrechte zu. Sie kann die Nachbesserung, die Minderung oder in besonders krassen Fällen die Wandelung, also die Rückabwicklung des Kaufgeschäftes, verlangen. In aller Regel dürfte der Anspruch auf Wandelung aber kaum durchsetzbar sein. Ist die Gewährleistung nach der SIA-Norm 118 vereinbart, gilt es zudem zu beachten, dass der verkaufenden oder erstellenden Partei immer zuerst das Recht zusteht, den Schallschutzmangel nachzubessern. Erst wenn das nicht gelingt, kann Minderung verlangt werden.

In der Praxis bringt dieser Nachbesserungsanspruch aber kaum Probleme mit sich, denn in der Regel will der Eigentümer das Schallproblem behoben wissen und nicht einen Minderwert ausbezahlt erhalten. Zu viel mehr Diskussionen kommt es demgegenüber oft, wenn der Mangel nur mit sehr grossem Aufwand behoben werden kann. Denn wenn der Aufwand der Nachbesserung mit dem dadurch erwirkten Erfolg in einem Missverhältnis steht, ist die in der Regel von der Eigentümerin gewünschte Nachbesserung nicht geschuldet. Sie muss sich in diesem Fall mit einer Minderungsentschädigung zufriedengeben.

Worauf zu achten ist

Wer Wohneigentum kauft, muss dem Thema «Schallschutz» hohe Beachtung schenken. Andernfalls kann die Freude am neuen Zuhause von kurzer Dauer sein. Wichtig sind dabei insbesondere zwei Dinge: Lassen Sie sich von Ihrem Vertragspartner vertraglich zusichern, dass Ihr Zuhause mindestens die erhöhten Schallschutzanforderungen der SIA-Norm 181 erfüllen wird und für die Gewährleistung die Bestimmungen der SIA-Norm 118 gelten. Sind diese Vorausset-zungen erfüllt, ist die Grundlage für ein gutes Wohlbefinden in den eigenen vier Wänden geschaffen.

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