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KMU Magazin Nr. 11, November 2014 Von den Rechten und Pflichten des Architekten

Kaufvertrag, Mietvertrag, Werkvertrag, Auftrag, Mäklervertrag und viele Vertragstypen mehr, finden sich im SchweizerischenObligationenrecht (OR). Den «Architektenvertrag» sucht man allerdings vergeblich. Das heisst aber nicht, dass es ihn nicht gibt. Soweit die Parteien nichts Spezielles vereinbart haben, unterliegt er insbesondere den Regeln des Auftrags- und Werkvertragsrechts – abhängig von den Aufgaben des Architekten.

Grundlagen

Lange Zeit war die Rechtsprechung zum Architektenvertrag uneinheitlich, was zu Unsicherheiten führte. Daran änderten auch die vom Schweizerischen Ingenieur und Architektenverein, SIA, geschaffenen Normenwerke zum Architektenrecht nichts. Auch wenn sie die anerkannten nationalen Regeln der Baukunde wiedergeben, gelten sie nur, wenn sie von den Parteien ausdrücklich vereinbart werden. Ansonsten finden ausschliesslich die gesetzlichen Bestimmungen des Obligationenrechts (OR) Anwendung. Die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung zu den gesetzlichen Normen lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Ob Werk- oder Auftragsrecht massgebend ist, hängt von der Art der Aufgabendes Architekten ab: Ist ein Architekt verpflichtet, Pläne, Gutachten, Protokolle oder Submissions unterlagenzu erstellen, findet Werkvertragsrecht (Art. 363 ff. OR) Anwendung. Beauftragt der Bauherr den Architekten hingegen mit der Arbeitsvergabe, der Bauaufsicht oder der Erstellung eines Kostenvoranschlages, so ist das Auftragsrecht (Art. 394 ff. OR) anwendbar.
  • Wenn der Architekt sowohl werkvertragliche als auch auftragsrechtliche Aufgaben wahrnimmt, handelt es sich um einen gemischten Vertrag (sog. Gesamtvertrag). Diesfalls findet das Recht der spezifischen Einzelleistung Anwendung. Die Auflösung eines Gesamtvertrages richtet sich jedoch immer nach Auftragsrecht. Daher kann der Vertrag jederzeit von beiden Parteien aufgelöst und gekündigt werden. Allerdings führt eine Kündigung zur Unzeit zu entsprechenden Schadenersatzpflichten gegenüber dem Vertragspartner.
  • Haben die Parteien sich widersprechende Abmachungen getroffen, aber nichts Spezielles vereinbart, ist folgende Reihenfolge zu berücksichtigen: Zuerst gilt die individuelle Vereinbarung zwischen den Parteien. Enthält diese keine Regelung, sind die SIA-Ordnungen und Normen – soweit ausdrücklich als mitgeltend vereinbart – sowie zu guter Letzt die gesetzlichen Vorschriften massgebend.

So weit zu den Grundlagen – nun zur Praxis. Dort zeigt es sich nämlich, dass im Verhältnis Architekt – Bauherr immer wieder die gleichen Themen Anlass zu Diskussionen geben. Von diesen soll nun die Rede sein:

Kostenschätzung und -kontrolle

Um Kostenüberschreitungen zu verhindern, ist der Architekt verpflichtet, die Kosten eines Bauvorhabens zu schätzen. Gleichzeitig ist er gehalten, die Kostenentwicklung laufend zu überprüfen, um zu verhindern, dass ohne Einverständnis des Bauherrn die Kosten überschritten werden. Kommt der Architekt diesen Verpflichtungen nicht nach, kann dies zu einer Haftung des Architekten für den dem Bauherrn hieraus entstandenen Schaden führen. Von einem Schaden wird allerdings nur dann ausgegangen, wenn der Bauherr im Wissen um die Mehrkosten das Projekt nicht oder anders realisiert hätte. Falls die Überschreitung der Kosten Folge eines unsorgfältigen Vorgehens des Architekten ist und dem Bauherr aus der Kostenüberschreitung kein nutzbarer Mehrwert entstanden ist, wird der Bauherr geschädigt. Der Architekt hat dem Bauherrn daher den Schaden, das heisst die Kostenüberschreitung zu erstatten. Die Beweislast für den Nachweis des Schadens trägt der Bauherr. Soweit dieser allerdings über dem mit dem Architekten vereinbarten Toleranzbereich des Kostenvoranschlags liegt – zum Beispiel+/– 10 Prozent – wird das Verschulden des Architekten vermutet. Der Architekt riskiert zudem bei unsorgfältiger Tätigkeit eine Honorarkürzung als Folge der nicht richtigen Vertragserfüllung.

Diese sehr strenge Haftung des Architektenhat das Bundesgericht im 2013 für den Fall etwas gelockert, dass der Architekt gar keinen Genauigkeitsgrad angibt (BGer 4A.271 / 2013 vom 26. September 2013). Bei einer fehlenden Orientierung über den Genauigkeitsgrad ist – so das Bundesgericht – im Einzelfall zu prüfen, welches Vertrauen der Bauherr nach Treu und Glauben in die Kosteninformationen des Architekten haben durfte. Aus einer unterlassenen Information über die Genauigkeit eines Kostenvoranschlages könne nicht abgeleitet werden, dass keine Risiken bestünden, so das Bundesgericht. Die beim Bauen «üblichen» und kostenrelevanten Risiken müsse sich der Bauherr auch ohne Aufklärung beziehungsweise Hinweise durch den Architekten anrechnen lassen. Das ergäbe sich bereits aus dem Begriff Kostenschätzung.

Beratungspflicht

Bei sämtlichen Fragen, welche die Vertragsabwicklung mit sich bringt, hat der Architekt den Bauherrn entsprechend zu beraten. Dies betrifft jedoch nicht nur die rein baulichen Fragen, sondern zum Beispiel auch Unklarheiten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Werkvertrages, das heisst auch rechtlichen Fragen. Auch muss der Architekt auf die Notwendigkeit des Abschlusses einer Bauherren- oder Bauwesenversicherung hinweisen. Die Beratung kann, muss aber nicht zwingend durch den Architekten selber erfolgen. Vielmehr reicht der Hinweis des Architekten, sich an eine Fachperson wie zum Beispiel einen Baujuristen zu wenden. Führt der Verstoss gegen diese Beratungspflicht zu einem Schaden,so haftet der Architekt dem Bauherrn dafür.

Termin- und Fristenmanagement

Der Architekt ist gehalten, die vereinbarten Leistungen termin- und fristgerecht zu erbringen. Ob die Nichteinhaltung von Terminen oder Fristen Haftungsfolgen auslöst, hängt davon ab, ob es sich um verbindliche Termine handelt oder solche mit lediglich informellem Charakter. Letztere können nur angemahnt werden, lassen aber keine Schadenersatzpflicht entstehen. Um welche Art von Termin beziehungsweise Frist es sich handelt, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Grundsätzlich gilt ein Termin oder eine Frist als verbindlich, wenn sie auch ausdrücklich so bezeichnet sind. Gemäss Gesetz und SIA-Ordnung 102 kann derBauherr den Architekten bei nicht fristgerechter Leistungserbringung durch schriftliche Mahnung in Verzug setzen. Ebenfalls berechtigt die Nichteinhaltung von verbindlichen Terminen und Fristen unter Umständen zur Honorarkürzung.

Planung

Zum Pflichtenheft des Architekten gehört auch die Planung. In Bezug auf Planungsfehler kann auf die Ausführungen zur falschen Kostenschätzung verwiesen werden. Die Erstellung von Plänen untersteht dem Werkvertragsrecht, was eine kausale Haftung des Architekten zur Folge hat. Ein Verschulden des Architekten ist nicht erforderlich. Der Bauherr kann daher bei Planungsfehlern alternativ Minderung, Wandelung oder Nachbesserung verlangen. In der Praxis bedeutsam sind Mangelfolgeschäden (beispielsweise bei Baumängeln oder Ertragsausfall) aufgrund eines fehlerhaften Planes. Bei Mangelfolgeschäden haftet der Architekt jedoch nur, wenn ihm ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Mängel des Bauwerks infolge von Planungsfehlern des Architekten verjähren innert fünf Jahren.

Rechte des Bauherrn

Eine Haftung des Architekten entsteht nicht alleine aufgrund seines Fehlverhaltens. Erforderlich ist vielmehr eine Rüge des Bauherrn bezüglich des entsprechenden Mangels. Je nachdem, ob es sich um werk- oder auftragsrechtliche Leistungen handelt, ist der Zeitpunkt der Rüge unterschiedlich. Im Werkvertragsrecht ist der Bauherr verpflichtet, das Bauwerk nach Ablieferung umgehend zu prüfen. Entdeckt er im Rahmen dieser Prüfung Mängel, so sind diese sofort zu rügen, sonst gilt das Werk als akzeptiert. Bei der Anwendung von Auftragsrecht hat der Bauherr mehr Zeit für die Überprüfung. Bei Vereinbarung der SIA-Ordnung 102 kann er Mängel am Bauwerk während der erstenz wei Jahre nach der Abnahme jederzeit rügen. Allerdings ist auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass gerügte Mängel nach fünf Jahren verjähren – sofern der Bauherr die Verjährungsfrist nicht mittels zum Beispiel Klage oder Betreibungsbegehren unterbricht.

Pflichten des Bauherrn

Nicht nur der Architekt hat Pflichten, sondern auch der Bauherr. Letzterer ist verpflichtet, das vereinbarte Honorar zu bezahlen. Die Durchsetzung des Honorars stellt bei unumstrittenen Leistungen des Architekten bei vorhandener Zahlungsfähigkeit des Bauherrn grundsätzlich kaum ein Problem dar.

Schutzrechte des Architekten

Der Architekt hat Anspruch darauf, dasss ein Arbeitsergebnis, unabhängig davon, ob es sich um Pläne oder um das vollendete Bauwerk selber handelt, nicht beliebig verändert wird. Das Gesetz schützt die schöpferische Leistung des Architekten in vielerlei Hinsicht.

Urheberrechtsgesetz (URG)

Gestützt auf das Urheberrechtsgesetz (URG), welches die Arbeitsergebnisse vor unberechtigter Veränderung schützt, hat der Architekt am Werk Persönlichkeitsrechte und vermögensrechtliche Ansprüche. Allerdings besteht dieser Schutzanspruch nur, wenn das zu schützende Werk einen individuellen Charakter hat, das heisst in einer originellen Idee verkörpertist. Nach Fertigstellung des Bauwerks darf der Bauherr die Baute gestützt auf seine Bedürfnisse erweitern oder ändern. Gegen solche Veränderungen des Bauwerks kann sich der Architekt nur wehren, wenn diese eine persönlichkeitsverletzende Entstellung des Bauwerks zur Folge haben. Allerdings hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung dies bislang noch nie bejaht.

Designgesetz (DSG)

Der Architekt kann anderen, gestützt auf das Designgesetz (DSG), welches Schöpfungen schützt, die sich durch ihre Gestaltungen – namentlich durch die Anordnung von Linien, Flächen, Konturen oder Farben oder durch das verwendete Material – charakterisieren, den Gebrauch seiner Pläne, Skizzen oder Veränderungen seiner Bauten zu gewerblichen Zwecken verbieten. Allerdings muss das Design auch neu und von einer gewissen Eigenart sein.

Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) schliesslich schützt die unlautere Verwertung einer schöpferischen Leistung des Architekten wie zum Beispiel von Plänen durch einen Dritten. Darunter fällt insbesondere, wer anvertraute oder fremde Arbeitsergebnisse eines Dritten (beispielsweise bei Offerten, Berechnungen oder Plänen) verwertet oder das marktreife Arbeitsergebnis eines anderen ohne eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren alss olches übernimmt.

Fazit

Wie bereits eingangs des Beitrags aufgezeigt wurde, ist nach Art der Teilleistung des Architekten zu unterscheiden, ob das Verhältnis zwischen Bauherr und Architekt auf Werk- oder Auftragsrecht beruht.Je nachdem bestehen ganz unterschiedliche Ansprüche an den Vertragspartner – insbesondere auch im Haftungsfall. Die Verantwortung des Ar-chitekten gegenüber dem Bauherrn hinsichtlich Planung, Beratung sowie Termin- und Kostentreue ist dabei nicht zu unterschätzen.

Beitrag veröffentlicht am
26. November 2014

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