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KMU-Magazin Nr. 11, November 2017 Neuer Standard weicht Bankgeheimnis weiter auf

Die Schweiz hat sich den OECD-Vorgaben zur Einführung eines globalen Standards zum automatischen Informationsaustausch in Steuersachen gefügt. Die damit verbundene partielle Aufhebung des Bankgeheimnisses gilt ab dem kommenden Jahr. Was das konkret bedeutet, skizziert dieser Beitrag.

Am 15. Juli 2014 hat der Rat der Organi­sation für wirtschaftliche Zusammenar­beit und Entwicklung (OECD) den neuen globalen Standard für den internatio­nalen automatischen Informationsaus­tausch in Steuersachen (AIA­Standard) verabschiedet. Die Schweiz hat sich zur Einführung des neuen globalen Stan­dards bekannt und schon für das Jahr 2018, unter Vorbehalt der gesetzgeben­den Prozeduren, den ersten Datenaus­tausch angekündigt.

Zum neuen Standard

Der neue globale Standard sieht vor, dass Finanzinstitute, gewisse kollektive An­lageinstrumente und Versicherungsge­sellschaften Finanzinformationen ihrer Kunden sammeln, sofern diese im Aus­land steuerlich ansässig sind. Diese Infor­mationen umfassen alle Kapitaleinkom­mensarten sowie den Saldo des Kontos. Sie werden automatisch, in der Regel ein­mal jährlich, der Steuerbehörde (in der Schweiz entspricht dies der Eidgenössi­schen Steuerverwaltung, ESTV) übermit­telt. Die Steuerbehörde leitet die Daten an die für den Kunden entsprechend zu­ständige Steuerbehörde im Ausland wei­ter. Mit dieser neuen und umfassenden Transparenz soll verhindert werden, dass Steuersubstrat im Ausland vor dem Fis­kus geheim gehalten werden kann.

Konsequenzen

Natürlich besteht Reziprozität, die Schweiz hat die entsprechenden Informationen zu liefern, erhält aber ihrerseits Finanzinfor­mationen vom Ausland über die in der Schweiz steuerlich ansässigen Personen mit Kundenbeziehung zu oben genann­ten ausländischen Instituten. Die recht­liche Umsetzung des neuen globalen Standards erfolgte in der Schweiz unter anderem mit dem Erlass des Bundesge­setzes über den internationalen automa­tischen Informationsaustausch in Steu­ersachen (AIAG), welches am 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist.

Aufhebung des Bankgeheimnisses in Bezug zum Ausland

Das AIAG bewirkt, dass für Personen, wel­che ihre steuerliche Ansässigkeit im Aus­land haben und Finanzbeziehungen zu schweizerischen Banken pflegen, das Bankgeheimnis aufgehoben ist. Der Ban­kenplatz Schweiz kann somit nicht mehr dazu verwendet werden, Steuersubstrat vor den ausländischen Behörden zu ver­heimlichen.

Es ist davon auszugehen, dass sich der Ab­fluss von Kundengeldern durch das AIAG in Grenzen halten dürfte, da der Prozess der fiskalischen Vergangenheitsbewälti­gung in der Schweiz bereits seit einiger Zeit begonnen hat. Mit der im Dezember 2009 verabschiedeten und im Februar 2012 konkretisierten Strategie zur Steu­erkonformität hat der Bundesrat den Pro­zess zur Steuertransparenz eingeleitet. Die Schweiz hat in diesem Rahmen Ab­kommen in Kraft gesetzt, die in der einen oder anderen Form bereits eine (frei­willige) Meldung beziehungsweise eine Steuer­ / Datenerhebung für das Ausland vorsehen (Quellensteuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich und Öster­reich, Fatca­Abkommen mit den USA). Bereits seit 2005 ist zudem das Zins­besteuerungsabkommen mit der EU in Kraft, das freiwillige Meldungen erlaubt.

Diese Abkommen haben zusammen mit bankeninternen Bemühungen und den teilweise bestehenden Regularisierungs­programmen im Ausland zur Folge, dass die Vergangenheitsregularisierung fürPersonen mit Vermögenswerten in der Schweiz insbesondere aus den massgeb­lich ausländischen Staaten bereits fortge­schritten ist. Insofern dürfte der Effekt des AIA auf die Finanzbranche und auch auf die Volkswirtschaft zwar spürbar, aber nicht schlagartig sein. Die ökonomischen Auswirkungen des AIA sind zudem im Kon­text der aktuellen, erheblichen regulatori­schen und wirtschaftlichen Herausforde­rungen an die Finanzbranche zu sehen.

Umgekehrt eröffnet der automatischeInformationsaustausch auch für den Schweizer Fiskus neue Wege: Artikel 22 Absatz 6 des Bundesgesetzes über die in­ternationale Amtshilfe in Steuersachen (Steueramtshilfegesetz, StAhiG) sieht vor, dass die Schweiz Amtshilfeersuche zu Bankinformationen nur stellt, soweit diese Informationen nach schweizeri­schem Recht beschafft werden können. Diese Selbstbeschränkung wurde durch den neuen Absatz 7 anlässlich des Erlas­ses des AIAG aufgenommen, sodass Ab­satz 6 nicht in Bezug auf Staaten gilt, von denen die Schweiz Informationen ohne vorgängiges Ersuchen erhalten kann.

Diese Teilaufhebung der Selbstbeschrän­kung rechtfertigt sich, da die Schweiz von diesen Staaten in Zukunft aufgrund des AIA und des spontanen Informationsaus­tauschs unaufgefordert Informationen, insbesondere auch Bankinformationen, erhalten wird. In gewissen Fällen werden diese Informationen jedoch nicht ausrei­chen, um die Steuerpflicht nach Schwei­zer Recht abschliessend festzulegen. Es werden zusätzliche Informationen not­wendig sein, weshalb die Schweizer Steu­erbehörden die Möglichkeit erhalten sol­len, diese amtshilfeweise zu erfragen.

Beibehaltung des Bankgeheimnisses im Inland – Selbstbeschränkung gemäss Artikel 15 Absatz 5 AIAG

Das Inkrafttreten des AIAG hat keine di­rekten Folgen für das Bankgeheimnis im Inland. Die Regeln zur Beschaffung von Bankinformationen im Inland zur An­wendung sowie zur Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts werden nicht geändert.

Allerdings übermitteln meldende schwei­zerische Finanzinstitute der ESTV nach Artikel 15 Absatz 1 AIAG die im anwend­baren Abkommen festgehaltenen Infor­mationen. Dabei handelt es sich um In­formationen betreffend meldepflichtige Personen, die in einem der Partnerstaa­ten, mit denen die Schweiz den AIA ein­geführt hat, steuerlich ansässig sind. Es besteht indes die Möglichkeit, dass ge­wisse dieser meldepflichtigen Personen gleichzeitig auch in der Schweiz steuer­lich ansässig sind. Beispiele:

1. Person A, eine natürliche Person, hat ihren ständigen Wohnsitz in Land X und gilt aufgrund der dort lokalen Re­gelungen in Land X als steuerlich an­sässig. A hält sich beruflich während des Jahrs mehr als sechs Monate in Land Y auf. Während dieser Zeit wohnt A in einem Hotel. Trotzdem wird A auf­grund der Länge seines Aufenthalts gemäss den lokalen Regelungen in Land Y dort als steuerlich ansässigbetrachtet. Da zwischen Land X und Land Y kein Doppelbesteuerungsab­kommen (DBA) besteht, gilt A in bei­den Staaten als steuerlich ansässig.

2. Die Z AG hat ihren statutarischen Sitz in Land X, der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet sich aber in Land Y. Gemäss den lokalen Regelun­gen in Land X gilt ein Rechtsträger als steuerlich ansässig, wenn er seinen Sitz im Land X hat. Unter den lokalen Regelungen in Land Y gilt der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung als re­levanter Anknüpfungspunkt für eine steuerliche Ansässigkeit. Sowohl Land X wie auch Land Y betrachten die Z AG aufgrund ihrer jeweiligen lokalen Re­gelungen als steuerlich ansässig. Da zwischen Land X und Land Y kein Dop­pelbesteuerungsabkommen (DBA) be­steht, gilt die Z AG in beiden Staaten als steuerlich ansässig.

Ein weiterer Fall, in dem die ESTV vom meldenden schweizerischen Finanzinsti­tut Bankinformationen aufgrund der An­wendung des AIAG erhalten kann, liegt vor, falls beispielsweise zwei Personen aufgrund einer Erbschaft Gesamteigen­tümer von Vermögenswerten werden, welche ein meldepflichtiges Finanzinsti­tut verwaltet und einer dieser Gesamtei­gentümer in einem der Partnerstaaten, mit denen die Schweiz den AIA einge­führt hat, steuerlich ansässig ist. Es ge­nügt, dass ein Kontoinhaber im Ausland steuerlich ansässig ist, damit das Finanz­institut bezüglich dieser Person melde­pflichtig wird. In den vorgenannten Fäl­len könnten die von einem meldenden schweizerischen Finanzinstitut an die ESTV übermittelten Informationen auch für die Anwendung und Durchsetzung des schweizerischen Steuerrechts von In­teresse sein. Um zu gewährleisten, dass das Bankgeheimnis im Inland durch diese Vorlage nicht tangiert wird, bestimmt Ar­tikel 15 Absatz 5 AIAG, dass die nach Ar­tikel 15 Absatz 1 an die ESTV übermittel­ten Informationen zur Anwendung und Durchsetzung des schweizerischen Steu­errechts nur weiterverwendet werden dürfen, wenn sie nach schweizerischem Recht hätten beschafft werden können. Dies ist nach geltendem Recht der Fall in Steuerstrafverfahren, welche nach dem Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; be­trifft Straftaten betreffend die Verrech­nungssteuer, die Stempelabgaben, die Mehrwertsteuer sowie be sondere Steue­runtersuchungen nach Arti kel 190 ff. des Bundesgesetzes vom 14. Dezem ber 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG]) oder nach der Straf prozess ordnung (Steu­ervergehen nach Artikel 186 und 187 DBG) geführt werden. Die «einfache» Steuerhinterziehung bleibt im Inland so­mit weiterhin vom Bankgeheimnis ge­schützt.

Ausblick

Bereits in der Vernehmlassung zum AIAG forderten einige Kantone die Aufhebung der Bestimmung, welche die Verwertung von amtshilfeweise erhobenen sowie ins Ausland übermittelten Bankinformatio­nen zulässt, die nach schweizerischem Recht nicht hätten beschafft werden kön­nen. Dies mit der Begründung, dass die Aufrechterhaltung dieser Bestimmungen vor dem Hintergrund der Einführung des AIA nicht nachvollziehbar sei.

Tatsache ist, dass eine Ungleichbehand­lung zwischen der in der Schweiz steuer­lich ansässigen Personen und der im Aus­land steuerlich ansässigen Personen in Bezug auf das Bankgeheimnis besteht.

Wie lange sich diese Art der Ungleichbe­handlung aufrechterhalten lässt, ist auch aufgrund der steigenden Geldsorgen bei den Kantonen fraglich. Richtungswei­send wird hierbei mit Sicherheit die Ab­stimmung über die Eidgenössische Volk­sinitiative «Ja zum Schutz der Pri vat­s phäre» sein.

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