Jusletter, Mai 2013 Handelsregisterverordnung (HRegV) - Stämpflis Handkommentar
Die totalrevidierte Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 ist am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Seither hat sich eine reichhaltige Handelsregisterpraxis gebildet. Die Autoren haben einen Handkommentar geschrieben, der helfen soll, sich in der Handelsregisterverordnung und der sich bislang gebildeten Handelsregisterpraxis besser und rascher zurechtzufinden und auch um Anregungen und Gedankenanstösse für die Wissenschaft zu liefern.
Neben den beiden Herausgebern, Rino Siffert und Nicholas Turin, erläutern acht weitere Autoren diesen Handkommentar. Er ist im Wesentlichen ein Gemeinschaftswerk von Juristen des Eidgenössischen Amtes für das Handelsregister (EHRA).
Die Handelsregisterführung obliegt den Kantonen, und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) übt die Oberaufsicht über die Handelsregisterführung aus. Innerhalb des EJPD hat das EHRA diese Aufgabe innerhalb des Bundesamtes für Justiz (BJ) wahrzunehmen.
Mit diesem Handkommentar unterstützen die Autoren auch die kantonalen Handelsregisterämter bei der Auslegung des Verordnungstextes und das EHRA bei der Wahrnehmung seiner Oberaufsicht.
Im «1. Titel: Allgemeine Bestimmungen» schliesst Nicholas Turin eine rein privatwirtschaftliche Führung des Handelsregisters aus. Diese sei in mehreren Bereichen mit hoheitlichem Handeln verbunden und bedinge den Erlass von Verfügungen und vergleichbaren Handlungen, so insbesondere im Rahmen der amtlichen Verfahren. Das schliesst eine Prüfung von Handelsregisterbelegen auf Zulässigkeit ihrer Eintragungsfähigkeit durch Private (Vorprüfungsverfahren) nicht aus, dürfte aber wegen Fehlens hoheitlicher Befugnisse solcher Prüfer in der Praxis bedeutungslos bleiben.
Nützlich ist der Hinweis von Florian Zihler im «2. Titel: Eintragungsverfahren» auf das bei einer Handelsregisteranmeldung vom Handelsregisteramt zu beachtende Verbot des überspitzten Formalismus. Die den wesentlichen Eintragungstatbestand, wie beispielsweise die Gründung einer AG oder die Herabsetzung des Stammkapitals einer GmbH, enthaltende Anmeldung sei daher inhaltlich vollständig, wenn sich die einzutragenden Angaben im Übrigen aus den konkret und vollständig zu erwähnenden Handelsregisterbelegen ergeben würden. Klarstellend für die Praxis ist auch sein Hinweis über die Ungebundenheit des Handelsregisteramtes an einen in der Anmeldung spezifisch formuliert eingereichten Publikationstext.
Unter dem «3. Titel: Rechtsformspezifische Bestimmungen für die Eintragung» hält Florian Zihler weitere, für den Praktiker wichtige Hinweise beim Einzelunternehmen fest. Im Gegensatz etwa zur Aktiengesellschaft (Art. 718 Abs. 4 OR) seien hier keine Wohnsitzvorschriften zu beachten. Der Wohnsitz des Inhabers dürfe sich deshalb im Ausland befinden, ohne dass eine weitere Person mit schweizerischem Wohnsitz und Einzelunterschrift ins Handelsregister einzutragen sei. Davon streng zu trennen sei jedoch die zwingend vorgeschriebene Festlegung eines schweizerischen Rechtsdomizils (Art. 38 Bst. b. HRegV).
Zu Recht weisen Rino Siffert/Adrian Tagmann unter diesem Titel auf die beschränkte Kompetenz des Verwaltungsrates zur Anpassung der Statuten aufgrund eines Erhöhungsbeschlusses durch die Generalversammlung im Rahmen einer ordentlichen Aktienkapital-Erhöhung hin. Dazu zählen sie die Anpassung über die Höhe des Aktienkapitals, den Betrag der darauf geleisteten Einlagen, die Anzahl, den Nennwert und die Art der Aktien sowie bei qualifizierten Aktienkapital-Erhöhungen Statutenbestimmungen zu allfälligen Sacheinlagen, Sachübernahmen und/oder besonderen Vorteilen. Für weitergehende Änderungen der Statuten sei die Generalversammlung zuständig. In der Praxis hatte ich mehrmals mit der Anpassung einer zum Statuteninhalt gehörenden Schlussbestimmung zu tun wie z.B.: «Diese Statuten wurden anlässlich der Sitzung des Verwaltungsrates vom ... geändert und die Änderung durch deren Eintragung im Handelsregister in Kraft gesetzt.» Von Rechts wegen gehört die ersatzlose Aufhebung einer solchen Schlussbestimmung oder deren Änderung in den Kompetenzbereich der Generalversammlung. Bei einem entsprechenden Beschluss durch den Verwaltungsrat musste die betreffende Schlussbestimmung in den revidierten Statuten unverändert verbleiben, oder die Anmeldung war abzuweisen. De lege ferenda kann man sich fragen, ob bei einer Nachliberierung des Aktienkapitals, bei einer ordentlichen Aktienkapital- bzw. Stammkapital-Erhöhung sowie bei einer genehmigten Aktienkapital-Erhöhung das Handelsregisteramt vom Gesetzgeber nicht ermächtigt werden sollte, eine vom Verwaltungsrat ersatzlos aufgehobene oder geänderte Schlussbestimmung zu akzeptieren und als eine nicht publikationspflichtige Tatsache im Handelsregister einzutragen. Schliesslich handelt es sich dabei um eine blosse Anpassung der Statuten.
Für den Praktiker verwirrend erachte ich den Hinweis von Rino Siffert, dass der Kapitalerhöhungsbericht bei einer ordentlichen Stammkapital-Erhöhung aufgrund von Art. 74 Abs. 2 Bst. d. HRegV zumindest von einem zeichnungsberechtigten Geschäftsführer unterzeichnet sein muss. Hier genügt aufgrund der am 1. Januar 2012 (AS 2011 4659) in Kraft getretenen Änderung des Verordnungstextes die Unterzeichnung des Kapitalerhöhungsberichtes durch einen beliebigen Geschäftsführer. Dass dieser aufgrund von Art. 74 Abs. 2 Bst. d. aHRegV irrtümlicherweise «zeichnungsberechtigt» sein sollte, stand im Widerspruch zur Regelung bei der Aktienkapital-Erhöhung in Art. 46 Abs. 2 Bst. d. HRegV.
Zu Recht hat jedoch nach Rino Siffert, die Urkundsperson die der Stammkapital-Erhöhung zugrunde liegenden Belege einzeln zu nennen und zu bestätigen, dass diese den Geschäftsführern vorgelegen haben. Der Verordnungstext in Art. 75 Abs. 2 Bst. e. HRegV , wonach zu bestätigen sei, dass die Belege auch «der Urkundsperson ... vorgelegen haben», findet in Art. 781 Abs. 5 Ziff. 5. OR i.V.m. Art. 652g Abs. 2 Satz 2 OR keine Rechtsgrundlage.
Bei einer qualifizierten Gründung einer Genossenschaft mit Anteilscheinen ist m.E. de lege ferenda die Regelung bei der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu übernehmen. In einem solchen Fall müsste dann auch bei dieser Rechtsform eine vorbehaltlose Prüfungsbestätigung beim Handelsregisteramt eingereicht und Art. 84 Abs. 3 HRegV dementsprechend ergänzt werden.
Für den Erlass von Stiftungs-Reglementen ist die einfache Schriftform genügend, wie Florian Zihler ausdrücklich festhält. Bei einer nächsten Auflage des Handkommentars wäre allenfalls zu überlegen, ob hier ergänzende Ausführungen zur Organisation der Stiftung für den Praktiker nicht hilfreich und nützlich sein könnten. Nach Art. 83 ZGB müssen durch die Stiftungsurkunde auch die Organe der Stiftung festgestellt werden. Die h.L. geht jedoch davon aus, dass es aufgrund dieser Bestimmung zulässig ist, in die Stiftungsurkunde eine Delegationsnorm aufzunehmen, wonach die Organe in einem z.B. vom Stiftungsrat zu erlassenden Reglement festgestellt werden können. Beim Vorliegen einer Delegationsnorm besteht die Prüfungsbefugnis der Aufsichtsbehörde in der Rechtskontrolle. Ihre zustimmende Zurkenntnisnahme ist deklaratorischer Natur. Die Stiftung erlangt das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung ins Handelsregister. Das Stiftungsreglement tritt so weit in Kraft, als seine Bestimmungen für die Handelsregistereintragung erforderlich sind und z.B. der Stiftungsrat (als Kompetenzträger) sie rechtsgültig erlassen hat. Eine förmliche Zustimmung der Aufsichtsbehörde ist nicht notwendig. In der Praxis werden Stiftungsreglemente häufig auch als «Stiftungsstatut» oder «Stiftungsstatuten» bezeichnet. Dabei handelt es sich um durch den Stifter oder Stiftungsorgane erlassene, nicht öffentlich zu beurkundende Ausführungsbestimmungen zur Stiftungsurkunde.
Einen für den Praktiker sehr interessanten Aspekt erwähnt Christian Champeaux im « 4. Titel: Rechtsformübergreifende Bestimmungen für die Eintragung» . Er verweist auf in der Literatur diskutierte mögliche Erleichterungen, auf deren Grundlage es möglich sein sollte, eine Kapitalgesellschaft ohne vorgängige Kapitalerhöhung in eine Zielrechtsform mit einem höheren Mindestkapital umzuwandeln, sofern Nettovermögen vorhanden ist, welches das Kapital der Zielrechtsform im Zeitpunkt der Umwandlung vollständig deckt.
Ein derartiger Fall könnte beispielsweise bei der Umwandlung einer GmbH mit einem Stammkapital von CHF 20'000 in einer Aktiengesellschaft mit einem zu CHF 50'000 liberierten Aktienkapital vorliegen.
Eine solche Umwandlung wäre aufgrund einer Stellungnahme von Christian Champeaux vom EHRA gegenüber dem Handelsregisteramt des Kantons Luzern im Jahre 2010 ohne vorgängige Stammkapital-Erhöhung zulässig, wenn der in der Umwandlungsbilanz ausgewiesene Aktivenüberschuss die Mindesteinlage auf dem Kapital der AG (Zielrechtsform) zu decken vermag, d.h. der Aktivenüberschuss mindestens CHF 50'000 betragen und somit dem Mindestliberierungsgrad des Aktienkapitals entsprechen würde. Die Forderung der Aktiengesellschaft für das Non-versé müsste in ihrer Eröffnungsbilanz unter den Aktiven ausgewiesen werden. Das Aktienkapital würde in den Statuten der Aktiengesellschaft ohne Erhöhung festgelegt und den gesetzlichen Mindestanforderungen bezüglich der Kapitalaufbringung genügen, wie dies bei der Gründung einer Aktiengesellschaft vorgeschrieben ist. Würde die Umwandlungsbilanz nur einen Aktivenüberschuss von CHF 20'000 ausweisen, müsste das Stammkapital vorgängig um CHF 30'000 erhöht werden. Der Aktivenüberschuss würde nicht ausreichen, die Mindesteinlage auf dem Kapital der Zielrechtsform zu decken. Die Stammkapital-Erhöhung hätte nach Massgabe des GmbH-Rechts zu erfolgen.
Der Umwandlungsplan müsste u.a. auch die neuen Statuten der Aktiengesellschaft enthalten. Das Aktienkapital von CHF 100'000 würde entsprechend dem sich aus der Umwandlungsbilanz der GmbH ergebenden Aktivenüberschuss mit CHF 50'000 liberiert. Ausserdem wäre im Umwandlungsplan die Zahl, die Art und die Höhe der Aktien anzugeben, welche die Gesellschafter nach der Umwandlung erhalten würden. Zudem wäre es sachgerecht, die bedingungslose Verpflichtung der Aktionäre, auf Verlangen des Verwaltungsrates nachträglich die fehlenden Einlagen auf die nicht voll liberierten Aktien zu leisten, in den Umwandlungsplan aufzunehmen. Im öffentlich zu beurkundenden Umwandlungsbeschluss müssten alle Gesellschafter dem Umwandlungsplan zustimmen. Dies zu verlangen rechtfertige sich dadurch, weil sonst einem Aktionär gegen seinen Willen eine zusätzliche, im Falle der Aktiengesellschaft unzulässige, Leistungspflicht auferlegt werden könnte. Bei einem solchen Vorgehen entstünde den Gläubigern kein Nachteil. Die Regeln über die Mindestliberierung des Kapitals der Aktiengesellschaft würden eingehalten, und im Umfang des nicht liberierten Aktienkapitals würde eine Forderung der Zielrechtsform für das Non-versé begründet.
Unter Beachtung der folgenden Voraussetzungen wäre dieses Vorgehen somit materiell wie folgt zulässig:
• Der aus der Umwandlungsbilanz ausgewiesene Aktivenüberschuss der GmbH müsste mindestens die gesetzliche Mindesteinlage auf das Kapital der Aktiengesellschaft decken. Andernfalls bedürfte es zwingend einer vorgängigen Stammkapital-Erhöhung bei der GmbH, weil sonst die Einlagen auf das Aktienkapital nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würden.
• Der Teilliberierung müssten alle Gesellschafter zustimmen.
• Aus den Belegen müsste eindeutig die Verpflichtung der Aktionäre hervorgehen, den noch ausstehenden Teilliberierungs-Betrag bedingungslos zu leisten, wenn der Verwaltungsrat dies verlange würde.
• Der Handelsregistereintrag müsste die Besonderheit dieses Vorgehens berücksichtigen und eine transparente Wiedergabe wie folgt gewährleisten: «Das Aktienkapital wird auf CHF 100'000, liberiert zu 50 %, festgelegt».
Die «Titel 5. – 8.» besprechen die Autoren kurz und verständlich. Sie äussern sich über all das, was hier zu sagen ist, aber doch so ausführlich und umfassend, dass alles kommentiert wird, was von Bedeutung ist.
Die Autoren haben einen Handkommentar geschrieben, der die anspruchsvollen Ziele, die sie sich selbst gesteckt haben, vollumfänglich erreicht. Ihre grosse praktische Erfahrung paart sich mit hoher fachlicher Kompetenz und diese haben sie mit Literatur und Materialien umfassend ergänzt. Sie haben ein Werk geschaffen, das auf anregende Art zur Qualitätsentwicklung beiträgt, einer «unité de doctrine» dient und auch die Wissenschaft einlädt, sich zum einen oder andern Thema zu äussern. Wer mit einem Handelsregisteramt zu tun hat, ist gut beraten, dieses Buch zu kaufen und damit zu arbeiten. Der Benutzer erweist sich einen guten Dienst und erleichtert gleichzeitig den Handelsregisterämtern ihre Arbeit.