Sofortkontakt zur Kanzlei
 

KMU-Magazin Nr. 6, Juni 2016 Gerichtsstands- und Schiedsklauseln in Verträgen

Unklare oder gar widersprüchliche Gerichtsstands- oder Schiedsklauseln führen in vielen Fällen zu einem Streit um die gerichtliche Zuständigkeit. Es lohnt sich daher, der Gerichtsstands- oder Schiedsklausel bei Vertragsabschluss gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Überblick.

Wer kennt es nicht: Nach langen Verhandlungenist das Geschäft unter Dach und Fach. Die Konditionen sind bis ins kleinste Detail festgelegt; eigentlich kann nichts mehr schiefgehen. Freude herrscht über den neu gewonnen Kunden oder die zukünftige, vielversprechende Zusammenarbeit. Jetzt nur noch schnell eine Gerichtsstands- oder Schiedsklausel einfügen und fertig ist das Vertragswerk.

Gerichtliche Zuständigkeit

In der Schweiz werden täglich tausende Verträge abgeschlossen. Die meisten davon werden problemlos erfüllt. Die ab und an auftauchenden, kleinen Ungereimtheiten können durch die Parteien einvernehmlich aus der Welt geschafft werden. Einzelne Verträge oder Vertragsverletzungen führen jedoch zu handfesten Streitigkeiten und die geprellte Partei überlegt sich rechtliche Schritte gegenden Vertragspartner. Erst jetzt kommt sie zum Vorschein, die Gerichtsstands- oder Schiedsklausel, auf die sich die Parteien am Ende eines langen Verhandlungsprozesses noch in aller Eile geeinigt haben. Unklare oder sogar widersprüchliche Gerichtsstands- oder Schiedsklauseln führen in vielen Fällen zu einem Streit um die gerichtliche Zuständigkeit. Insbesondere wenn sich die beklagte Partei einer gerichtlichen Auseinandersetzung möglichst lange entziehen möchte, kann alleine der Streit um die Zuständigkeit Jahre dauern. In der eigentlichen Sache ist bis dahin noch gar nichts entschieden. Es lohnt sich daher, der Gerichtsstands- oder Schiedsklausel bei Abschluss des Vertrags die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken und bei Unsicherheiten auf Fachwissen zurückzugreifen.

Zunächst haben sich die Vertragsparteien darüber zu verständigen, ob potenzielle Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht oder vor einem staatlichen Gericht ausgetragen werden sollen. Ein Schiedsgerichtist ein privater, von den Streitparteienselbst gewählter Spruchkörper. Daraus ergeben sich die Vorteile gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit: Schiedsgerichte tagen fernab jeder Öffentlichkeit, die Parteien können das eigentliche Schiedsverfahren ihren Bedürfnissen anpassen und durch die Wahl des Schiedsgerichts Personen mit spezifischen Fachkenntnissen einsetzen. Da ein Schiedsspruch nur sehr eingeschränkt angefochten werden kann, lassen sich die meisten Streitigkeiten innerhalb eines vernünftigen Zeitraumes definitiv beilegen. Zudemist durch das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung sowie Vollstreckungausländischer Schiedssprüche (NYÜ), dem über 150 Staaten angehören, auch die Vollstreckung des Schiedsspruchsim Ausland vereinfacht möglich. Die Schiedsgerichtsbarkeit hat jedoch nicht nur Vorteile. Im Gegensatz zu einem staatlichen Gericht kommt dem Schiedsgericht keine Staatsgewalt zu. Weigert sich ein Zeuge, vor einem Schiedsgericht auszusagen, kommt man nicht um die Hilfe staatlicher Gerichte herum. Auch die eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeiten wirken sich nicht nur positiv aus. Einzige Beschwerdeinstanz ist in der Regel das Bundesgericht, das die Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht nur in sehr engen Grenzen prüft. Das bedeutet, dass die Parteien gut beraten sind, die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter sorgfältig auszuwählen.

Schliesslich sind auch die Kosten für ein Schiedsverfahren nicht zu unterschätzen. Die Parteien haben für das ganze Schiedsverfahren vollumfänglich selbst aufzukommen. Neben dem der Parteivertreter haben sie auch das Honorar und die Auslagen des Schiedsgerichts sowie sämtliche Kosten für eine mündliche Verhandlung – von der Raummiete bis hin zum Honorar des Gerichtsschreibers – zu übernehmen. Dieser Nachteil wird jedoch regelmässig dadurch wettgemacht, dass ein Schiedsspruch nur sehr eingeschränkt angefochten werden kann und der normale Instanzenzug über zwei oder drei Gerichtsinstanzen entfällt.

Die Schiedsklausel

Entscheiden sich die Parteien des Vertrags für die Schiedsgerichtsbarkeit, verzichten sie auf die staatliche Gerichtsbarkeit. Die Schiedsvereinbarung ist deshalb nur schriftlich gültig. Dabei genügt es, wenn die Vereinbarung durch Text dargestellt werden kann, was den Abschluss durch elektronische Kommunikationsmittel wie E-Mail ermöglicht. Um im Streitfall Unklarheiten so weit als möglich zuvermeiden, sollte eine Schiedsklausel mindestens folgende Punkte aufweisen:

  • Den Willen der Parteien, Streitigkeiten einem Schiedsgericht vorzulegen: Hier geht es um den eigentlichen Schiedsvertrag, das heisst den Verzicht auf die staatliche Gerichtsbarkeit.
  • Den Sitz des Schiedsgerichts (zum Beispiel Zürich): Mit der Festlegung des Sitzes geben die Parteien einem möglichen Schiedsverfahren eine rechtliche Heimat. Wird ein Sitz ausserhalb der Schweiz gewählt, ist daher immer das Schiedsrecht des entsprechenden Staates zu konsultieren, um herauszufinden, wie zum Beispiel die Anfechtungsmöglichkeiten sind. Auf alle Fälle sollte sich der Sitz des Schiedsgerichts in einem Vertragsstaat des NYÜ befinden, damit der Schiedsspruch auch vollstreckt werden kann.
  • Die Anzahl Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter (in der Regel eine oder drei Personen): Ein Dreiergremium ist teurer, führt aber unter Umständen zu einem «besseren» Schiedsentscheid, da mehrere Personen mitwirken.
  • Die Sprache, in der das Verfahren geführt werden soll: Dies gilt insbesondere für Verträge, die über die Sprachgrenzen hinausgehen.
  • Die anwendbaren Schiedsregeln: Weltweit bieten zahlreiche Schiedsinstitutionen ihre Dienste zur Administration von Schiedsverfahren an, zum Beispiel der International Court of Commerce (ICC) in Paris oder der London Court of International Arbitration (LCIA).
  • In der Schweiz ist es die Swiss Chambers’Arbitration Institution, die von den Handelskammern Basel, Bern, Genf, Lausanne, Lugano, Neuenburgund Zürich gegründet wurde. Die Institutionen bieten den Schiedsparteien neben administrativer Hilfe auch ein verfahrensrechtliches Regelwerk (sogenannte Rules) zur Durchführung des Schiedsverfahrens. Obwohl die Parteien grundsätzlich frei in der Ausgestaltung des Schiedsverfahrens sind, helfen diese Regelwerke, das Verfahren zu konkretisieren. Zudem legen die Institutionen für die Honorare des Schiedsgerichts eine Bandbreite fest, die streitwertabhängig ist. Somit werden die Kosten für die Parteien vorhersehbar.

Die Gerichtsstandsklausel

Um Klarheit zu schaffen, empfiehlt es sich grundsätzlich, die Musterschiedsklausel der jeweiligen Institution zu übernehmen. Diese sind im Internet frei zugänglich. Sie enthalten sämtliche erforderlichen Angaben und können zusätzlich durch weitere, individuelle Vereinbarungen ergänzt werden. Wenn die Parteien die staatliche Gerichtsbarkeit der Schiedsgerichtsbarkeit vorziehen, lohnt sich derAbschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung, die den gleichen Formvorschriften wie die Schiedsvereinbarung unterliegt. Inhaltlich sollte aus einer Gerichtsstandsklausel Folgendes hervorgehen:

  • Der Wille der Parteien, Streitigkeiten ausschliesslich dem gewählten Gerichtsstand zu unterstellen: Auch hier geht es um den Kern der Gerichtsstandsvereinbarung, namentlich um den Verzicht aufden verfassungsrechtlich garantierten Wohnsitzgerichtsstand.
  • Die Wahl des Gerichtsstands: Bei der Wahl eines Gerichtsstands im Ausland ist vorher das Rechtssystem des Landeszu prüfen, damit es nicht zu unangenehmen Überraschungen kommt, zum Beispiel betreffend die Verfahrensdauer oder die Vollstreckbarkeit des Gerichtsentscheids.

Nicht notwendig sind dagegen Regelungen zum Verfahren oder zur Sprache. Diese ergeben sich aus dem Prozessrecht am Ort des Gerichtsstandes.

Ausnahmen

Das soeben Aufgeführte kann nicht auf Verträge mit Konsumentinnen und Konsumenten übertragen werden. Zum einen sind Streitigkeiten von Konsumenten in vielen Ländern der Schiedsgerichtsbarkeit entzogen; in der Schweiz ist die Frage umstritten. Zum anderen gelten für Konsumenten zwingende Gerichtsstände, von denen nicht mittels Gerichtsstandsvereinbarung abgewichen werden kann. Das Gleiche gilt auch für die Arbeits- sowie für die Mietverträge. In diesen Fällen ist immer für den konkreten Einzelfall zu prüfen, ob und inwiefern die Gerichtsstands- beziehungsweise die Schiedsvereinbarungen gültig abgeschlossen werden können.

Weitere Beiträge