Clinicum 6/17, Rechtliche Herausforderungen des Internet of Things (IoT) im Zusammenhang mit «mHealth» Digitalisierung und Health: Are you connected?
Das Gesundheitswesen ist im Umbruch und etablierte Akteure wie Ärzte, Spitäler, Versicherer und Pharmaunternehmen sehen sich seit Jahren mit stetig wachsenden Herausforderungen konfrontiert. Insbesondere vermehrter Wohlstand und der fortschreitende demografische Wandel haben zu einer Zunahme an chronischen Erkrankungen sowie dem erhöhten Risiko der Multimorbidität geführt und dadurch auch die Kosten des Gesundheitssektors massiv in die Höhe getrieben. So sind dessen Gesamtkosten zwischen 1996 und 2015 von rund 37.5 auf 77.8 Milliarden Schweizer Franken gestiegen. Gleichzeitig weist die Schweiz im Vergleich mit dem europäischen Ausland (Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Niederlande, Vereinigtes Königreich) mit einem Gesamtkostenanteil am Bruttoinlandsprodukt von nunmehr über 12 Prozent die höchsten Gesundheitsausgaben auf. Doch damit nicht genug. Denn neben diesen enormen Kostendruck treten nicht nur sukzessiv veränderte Erwartungen und Bedürfnisse von Kunden und Patienten, sondern vor allem auch die zunehmende Digitalisierung, wodurch bisherige Geschäftsmodelle grundlegend in Frage gestellt und damit die zukünftigen Spielregeln fundamental neu gefasst werden.
Die etablierten Akteure im Gesundheitswesen können deshalb nicht länger darauf vertrauen, mit traditionellen Erfolgsrezepten weiterhin am Markt zu bestehen. Vielmehr müssen sie in Zeiten der zunehmenden Vernetzung von Menschen mit Menschen und Menschen mit Things erkennen und verstehen, dass sich Kunden und Patienten mehr und mehr emanzipieren, indem das Internet, mobile Applikationen und Smart Wearables diese in die Position von Experten versetzen. Andererseits erfordert eine solche Entwicklung auch, etwaige Rechtsrisiken zu identifi zieren und diesen frühzeitig zu begegnen. Hierfür möchte der vorliegende Beitrag den entsprechenden Akteuren eine erste Hilfestellung bieten.
Keine Angst vor Digitalisierung
Auch wenn die Digitalisierung bisherige Geschäftsmodelle grundlegend in Frage stellt, so bietet diese dennoch enorme Chancen, insbesondere auch für bestehende Akteure im Gesundheitswesen, weil neue digitalen Technologien und progressiv vernetzte Geschäftsmodelle die Möglichkeit eröffnen, den jährlich steigenden Gesundheitsausgaben effektiv Einhalt gebieten zu können. Eines solchen Potenzials war sich schliesslich auch der Schweizerische Bundesrat bewusst, als er im Oktober 2017 entschied, die Anstrengungen zur Dämpfung der Kosten im Gesundheitswesen zu intensivieren. Doch was bedeutet Digitalisierung von «Health-care» in der Praxis?
«eHealth» + «mHealth» = «xHealth»!?
Überwiegend wird die zunehmende digitale Vernetzung von Akteuren im Gesundheitswesen als «eHealth» verstanden, so beispielsweise in Form des Bereitstellens von Informationen für Patienten oder Ärzte im Internet (z.B. Gesundheitsportale), durch den Austausch von Informationen zwischen Patient und Arzt ohne direkte und zeitnahe Reaktion des Kommunikationspartners (z.B. Diabetes-Tagebuch), mittels eines Transfers von Daten zwischen verschiedenen Akteuren zum Zwecke der Erfassung und Abwicklung von erbrachten medizinischen Leistungen (z.B. elektronisches Patientendossier) oder gar aufgrund einer Zusammenführung von Gesundheitsdaten eines Patienten mit dessen Daten aus medizinischen und paramedizinischen Bereichen (z.B. elektronische Gesundheitsakte).
Demgemäss handelt es sich bei «eHealth» um einen Oberbegriff, welcher den allgemeinen Digitalisierungsprozess des Gesundheitswesens beschreibt, wohingegen die Termini «mHealth» sowie «xHealth» lediglich unterbegriffliche besondere Aspekte davon betreffen. Insofern wird der zweitgenannte Begriff dem vorherrschenden Trend gerecht, dass mobile Geräte – insbesondere Smartphones – vermehrt mit Messgeräten und Sensoren versehen und als Quelle und Übermittler von Gesundheitsdaten eingesetzt werden.
«mHealth» («Mobile Health») beschreibt daher medizinische Verfahren sowie Massnahmen der Gesundheitsfür und -vorsorge, die durch Mobilgeräte wie Mobiltelefone, persönliche digitale Assistenten (PDA) und andere drahtlos angebundenen Geräte unterstützt werden. «xHealth» («Cross Health») meint schliesslich die Vereinigung aller digitalen Systeme, wobei allerdings eine solche nur allzu oft durch Interoperabilitätsprobleme erschwert wird.
Von der «ePatient»-Bewegung zu «eHealth»-Gesetzen
«eHealth» wurde und wird nach wie vor von den Patienten massgeblich vorangetrieben, welche sich mit Interesse und entsprechendem Engagement Zugang zu gesundheitlichen Informationen und Wissen verschaffen und dadurch zunehmend den Status von Gesundheitsexperten erlangen. Das wohl weltweit bekannteste Beispiel eines solchen emanzipatorischen Engagements ist der «ePatient» Dave, welcher die Meinung vertritt, dass der Patient die am meisten ungenutzte Informationsquelle im Therapieprozess darstellt und aus diesem Grund von den Ärzten dessen verstärkte Einbeziehung fordert («Let Patients Help»). Denn Dave deBronkart, 67, aus New Hampshire in den USA sollte eigentlich schon seit über 10 Jahren tot sein, als Ärzte bei ihm Anfang 2007 Nierenkrebs im Endstadium diagnostizierten und nur noch eine Lebenserwartung von maximal 24 Wochen prophezeiten.
Er überlebte nur deshalb, weil er unmittelbar nach der Diagnose im Internet über seine Krankheit schrieb und selbst recherchierte. Dadurch erfuhr er von Gleicherkrankten von einem neuen Therapieverfahren, welches ihm schliesslich das Leben rettete. Heute ist Dave ein wichtiger Teil der «ePatient»-Bewegung in den USA und zugleich bekannteste Verfechter einer offenen und gleichberechtigten Kommunikation zwischen Patient und Arzt.
Andererseits wird «eHealth» seit ein paar Jahren zunehmend auch von den nationalen Gesetzgebern forciert.
Insofern versucht Deutschland die Chancen der Digitalisierung für die Gesundheitsversorgung aktiv zu nutzen und eine schnellere Einführung medizinischer Anwendungen für die Patientinnen und Patienten zu ermöglichen, indem das «Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz)» erlassen wurde. Es enthält einen konkreten Fahrplan für die Einführung einer Telematik-Infrastruktur mit höchsten Sicherheitsstandards und stellt nicht zuletzt die Weichen für den Einstieg in die elektronische Patientenakte, mit der Patienten erstmals die Möglichkeit erhalten, selbst Daten aus z.B. Fitnesstrackern oder Wearables an den Arzt zu übermitteln.
Gleiches gilt schliesslich für die Schweiz, welche mit dem Start des Aktionsplans «Digitale Schweiz» bereits seit April 2016 die nachfolgende «Strategie eHealth Schweiz 2.0» für den Zeitraum 2018 bis 2022 erarbeitet. Mit dem neuen elektronischen Patientendossier können Patientinnen und Patienten fortan die wichtigsten gesundheitlichen Dokumente den entsprechenden Fachpersonen ort- und zeitunabhängig zur Verfügung stellen, wodurch diese aktiv an den Entscheidungen in Bezug auf ihr Gesundheitsverhalten und ihre Gesundheitsprobleme beteiligt und insofern in der eigenen Gesundheitskompetenz gestärkt werden.
Datenschutz ist Achillesverse der weiteren Entwicklung
Studien wie der «Swiss eHealth Barometer 2017» von gfs.bern belegen, dass von Seiten der Schweizer Bevölkerung eine hohe Bereitschaft und sogar der grosse Wunsch nach einem eigenen elektronische Patientendossier bestehen, wobei in diesem Zusammenhang mobile Applikationen eine wichtige Treiberrolle für die gesamte Entwicklung von «eHealth» in der Schweiz einnehmen. Allerdings machen die Umfragen unmissverständlich deutlich, dass dies nur für den Fall gilt, sofern der Datenschutz hinreichend gewährt wird. Und besonders im Bereich «mHealth» offenbaren sich dabei rechtliche Herausforderungen, die bis dato noch nicht abschliessend geklärt sind, weil ein koordiniertes Vorgehen in der Schweiz nach wie vor fehlt.
Denn möglicherweise könnte eine mobile Health-Anwendung als Medizinprodukt im Sinne des Heilmittelgesetzes (HMG) und der Medizinprodukteverordnung (MepV) qualifiziert werden. In einem solchen Fall wären an die App erhöhte rechtliche Anforderungen zu stellen. Viele App-Anbieter haben ihr Geschäftsmodell so aufgebaut, dass sie die App den Usern gratis zur Verfügung stellen und die von den Usern gesammelten Daten an Dritte verkaufen. Dies ist aus Sicht der Schweizerischen Datenschutzgesetzgebung problematisch, da die Weitergabe bzw. der Verkauf von Nutzerdaten eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen voraussetzt (Art. 12 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 13 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 5 DSG). Vor dem Hintergrund des Datenschutzes gilt es im Übrigen zu beachten, dass ab Mai 2018 in der Europäischen Union die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft tritt, welche weitreichende Datenschutzregelungen in ganz Europa statuiert und die ebenfalls Auswirkungen auf das gegenwärtig in Revision befi ndliche Schweizerische Datenschutzgesetz (DSG) hat.
Your Connection to «eHealth»
Die digitale Transformation wirkt im Gesundheitswesen disruptiv. Bisherige Geschäftsmodelle werden grundlegend in Frage gestellt. Gleichzeitig rücken Kunden und Patienten zunehmend in den Fokus und emanzipieren sich durch Internet, mobile Applikationen und Smart Wearables. Dabei biete diese Entwicklung enorme Chancen auch für bereits etablierte Akteure wie Ärzte, Spitäler, Versicherer und Pharma unternehmen. Andererseits dürfen in diesem Zusammenhang etwaige Rechtsrisiken nicht aus den Augen verloren werden.
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