Clinicum 3-17, Rechtsfragen aus der Gesundheitspraxis: Wo bei grossen Investitionen noch grössere Risiken lauern, ist Vorsicht am Platz Die Herausforderungen beim Spitalbau
Der Bau, Umbau und die Sanierung eines Spitals bringen viele Herausforderungen mit sich. Die Patientenbedürfnisse wollen ebenso befriedigt sein, wie diejenigen des Fach- und Pfl egepersonals. Trotz der jeweils langen Planungs- und Bauzeit muss das Spital bei seiner Fertigstellung den modernsten Anforderungen genügen. Das obwohl sich die Medizinaltechnik rasant entwickelt. Um all dies sicherzustellen bedarf es entsprechender, auf den Einzelfall ausgerichteter Verträge mit allen am Bau beteiligten Partnern.
Spitäler befi nden sich im Wandel. Gefragt ist heute patientenseitig nicht mehr nur eine gute medizinische Versorgung. Der Patient erwarte heute im Spital vielmehr alles, was er zu Hause oder in einem guten Hotel auch vorfi ndet.
Herausforderung Patient
Neben komfortabel gestalteten Zimmern wird eine entsprechende technische Umgebung wie zum Beispiel ein schnelles WLAN erwartet, das auf dem Spitalareal überall zugänglich ist. Datensicherheit und Diskretion sind eine Selbstverständlichkeit. Das Spital muss auch während der Bauzeit seine Leistungen für den Patienten massgeschneidert und ohne Wartezeiten erbringen können, weder die Bauarbeiten an sich noch deren Immissionen sollen für den Patienten wahrnehmbar sein. Diese Erwartungshaltung des Patienten – aber auch des Spitalpersonals – bringt hohe Anforderungen an alle mit sich, die an einem Neu- oder Umbau eines Spitals beteiligt sind. Die sich daraus ergebenden Regeln und Pflichten müssen von allem Anfang an vertraglich geregelt sein.
Herausforderung Betrieb
Wie Umfragen gezeigt haben, macht sich in den Spitälern zunehmender Kostendruck bemerkbar. Zusätzlich leiden Spitäler oft unter Fach- und Pflegekräftemangel. Diesen Schwierigkeiten muss zwecks Effizienzsteigerung unter anderem mit Standardisierungen begegnet werden. Um auf Veränderungen des Markts schnell reagieren zu können, ist zudem Flexibilität gefordert. Das sowohl betriebsintern also auch mit Blick auf die baulichen Strukturen. Bauarbeiten und die sich daraus ergebenden Einschränkungen wirken sich in diesem Umfeld meist negativ aus. Mittels entsprechender, vertraglich geregelter Prozesse lassen sich die negativen Auswirkungen des Baus auf den Betrieb beschränken, zuweilen gar ganz verhindern. Erforderlich ist aber, dass diese Prozesse von Anfang an geplant und vereinbart werden. Im Nachhinein ist das oft schwierig oder gar nicht mehr möglich.
Herausforderung Medizinaltechnik
Die Medizinaltechnik entwickelt sich schnell – angesichts der sich aus den verschiedenen Anforderungen sowie Bewilligungsprozessen ergebenden sehr langen Planungszeit oftmals zu schnell. Der Planungs- und Realisierungsprozess von Spitälern muss diesen Anforderungen gerecht werden. Flexibilität in der Nutzung von Räumlichkeiten ist beispielsweise genauso gefragt, wie die Möglichkeit, die Materialisierung aufgrund der veränderten Bedürfnissen und Anforderungen der Nutzer oder auch nur der «Mode» wegen anpassen zu können. Das Recht auf solche Anpassungen und somit das Recht auf Flexibilität muss vertraglich vereinbart sein. Andernfalls sind Anpassungen in der Regel zwar möglich, aber mit erheblichen Kostenfolgen verbunden.
Rechtliche Anforderungen
Das bisher Ausgeführte zeigt: der Bau von Spitalinfrastruktur hat den Nutzerbedürfnissen entsprechend, in hoher Qualität zu erfolgen. Spürbar sollten die Bauarbeiten für die Nutzer wenn immer möglich nicht sein. Der Bauprozess wie auch die sich daraus ergebende Infrastruktur müssen zudem hohen Ansprüchen an Flexibilität genügen. Auswirkungen auf die Kosten und Terminen sollen diese Anforderungen aber nicht mit sich bringen. Gefragt sind entsprechende Vertragsmodelle zwischen den am Bau beteiligten Partnern. Ein für alle Fälle zu empfehlenden Modell gibt es nicht. Es muss immer auf die konkreten Anforderungen und Bedürfnisse adaptiert sein. Diese sind beispielsweise anders, wenn der Eigentümer gleichzeitig Betreiber ist, als wenn sich diese in der Person unterscheiden. Solche «Drei-Parteien-Verhältnisse» dürften in Zukunft an Bedeutung gewinnen, ist doch aufgrund der demographischen Entwicklung damit zu rechnen, dass Spitalbauten auch zunehmend das Interesse professioneller Anleger wecken.
Das für ein Spitalbauprojekt verwendete Vertragswerk muss aber nicht nur den Bedürfnissen der am Spitalbau beteiligten Parteien gerecht werden, sondern auch den Anforderungen des Spitalbaus selber. Die klassischen Vertragsmodelle des Baus genügen hierfür meist nicht. Gefragt sind vielmehr neue, allenfalls auf den klassischen Modellen aufgebaute, individuelle Lösungen. Solche Lösungen haben sich insbesondere an den folgenden Grundüberlegungen zu orientieren:
Masterplanung
Der eigentlichen Bauplanung muss eine Masterplanung vorausgehen. Diese Masterplanung hat unter anderem auch die strategischen Zielsetzungen zu enthalten. So sollen beispielsw eise zukünftige Partnerschaften und Kooperationen definiert oder Ausrichtungen und Spezialisierung des Spitals festgelegt werden. Ausgehend hiervon werden die baulichen Anforderungen bestimmt. Weil die Masterplanung nicht nur den Einbezug der verschiedenen Nutzergruppen, sondern allenfalls auch der zukünftigen Planer bedingt, spielt die Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung eine wichtige Rolle. Sie ist mit den Involvierten vertraglich zu regeln. Zu bedenken ist zudem, dass am Masterplan Beteiligte unter Umständen an einem späteren Wettbewerbsverfahren oder einer öffentlichen Ausschreibung nicht mehr teilnehmen können. Sind solche Verfahren geplant bzw. erforderlich ist daher immer gut zu überlegen, wer in die Masterplanung miteingeschlossen werden soll.
Der Detaillierungsgrad der Ausschreibung
Das Angebot des Unternehmers erfolgt immer basierend auf der vom Bauherrn ausgeschriebenen Leistung. Je detaillierter der Bauherr ausschreibt, desto exakter kann der Unternehmer den Preis kalkulieren und desto grösser wird damit die Kostensicherheit des Bauherren. Im Gegenzug bedingt die detaillierte Ausschreibung selbstverständlich eine längere Planungsphase und schränkt den Bauherrn in seiner Flexibilität ein. Um den Planungsprozess abzukürzen, w erden Ausschreibungen heute auch funktional gestaltet. Kurz gesagt heisst das, dass nicht mehr die erwartete Leistung an sich, sondern nur noch die vorausgesetzte Funktion ausgeschrieben wird, die das Bauwerk zu erfüllen hat. Auf welchem Weg das vom Bauherrn damit gesetzte Ziel erreicht wird, bleibt dem Unternehmer überlassen. Obwohl sich daraus eine vermeintlich sehr einfache Aufgabenverteilung ergibt, dürfte die funktionale Ausschreibung für den Spitalbau eher ungeeignet sein. Zu wichtig ist die Erfüllung der spezifischen Nutzungsbedürfnisse. Dieses Ziel lässt sich nur mit entsprechender Planung, detaillierter Definition und damit Ausschreibung sowie stetiger Überprüfung während dem Planungs- und Ausführungsprozess erreichen.
Kosten- und Terminsicherheit versus Flexibilität
Zu den Hauptanliegen des Bauherrn bzw. des Betreibers zählen immer die Kosten- und die Terminverlässlichkeit eines Bauprojekts. Das ist bei einem Spitalbau nicht anders. Insbesondere beim Bauen unter laufendem Betrieb kommt der Einhaltung der vereinbarten Termine hohe Priorität zu. Das nicht nur aus Gründen der Patientenerwartungen – kein Patient lässt sich gerne in einem Spital behandeln, in dem gebaut wird – sondern auch aufgrund von organisatorischen Fragen, wie beispielsweise der Personalrekrutierung für eine neu geschaffene oder eine erweiterte Abteilung. Nicht weniger hohe Bedeutung kommt der Einhaltung des Baukostenbudgets zu. Wie eingangs erwähnt, werden die Margen für Spitaldienstleistungen immer kleiner. Eine massgebliche Überschreitung der budgetierten Kosten kann einen Spitalbetrieb daher nachhaltig belasten und seine Wettbewerbsfähigkeit einschränken. Das Bedürfnis, die maximalen Kosten eines Spitalbaus im Voraus zu bestimmen, ist daher gross. Fixe Kosten beinhalten in aller Regel aber auch fixe Leistungen. Sind die Leistungen aber im Voraus fix bestimmt, wird man das oben beschriebene Bedürfnis nach Flexibilität nicht erfüllen können. Auf der anderen Seite kann der Unternehmer einen Termin nur garantieren, wenn er von Anfang an weiss, welche Leistungen er bis dahin zu erbringen hat. Flexibilität bringt daher immer auch die Gefahr der Überschreitung der geplanten Termine mit sich. Aus den genannten Gründen ist Flexibilität im Spitalbau aber zwingend erforderlich. Es gilt daher vertragliche Regeln zu schaffen, die dem Bauherrn die benötigte Flexibilität erlauben, ihm aber auch immer klar die Konsequenzen bezüglich Kosten und Termine aufzeigen – bevor er eine Projektanpassung auslöst.
Die Krux mit den Schnittstellen
Ein technisch hochstehendes Bauwerk wie ein Spitalbau weist eine Unzahl von technischen Schnittstellen zwischen einzelnen Gewerken auf. Diese Schnittstellen wollen nicht nur geplant, sondern auch betreut sein. Und wenn es dann am Ende doch nicht ganz reibungslos funktioniert, soll sich einer hauptverantwortlich um die Mängelbehebung kümmern müssen. Das alles spricht für die Beauftragung eines Totalunternehmers, also einer Unternehmung, die sowohl für die Planung, die Realisierung als auch die Inbetriebsetzung verantwortlich ist. Nachteil? Wird nichts anderes speziell verabredet bzw. im Leistungsverzeichnis vereinbart, bestimmt der Totalunternehmer frei, mit welchen Unternehmen er welche Arbeiten ausführt. Auf die Qualität der einzelnen Komponenten bzw. der ausgeführten Arbeiten kann sich das genauso negativ auswirken wie in der Zusammenarbeit von alten und neuen Anlageteilen. Entscheidet man sich also für den Totalunternehmer sind entsprechende vertragliche Voraussetzung zu schaffen, um die Anliegen des Bauherrn sicherzustellen. Das gleiche gilt, wenn man sich als Bauherr zwecks Sicherung des Mitspracherechts bei der Ausführung bzw. zwecks planerischer Flexibilität für die direkte Beauftragung je eines Unternehmers pro Werk entscheidet. Das ist weder falsch noch schlecht, sofern die notwendige vertragliche Struktur geschaffen wird.
Fazit
Der Bau oder Umbau eines Spitals ist ein anspruchsvolles Vorhaben und nimmt viel Zeit in Anspruch. Möglichkeiten, die Planungszeit zu verkürzen bestehen, ob damit aber letztendlich die Anforderungen der Nutzer erfüllt werden können, ist fraglich. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Anforderungen der Patienten, der Leistungserbringer und der Medizinaltechnik stetig wandeln. Flexible Strukturen sind daher gefragt. Dem Anspruch auf Flexibilität stehen die Bedürfnisse nach Kosten- und Terminsicherheit konträr gegenüber. Trotz Flexibilität dürfen die Kosten und Termine nicht aus dem Ruder laufen. Letztlich bedingt die technische Komplexität eines Spitalbaus die Zuweisung klarer Verantwortlichkeiten. Mittels den heute bekannten «Standard-Verträgen» lassen sich die Bedürfnisse des Spitalbaus nicht erfüllen. Notwendig sind dafür auf die konkreten Anforderungen und Erwartungen des Bauherrn zugeschnittene individuelle Vertragswerke.