KMU-Magazin Nr. 9, September 2020 Whistleblowing - keine Klarheit für alle Beteiligten
Der Beitrag zeigt den aktuellen Stand sowie die Beweg- und Hintergründe der geplanten, jedoch im März 2020 zum wiederholten Mal gescheiterten Whistleblowing-Regelung auf. Ferner wird auf weitere für die Compliance im Arbeitsrecht relevante Themen hingewiesen.
Unter Whistleblowing wird das Offenlegen innerbetrieblicher Missstände durch einen Insider verstanden. Die Folge davon kann eine Reputationsschädigung der Institution/Organisation und/oder einzelner Personen sein. Die wohl bekanntesten Fälle von Whistleblowing der jüngeren Geschichte sind Chelsea Manning aus der U.S. Army und Edward Snowden von der NSA.
Keine Klarheit geschaffen
Das Whistleblowing zu regeln und Personen, die Gesetzesverstösse am Arbeitsplatz melden, zu schützen, war bereitsfrüh ein Anliegen. Allerdings scheiterten diverse Anläufe, dies zu regeln. So beispielsweisein den Jahren 2003, 2007,2015 und zuletzt im März 2020. Das im März 2020 gescheiterte Geschäft des Bundesrates «OR. Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz» war zwar im Dezember 2019 vom Ständeratgutgeheissen worden, wurde jedochim März vom Nationalrat mit der Begründung,der Entwurf führe zu mehr Rechtsunsicherheit, abgelehnt. Ziel des Entwurfes des Bundesrates war es zu verhindern, dass Gesetzesverstösse am Arbeitsplatz unter den Teppich gekehrt werden. Der Bundesrat wollte klare Verfahren und Regeln für das sogenannte Whistleblowing schaffen, damit Missstände tatsächlich an Vorgesetzte und Behörden gemeldet werden. In diesem Sinne wollte er im Detailregeln, wann eine Meldung an den Arbeitgeber,die Behörde oder die Öffentlichkeitzulässig ist und wann nicht. Wenn es nachdem Bundesrat gehen würde, wäre eine Meldung an eine Behörde oder die Öffentlichkeitin der Regel nur zulässig gewesen,wenn sie zuerst an den Arbeitgeber erfolgte. Bei Einhaltung dieser Kaskadewäre eine Meldung des Arbeitnehmenden im Einklang mit seiner Treuepflicht gewesen. Lediglich unter bestimmten Voraussetzungen wäre eine Meldung direkt beider zuständigen Behörde oder an die Öffentlichkeitdes Arbeitnehmenden zulässig gewesen und hätte somit keine Verletzung der Treuepflicht nach sich gezogen.
Der gescheiterte Entwurf des Bundes rates dürfte jedoch nicht vollständig in Vergessenheit geraten. Denn in einem Leitentscheid des Bundesgerichtes hielt dieses fest, dass bei Whistleblowern das sogenannte Kaskadenprinzip angewendet wird. Das heisst, der Arbeitnehmer muss, sofern zumutbar, die Missstände zuerst intern dem Arbeitgeber anzeigen, bevor er sich an die zuständige Behörde oder als letzte Massnahme an die Öffentlichkeit wendet. Dieses Vorgehen entspricht grosso modo dem gescheiterten Vorschlag des Bundesrates.
Die Rechtslage
Aufgrund des Scheiterns der diversen Gesetzesvorstösse besteht heute kein spezifischer gesetzlicher Schutz von Whistleblowern im Arbeitsrecht wie dies im eingangs erwähnten Gesetzesentwurf vorgesehen gewesen wäre. Es liegt somit an den Gerichten, im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Whistleblower korrekt gehandelt hat und ob eine allfällige daraus folgende Kündigung des Whistle blowers missbräuchlich ist oder nicht. Arbeitnehmer sind primär über die Vorschriften betreffend missbräuchliche Kündigung (Art. 336 OR) sowie allenfalls über den Schutz vor diskriminierender Kündigung gemäss Gleichstellungsgesetz geschützt. Grundsätzlich gilt für Arbeitnehmende die Meinungsäusserungsfreiheit. Arbeitnemende haben folglich ein Melderecht, das heisst das Recht, den Arbeitgeber auf Missstände hinzuweisen. Allerdings darf die Treuepflicht des Arbeitnehmenden nicht verletzt werden. Missbräuchliche Meldungen sind klar nicht erlaubt. Eine Meldepflicht gibt es mit Ausnahme von Meldungen betreffend Gesundheitsschutz nicht. Allerdings wird in der Lehre die Ansicht vertreten, dass wesentliche Missstände, welche den Arbeitgeber schädigen könnten, gemeldet werden müssen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass aufgrund des Fehlens einer klaren gesetzlichen Regelung die Rechtslage heute unklar ist. Da sämtliche Vorlagen zum Whistleblowing bisher scheiterten und demzufolge eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht, ist es umso wichtiger, wirksame interne Whistleblowing Prozesse festzulegen.
Regelungen und Vorkehrungen
Im Allgemeinen nimmt der Stellenwert von Compliance-Themen in Schweizer Unternehmen, jedoch auch weltweit, zu. Insbesondere die Bedeutung von Meldestellen bei der Aufdeckung von Compliance-Verstössen wurde in den letzten Jahren von vielen Unternehmen erkannt. Obwohl sich die Politik mit einer Regelung betreffend Whistleblowing schwertut, haben viele Unternehmen ein internes WhistleblowingSystem eingerichtet, was unseres Erachtens empfehlenswert ist.
Wie bereits erwähnt, ist es trotz des Scheiterns der diversen Gesetzesvorstösse für Unternehmen ratsam, ein Whistleblowing-System einzurichten. Aus juristischer Sicht obliegt dem Arbeitgeber eine allgemeine Sorgfaltspflicht. Er hat insbesondere die zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität notwendigen Massnahmen zu treffen. Allerdings sprechen nicht nur rechtliche Argumente für das Einrichten eines internen Whistleblowing-Systems. So kann ein solches System externes Whistleblowing und damit einhergehende Reputationsschäden verhindern und durch frühzeitige Risikoerkennung und das Aufdecken von Fehl verhalten die Qualität im Unternehmen sichern. Zudem wird Rechtssicherheit sowohl für die Arbeitnehmenden als auch für den Arbeitgeber geschaffen. Will ein Unternehmen ein internes Whistleblowing-System einrichten, ist es wichtig, ein internes Reglement zu erstellen, ein klares Verfahren für Meldungen festzulegen sowie eine geeignete Meldestelle (allenfalls extern) zu bezeichnen. Nicht zu vergessen ist die Unternehmenskultur. Mitarbeitende sollten detailliert über das interne Whistleblowing-System sowie über nicht tolerierte Verhaltensweisen aufgeklärt werden. Zudem sollten Massnahmen getroffen werden, um Whistleblower zu schützen. Wichtig ist für Arbeitgeber, das Whistleblowing nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu erkennen.
Compliance auf einen Blick
Datenschutz
Es gibt viele datenschutzrechtliche Vorgaben, die Arbeitgeber beachten müssen. Der Schutz der Persönlichkeit der Mitarbeitenden (inklusive Schutz vor sexueller Belästigung) sowie die Aufbewahrungspflichten von Daten der Mitarbeitenden sind nur zwei davon. Solche Fragen tauchen regelmässig im Zusammenhang mit dem Personaldossier auf.
Gesundheitsschutz
Der Arbeitgeber ist gemäss Arbeitsgesetz verpflichtet, die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen.
Gleichstellungsgesetz
Der Arbeitgeber muss die Bestimmungen des Gleichstellungsgesetzes einhalten. Das Gleichstellungsgesetz bezweckt die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau und regelt dementsprechend insbesondere die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder die Diskriminierung durch sexuelle Belästigung.
Arbeitszeiterfassung
Die Arbeitszeit der Mitarbeitenden ist in der Regel detailliert festzuhalten. Die Dauer wie auch die Lage der geleisteten täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit (inklusive der Ausgleichs und Überzeitarbeiten) sowie Pausen von einer halben Stunde und mehr müssen ersichtlich sein.