Neue Luzerner Zeitung, 11. März 2015 Stockwerkeigentum: Kann einer allein entscheiden?
STIMMRECHT Ich habe eine Wohnung in einem Drei-Familien-Haus gekauft. Die beiden anderen Wohnungen gehören einer anderen Person. Für ihre Gartenwohnung hat diese das ausschliesslicheBenutzungsrecht am ganzen Garten. Nun will sie dort einige Veränderungen vornehmen, für die ich mitbezahlen soll. Bei unseren STWE-Treffen macht sie mir unverhohlen klar, dass sie als Eigentümerin von zwei Wohnungen im Haus machen könne, was sie wolle. Im Reglement ist nichts Bestimmtes bezüglich Stimmrecht und Mehrheiten festgehalten. Muss ich alle ihre Entscheide akzeptieren und mitfinanzieren?
Ist im Reglement nichts Spezielles geregelt, so kann ein Stockwerkeigentümernie allein entscheiden. Ein gemeinschaftlicher Entscheid setztnämlich immer ein Mehr an Kopfstimmen voraus. Das Gesetz sieht vor, dass jedem Stockwerkeigentümer eine Kopfstimme zukommt – auch wenn einer mehrere Stockwerkeigentumseinheiten sein Eigentum nennt.
Gehören die drei Wohnungen also zwei Stockwerkeigentümern, so wird eine Stimme für und eine Stimme gegen die Veränderungen im Garten abgegeben. Die für die Veränderungen notwendige Mehrheit wird also nicht zu Standekommen, womit der Antrag auf die Veränderung abgelehnt ist. Ohne Ihre Zustimmung dürfte Ihre Nachbarin Veränderungen im Garten allerdings dann vornehmen, wenn ihr dieses Recht mit der Einräumung des ausschliesslichen Nutzungsrechts verliehen worden wäre. Das sogar gegen Ihren Willen, es sei denn, eine solche Veränderung würde Sie in der Nutzung Ihrer Wohnung übermässig beeinträchtigen.
Ist im Reglement aber hinsichtlich Veränderungen nichts Spezielles geregelt, so darf Ihre Miteigentümerin den in ihrem ausschliesslichen Nutzungsrecht stehenden Garten nur «nutzen», das heisst nicht verändern. Zur Nutzung gehört auch der ordentliche Unterhalt, das heisst, Ihre Nachbarin darf Pflanzen, welche eingegangen sind, durch gleiche, zumindest aber ähnliche Pflanzen ersetzen. Das äussere Erscheinungsbild des Gartens darf hierdurch aber nicht verändert werden. Weitergehende Rechte stehen Ihrer Nachbarin aus der Einräumung des ausschliesslichen Nutzungsrechts hingegen nicht zu – ausser ihr wäre dieses Recht durch das Reglement oder einen Beschluss der Gemeinschaft zugestanden worden.
Nicht mitfinanzieren
Weil Ihre Miteigentümerin den Garten nicht gegen Ihren Willen verändern darf, erübrigt sich auch die Frage, ob Sie die Veränderungen mitfinanzieren müssen. Auch an die Kosten des ordentlichen Unterhalts des Gartens müssen Sie nichts beitragen, denn ist nichts anderes geregelt, gehen die Kosten des ordentlichen Unterhalts zu Lasten desjenigen, der an einem Gebäude das ausschliessliche Nutzungsrecht innehat, vorliegend also zu Lasten Ihrer Miteigentümerin. Einzig die Kosten der Erneuerung von im ausschliesslichen Benutzungsrecht stehenden Gebäude- oder Grundstücksteilen gehen zu Lasten der Gemeinschaft. Solche Erneuerungen sind aber auch gemeinschaftlich, das heisst mit dem hierfür notwendigen Mehr zu beschliessen.
Aus dem Gesagten lässt sich der dem Stockwerkeigentum vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Gedanken erkennen: In allen wichtigen Fragen soll die Gemeinschaft entscheiden. Der Wille eines einzelnen Stockwerkeigentümers soll hinter den Entscheid der Gemeinschaft zurücktreten – unabhängig von den Miteigentumsverhältnissen. Dieser Grundsatz gilt, solange er durch das Reglement oder den Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft nicht verändert wird.