KMU-Magazin Nr. 10, Oktober 2017 Rechtliche Tücken bei Weiterbildungsvereinbarungen
Der Arbeitgeber bezahlt seinem Mitarbeiter eine teure Ausbildung, welche dieser bereits nach kurzer Zeit aufgrund der hohen zeitlichen Belastung am Arbeitsplatz sowie von familiären Verpflichtungen abbricht. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsteht ein Streit über die von der Ausbildungsstätte geforderten Kosten.
Heutzutage absolviert fast jeder Mitarbeiter im Laufe seiner Karriere eine oder mehrere berufliche Weiterbildungen, an deren Kosten sich die Arbeitgeber häufig zumindest teilweise beteiligen. Trotz der Bedeutung im Arbeitsalltag sind Weiterbildungsvereinbarungen beziehungsweise Rückzahlungsverpflichtungen gesetzlich kaum geregelt und klärende Bundesgerichtsentscheide fehlen über weite Strecken.
Weiterbildungsvereinbarungen
Um unnötige Konflikte zu vermeiden, sind klare vertragliche Abreden zwischen den Parteien wichtig. Dieser Beitrag zeigt, worauf bei Weiterbildungsvereinbarungen zu achten ist und welche Punkte in einer Weiterbildungsvereinbarung geregelt werden sollten.
Zulässigkeit von Rückzahlungsverpflichtungen
Ob mit dem Arbeitnehmer Rückzahlungsverpflichtungen für die vom Arbeitgeber übernommenen Aus- bzw. Weiterbildungskosten verabredet werden können, ist nicht so sehr davon abhängig, welche Partei die Aus- beziehungsweise Weiterbildung wünscht, sondern vielmehr davon, ob die entsprechende Aus- oder Weiterbildung dem Arbeitnehmer einen dauerhaften Vorteil auf dem Arbeitsmarkt bietet. Ist dies der Fall, sind gemäss Lehre und Rechtsprechung Rückzahlungsverpflichtungen für Ausbildungskosten mit dem Arbeitnehmer zulässig. Die Rückzahlungspflicht kann sowohl die eigentlichen Kurskosten wie auch den Lohn für die dafür aufgewendete Zeit umfassen. Da Rückzahlungsverpflichtungen die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers einschränken und diese Einschränkung nicht übermässig sein darf, sind die Rückzahlungsverpflichtungen zeitlich und betragsmässig zu limitieren.
Zeitliche Beschränkung von Rückzahlungsverpflichtungen
Wie lange ein Arbeitnehmer einer Rückzahlungsverpflichtung unterworfen werden darf, ist gesetzlich nicht geregelt und hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Das Bundesgericht hat sich bislang zur maximalen Dauer von Rückzahlungsvorbehalten nicht explizit geäussert. Ausgehend von der kantonalen Praxis empfehlen wir für privatrechtliche Anstellungsverhältnisse eine maximale Dauer von drei Jahren, wobei auch geregelt werden sollte, dass sich die Verpflichtungsdauer im Falle einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit auch entsprechend verlängert.
Betragsmässige Beschränkung von Rückzahlungsverpflichtungen
Nebst der zeitlichen Verpflichtungsdauer ist auch die Höhe des zurückzuzahlenden Betrages zu definieren. Gemäss der herrschenden Lehre ist eine Abrede, wonach der Arbeitnehmer bei Ausbildungsabbruch oder Nichtbestehen der Prüfung die vollen Kosten zurückzuerstatten hat, zulässig, dies zumindest dann, wenn der Arbeitgeber nicht für den Abbruch oder das Scheitern verantwortlich ist.
Ausgehend davon, dass bei Vollendung der Aus- oder Weiterbildung der Arbeitnehmer sein durch die Aus- oder Weiter-bildung erlangtes Wissen in das Unternehmen einbringt und somit das Unternehmen auch von der Aus- oder Weiterbildung des Arbeitnehmers profitiert, werden in der Praxis teilweise degressive Rückzahlungsvorbehalte gefordert. Wie jedoch bereits bei der zeitlichen Verpflichtungsdauer existieren auch bezüglich der betraglichen Staffelung von Rückzahlungsverpflichtungen keine gesetzlichen Vorgaben und keine einheitliche Rechtsprechung. Wir empfehlen hier jeweils im Einzelfall zu entscheiden und dabei nebst der Höhe der Ausbildungskosten auch zu berücksichtigen, in welchem Interesse die Ausbildung lag.
Wegfall von Rückzahlungsverpflichtungen bei einem begründeten Anlass?
Die Frage, ob Rückzahlungsverpflichtungen nicht anwendbar sind, wenn der Arbeitgeber dem Mitarbeiter begründeten Anlass zur Kündigung gegeben hat oder umgekehrt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis von sich aus beendet, ohne dass ihm der Mitarbeiter hierzu begründeten Anlass gegeben hat, ist ebenfalls umstritten. Das Bundesgericht hat diese Frage bis anhin nicht beantwortet, es existieren jedoch eine ganze Reihe von kantonalen Gerichtsentscheiden, welche diese Praxis bejahen. Gemäss der kantonalen Praxis trifft den Mitarbeiter keine Rückzahlungsverpflichtung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen auflöst. Gleich verhält es sich, wenn der Arbeitgeber begründeten Anlass für die Kündigung geboten hat, indem er beispielsweise schlechte Arbeitsbedingungen zu verantworten hat oder mögliche Versprechungen gegenüber dem Mitarbeiter nicht einlöst. In diesen Fällen fällt nach der kantonalen Rechtsprechung auch eine gültig vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung dahin.
Anspruch auf Gleichbehandlung
In der Schweiz gibt es nebst dem Gleichstellungsgesetz, welches eine Geschlechterdiskrimination verbietet, kein Gesetz, welches im Bereich des Zivilrechts einen über die Geschlechterdiskriminierung hinaus geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz aufstellt. Es existiert daher auch für den Bereich des Arbeitsrechts keine gesetzliche Pflicht zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer.
In der Lehre hat sich jedoch die Ansicht durchgesetzt, dass den Arbeitgeber bei Weisungen und freiwilligen Leistungen eine Pflicht zur Gleichbehandlung trifft. Diese Auffassung wird aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hergeleitet.
Die Gleichbehandlungspflicht bei freiwilligen Leistungen bedeutet, dass der Arbeitgeber einzelne Mitarbeiter nicht ohne sachlichen Grund benachteiligen darf, eine Besserstellung einzelner Mitarbeiter ist hingegen erlaubt.
In Bezug auf die freiwillige (Teil-)Finanzierung von Weiterbildungen hat dies zur Folge, dass einem einzelnen Mitarbeiter der Anspruch auf (Teil-)Finanzierung der Weiterbildung nicht verwehrt werden darf, wenn eine Übernahme der Kosten der Praxis des Unternehmens entspricht.
Ein klarer Anspruch auf die Finanzierung einer Fortbildung ist dann berechtigt, wenn deren Verweigerung eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt.
Fazit
Wegen der fehlenden gesetzlichen Regelungen und der uneinheitlichen Gerichtspraxis empfiehlt sich, eine möglichst umfassende vertragliche Regelung zwischen den Parteien in Bezug auf die Tragung der Ausbildungskosten und allfällige Modalitäten der Rückzahl zu treffen. Insbesondere sollten in einer Weiterbildungsvereinbarung die folgenden sieben Punkte geregelt sein:
› Art und Umfang der Ausbildung
› Art und Höhe der durch den Arbeitgeber übernommenen Kosten
› Umfang der Anrechnung an die Arbeitszeit
› Folgen bei Abbruch der Ausbildung / Nichtbestehen der Prüfung / Verzögerung des Ausbildungsabschlusses
› Zeitlicher Umfang der Rückzahlungsvereinbarung, allfällige Verlängerung infolge längerer Arbeitsunfähigkeit
› Staffelung des Betrags der Rückzahlungsvereinbarung
› Ereignisse, die zum Dahinfallen der Rückzahlungsvereinbarung führen
Da Streitigkeiten oft wegen unklarer Vereinbarungen entstehen, empfiehlt es sich, bei der Ausarbeitung der Vereinbarung einen Juristen beizuziehen.