krfacts, Ausgabe November 2018 Neue Verjährungsfristen
Die Verjährung von Forderungen ist ein zentrales Instrument einer Rechtsordnung. Sie sorgt für Rechtssicherheit und trägt gleichzeitig zum Rechtsfrieden bei. Verjährte Forderungen können gegen den Willen einer Partei nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden. Wann eine Forderung verjährt, ist gesetzlich geregelt. Diese Regelungenwurden vom Parlament seit 2014 mehrfach diskutiert und nun teilweise revidiert. Die geänderten Bestimmungen treten (voraus-sichtlich) am 01. Januar 2020 in Kraft; der Bundesrat hatdas Inkrafttreten noch festzulegen. Sie betreffen neben dem Obligationenrecht zahlreiche Spezialgesetze.
Das vorliegende krfacts gibt Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten Änderungendes Obligationenrechts. Die damit einhergehenden Änderungen von Spezialgesetzen werden nachfolgend nicht thematisiert.
Längere relative Verjährungsfrist für Forderungen aus unerlaubter Handlung und ungerechtfertigter Bereicherung
Grundsätzlich ist zwischen der relativen und absoluten Verjährungsfrist zu unterscheiden. Die relative Frist beginnt mit Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen. Sie beträgt für Forderungen aus unerlaubter Handlung oder ungerechtfertigter Bereicherung zurzeit ein Jahr, was generell als zu kurz empfundenwird. Das neue Recht sieht eine relative Verjährungsfristvon drei Jahren vor. Damit bleibt geschädigten Personen mehr Zeit, ihre Forderungendurchzusetzen. Im Gegensatz zur relativen Verjährungsfrist beginnt die absolute Verjährungsfrist bereits mit dem schädigenden Verhalten bzw. deren Ende. Sie wird durch die Gesetzesrevision unverändert bei zehn Jahren bleiben.
Spezielle Regelung für Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen bei Körperverletzung oder Tötung eines Menschen
Im Zuge der Diskussion um Personen mit Spätschäden, insbesondere Asbestopfern, die regelmässig erst erkranken, wenn die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren bereits verstrichen ist, wird neu eine Sonderbestimmungeingeführt. Demnach beträgt die absolute Verjährungsfrist 20 Jahre. Die relative Frist ist analog zur allgemeinen Regelung neu drei Jahre.
Keine Hinderung der Verjährung, wenn die gerichtliche Durchsetzung der Forderung in der Schweiz objektiv unmöglich ist
Nach heutigem Recht beginntdie Verjährung von Forderungen nicht, bzw. sie steht still, wenn der Gläubiger seine Forderung aus objektiven Gründen vor keinem Schweizer Gericht gelten machen kann. Neu wird diese seit 1912 geltende Regelung an die internationale Verflechtung der Schweiz angepasst. Zukünftig tritt die Verjährung nur dann nicht ein, wenn aus objektiven Gründen kein Gericht, d.h. auch kein ausländisches Gericht, angerufen werden kann.
Stillstand der Verjährung während Vergleichsgesprächen
Voraussichtlich ab 01. Januar 2020 wird es möglich sein, dass Parteien von Vergleichsgesprächen den Stillstand der Verjährung während der Verhandlungsdauer vereinbaren können. Damit kann der Eintritt der Verjährung hinausgeschoben werden, ohne dass der Gläubiger die Verjährung formell, in der Regel mittels Schuldbetreibung, unterbrechen muss.
Präzisierung der Voraussetzungen des Verjährungseinredeverzichts
Gemäss geltendem Gesetzestext kann auf die Verjährung nicht zum Voraus verzichtet werden. In einem Leitentscheid aus dem Jahr 2006 präzisierte das Bundesgericht diese Bestimmungdahingehend, dass der Schuldner zwar nicht vor Vertragsschluss aber nachher auf die Verjährungseinrede verzichten kann. Der neue Gesetzestext berücksichtigt diese Rechtsprechung und präzisiert, dass ein Verjährungseinredeverzicht ab Beginn der Verjährung für höchstens zehn Jahre möglich ist. Ein solcher Verjährungseinredeverzicht hat schriftlich zu erfolgen.
Was gilt für Forderungen, die vor dem Inkrafttreten der neuen Regelungentstanden sind?
Bei jeder Gesetzesänderung ist klarzustellen, ab wann die neuen Regelungen gelten. Dies ist besonders wichtig, wenn die Regelungen Fristen betreffen, die bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung zu laufen begonnen haben. Was gilt also betreffend Verjährung, wenn die Verjährungsfrist schon vor dem 01. Januar 2020 (voraussichtlich) begonnen hat? Das neue Recht sieht vor, dass in diesem Fall die neuen Fristen gelten, wenn sie länger sind als das bisherige Recht und die Verjährung nicht schon eingetreten ist. Konkret verlängert sich dadurch beispielsweise die relative Verjährungsfrist von Forderungen aus unerlaubter Handlung von einem auf drei Jahre, wenn die Jahresfrist bis zum 01. Januar 2020 nicht bereits verstrichen ist. Ist aber die Verjährung am 01. Januar 2020 bereits eingetreten, so ändert sich daran mit Inkrafttreten der neuen Regelung nichts. Die Forderung bleibt verjährt.
Andere Gesetzesänderungen, die nicht die Fristen betreffen,wie z.B. die Voraussetzungen eines Verjährungseinredeverzichts oder die Möglichkeit, die Verjährung während Vergleichsverhandlungen stillstehen zu lassen, gelten erst ab dem 01. Januar 2020 (voraussichtlich). So bleiben nach geltendem Recht wirksame Verzichtserklärungen weiterhin gültig.
Fragen rund um die Verjährung sind sehr technisch. Für juristische Laien ist es oft schwierig für einen konkreten Fall die gesuchte Antwort im Gesetz zu finden. Wir helfen Ihnen daher gerne weiter, falls Sie Fragen zum Thema Verjährung haben.