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KMU-Magazin Nr. 12, Dezember 2013 Methoden der Konfliktbewältigung bei Vertragsstreitigkeiten

Ob man einen Konflikt durch Verhandlung, Mediation, durch Anrufung eines staatlichen Gerichts oder eines Schiedsgerichts beilegt, liegt bei vertraglichen Streitigkeiten meist in der Hand der Parteien. Von den Gestaltungsmöglichkeiten, welche die Parteien bei der Streitbeilegung hätten, wird jedoch wenig Gebrauch gemacht.

Wie bereits im Titel erkennbar, behandelt vorliegender Fachartikel die Konfliktregelungsmöglichkeiten bei Vertragsstreitigkeiten. Ob es sich hierbei um einen Kaufvertrag, einen Werkvertrag, einen Auftrag oder eine andere Vertragsart handelt, ist grundsätzlich irrelevant, denn mit ein paar wenigen Ausnahmen sind die meisten Vertragsarten einer Konfliktregelung durch die Parteien zugänglich.

Die Gerichtsstandklausel

Eine Vereinbarung bezüglich des Streiterledigungsmechanismus nennt man in der Juristensprache «Gerichtsstandklausel». Mittels einer Gerichtsstandklausel kann in der Regel nicht nur der Streitbeilegungsmechanismus, sondern auch der Konfliktaustragungsort bestimmt werden. Idealerweise einigen sich die Parteien über eine Gerichtsstandklausel bereits bei Abschluss des Vertrags. Möglich, aber meist unrealistisch, ist es auch, dass sich die Parteien erst nach Ausbruch der Streitigkeit auf einen Streitbeilegungsmechanismus einigen.

Soll eine Gerichtsstandklausel in dasVertragsdokument aufgenommen werden, so ist zu entscheiden, ob man vor Anrufung einer Gerichtsinstanz einen aussergerichtlichen Schlichtungsmechanismus vorsehen möchte. Die Parteien können z.B. eine Zeitdauer vereinbaren, während der sie nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, den Streit durch Verhandlung beizulegen. Empfehlenswert ist es, bei solchen aussergerichtlichen Schlichtungsversuchen eine neutrale Drittperson, einen sog. Mediator beizuziehen, der den Parteien bei der Konfliktlösung behilflich ist.

Die Mediation

Bei der Mediation handelt es sich um einen aussergerichtlichen Schlichtungsmechanismus. In einer Mediation werden Interessensgegensätze aufgearbeitet und einvernehmliche, nachhaltig tragfähige Lösungen gesucht. Eine Mediation läuft meist folgendermassen ab: Der von den Parteien gewählte Mediator lädt die Konfliktparteien zu Sitzungen vor. In der Regel werden an den Sitzungen als Erstes Informationen zum Konflikt gesammelt, anschliessend werden die Bedürfnisse und Interessen der Parteien geklärt und gemeinsame Lösungsoptionen verhandelt. Kommt eine Einigung zwischen den Parteien zustande, so wird eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet, womit der Streit beigelegt wird. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so wird das Mediationsverfahren ohne Vereinba›rung beendet. Den Parteien steht es sodann frei, ihren Konflikt vor einem Gericht auszutragen.

Vorteil der Mediation ist, dass die Streitparteien zukunftsgerichtete Win-win-Konfliktlösungen erarbeiten können, welche es ihnen ermöglichen, nach Beilegung des Konflikts weiterhin zusammenzuarbeiten. Dies im Unterschied zum Gerichtsverfahren; ein solches ist stets an der Vergangenheit ausgerichtet und endet in einem Urteilsspruch, welcher die Positionen der Parteien in Bezug auf konkrete Streitpunkte in Recht und Unrecht einteilt. Anders als bei der Erarbeitung einer Konfliktlösung durch Mediationist es dem Richter bei der Urteilsfällung beispielsweise nicht möglich, Gesichtspunkte, welche ausserhalb der konkreten Streitpunkte liegen, in die Urteilsfindung miteinzubeziehen. Ein Entgegenkommen einer Streitpartei in einer anderen als der strittigen Angelegenheit kann der Richter somit nicht in seine Urteilsfällung miteinbeziehen.

Da während des Gerichtsprozesses jede Partei darauf bedacht ist, ihre Position möglichst günstig darzustellen und den «Gegner» in ein schlechtes Licht zu rücken, verhärten sich die Fronten während eines Verfahrensprozesses regelmässig. An eine Zusammenarbeit zwischen den Streitparteien nach Urteilsverkündung ist meist nicht mehr zu denken. Mediation ist daher zumindest dann einen Versuch wert, wenn die Zusammenarbeit zwischen den Parteien vor Ausbruch der Streitigkeit gewinnbringend war und dies – bei weiterer Zusammenarbeit – auch in Zukunft sein könnte.

Das Gerichtsverfahren

Selbstverständlich gibt es auch Konflikte, die mittels Mediation nicht beigelegt werden können. Den Parteien bleibt sodann nur das Gerichtsverfahren. Auch hier gibt es jedoch Gestaltungsspielraum. Die Parteien haben insbesondere die Wahl, ob sie ihren Konflikt vor einem staatlichen Gericht austragen, oder ob sie hierfür ein Schiedsgericht beiziehen.

Beim staatlichen Zivilprozess handelt es sich um ein institutionalisiertes Verfahren, in welchem vom Staat eingesetzte Richter auf Verlangen einer Partei Streitigkeiten entscheiden. Möchte beispielsweise die Müller AG mit Sitz in Genf ihre Ansprüche aus einem Kaufvertrag mit der Meier AG mit Sitz in Zürich durchsetzen, so stellt ihr der Staat ein Gerichtssystem sowie anwendbare Verfahrensregeln zur Verfügung, mittels welchem die Müller AG ein Urteil über den Streitgegenstand erwirken kann. Diese staatliche Konfliktbeseitigung steht den Parteien immer offen, d.h. es braucht diesbezüglich keine explizite Vereinbarung zwischen den Parteien.

Schiedsgerichtsbarkeit liegt vor, wenn die Parteien ihren Rechtsstreit nicht vor einem staatlichen Gericht, sondern vor einem auf Vereinbarung zwischen den Parteien beruhenden «privaten» Gericht nach den von ihnen gewählten Verfahrensregeln (bspw. die Swiss Rules, welche von den Schweizer Handelskammern zur Verfügung gestellt werden) und von ihnen ausgesuchten Richtern austragen. Ein Schiedsgericht entscheidet mit derselben Verbindlichkeit wie ein staatliches Gericht. Damit die Müller AG ihren Anspruch aus dem Kaufvertrag gegen die Meier AG vor einem Schiedsgericht durchsetzen kann, bedarf es jedoch einer speziellen Gerichtsstandvereinbarung, einer sog. «Schiedsklausel». In einer Schiedsklausel werden die Verfahrensregeln, der Sitz des Schiedsgerichts, d.h. der Ort, an dem die Streitigkeit ausgetragen werden soll, die Anzahl Richter sowie die Verfahrenssprache festgelegt.

Für und wider Schiedsverfahren

Wägt man die Vor- und Nachteile eines Schiedsverfahrens gegenüber einem staatlichen Verfahren ab, so zeigt sich, dass Schiedsverfahren aufgrund der flexiblen Verfahrensausgestaltung insbesondere Vorteile bei internationalen Gegebenheiten aufweisen. Negativ ins Gewicht fallen die Kosten der Schiedsgerichtsbarkeit.

Internationale Streitigkeiten

Bei internationalen Gegebenheiten ist eine Schiedsvereinbarung von Vorteil, weil damit Heimvorteile einer Partei verhindert, sprachliche Barrieren wegbedungen und ein allfällig nicht oder nursehr träge funktionierendes Gerichtssystemeines Landes umgangen werden können. Zur Veranschaulichung: Schliesst ein deutscher Lieferant einen Vertrag miteinem italienischen Unternehmen und nimmt keine Gerichtsstandklausel respektive Schiedsklausel in den Vertrag auf, so hat der deutsche Lieferant den italienischen Unternehmer in Italien einzuklagen, sofern dieser die Lieferung nicht vereinbarungsgemäss bezahlt. Angesichts des Zustandes der italienischen Justiz kann ein solches Verfahren Jahre dauern und sehr kostenintensiv sein. Zum Nachteil des deutschen Lieferanten wird das Verfahren in einer Sprache, die er nicht versteht, und nach einer Rechtsordnung, die er nicht kennt, abgehalten werden. Allein diese prozessualen Hürden werden ihn vielleicht davon abhalten, seinen Anspruch überhaupt gerichtlich durchzusetzen.

Mittels einer Schiedsklausel können solche Hürden bei internationalen Streitigkeiten abgebaut werden. Im vorliegenden Fall hätten die Parteien beispielsweise vereinbaren können, dass allfällige Streitigkeiten aus dem Liefervertrag von einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz nach Schweizer Recht, in englischer Sprache ausgetragen werden sollen. Sodann hätte keine Partei einen Heimvorteil, die sprachliche Barriere wäre weg und ein gut funktionierendes Gericht würde sich um die Ansprüche kümmern.

Vertraulichkeit

Im Gegenteil zum Schiedsverfahren ist der staatliche Zivilprozess grundsätzlich öffentlich, d.h. es steht jedermann frei, der Verhandlung beizuwohnen. Schiedsverfahren sind nicht öffentlich, eine Beiwohnung von Drittpersonen ist nur mitdem Einverständnis der Parteien möglich. Die Aufnahme einer Schiedsklausel in das Vertragsdokument macht daher Sinn, wenn die Öffentlichkeit nicht über den Vertragsinhalt und allfällig damit im Zusammenhang stehende Streitigkeiten informiert werden soll.

Verfahrensdauer

Im Vergleich zu staatlichen Prozessen werden Schiedsverfahren in der Regel zügiger durchgeführt. Gewisse Schiedsorganisationen stellen beschleunigte Verfahren zur Verfügung, wonach das Urteil innerhalb von sechs Monaten vorliegen soll. Schiedsurteile sind sodann grundsätzlich endgültig, d.h. sie können nicht an ein oberes Gericht weitergezogen werden. Bei Urteilen von staatlichen Gerichten ist dies anders. In der Schweiz beispielsweise kann ein Urteil einer unteren kantonalen Instanz an die obere kantonale Instanz und sodann an das Bundesgericht weitergezogen werden. Dadurch wird zwar die Gefahr von Fehlurteilen verringert, jedoch auch die Verfahrensdauer erheblich verlängert. Staatliche Verfahren, welche mehrere Jahre dauern, sind inzwischen leider auch in der Schweiz keine Seltenheit mehr.

Kosten

Bedeutender Nachteil von Schiedsverfahrensind sicherlich deren Kosten. Als Vergleich: Die Kosten eines Schiedsgerichts betragen bei einem Streitwert von 1 Million CHF bei einem Schiedsverfahren nach den Swiss Rules 64 500 CHF bis 214 500 CHF (Gericht mit Dreierbesetzung), bei einemStreitwert von 50 000 CHF zwischen 65 000 CHF und 10 500 CHF (Gericht mit Einerbesetzung). Die Kosten eines staatlichen Zivilprozesses sind um einiges geringer. Bei einem Streitwert von 1 Million CHF betragen die Gerichtskosten beispielsweise vor den Luzerner Gerichten inder Regel maximal 40 000 CHF, bei einem Streitwert von 50 000 CHF in der Regel maximal 5000 CHF.

Fazit

Interessengegensätze und Auseinandersetzungen prägen das Wirtschaftsleben. Welche Methode die geeignetste respektive die zielführendste zur Konfliktbeseitigung ist, hängt massgeblich von den spezifischen Umständen des Konfliktes ab. Soll der Lieferant weiterhin Lieferant bleiben, ist es wohl ratsam, die Konfliktbewältigung über die Mediation zu suchen. Stammt die Vertragspartei aus einem Land mit einem total fremden oder nur schlecht funktionierenden Justizsystem, macht allenfalls die Aufnahme einer Schiedsklausel in den Vertrag Sinn.

Die Parteien tun jedenfalls gut, sich bereits bei Vertragsabschluss zur Wahl des geeigneten Streitbeilegungsmechanismus Gedanken zu machen und diesen in einer Gerichtsstandklausel respektive in Form einer Schiedsklausel im Vertragsdokument festzuhalten.

Beitrag veröffentlicht am
29. November 2013

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