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KMU-Magazin Nr. 11/12, November/Dezember 2018 Konventionalstrafen im Arbeitsvertrag überprüfen

In einem neuen Entscheid hat das Bundesgericht zur Zulässigkeit von Konventionalstrafen im Arbeitsrecht Stellung bezogen. Hier insbesondere, wie es sich bei der Verletzung von anderen arbeitsvertraglichen Pflichten mit einer vereinbarten Konventionalstrafe verhält.

Im Arbeitsrecht ist die Verbindung einer Konventionalstrafe mit einem nachvertraglichen Konkurrenzverbot ein häufig anzutreffender Fall. Wie es sich bei der Verletzung von anderen arbeitsvertraglichen Pflichten mit einer vereinbarten Konventionalstrafe verhält, war teilweise unklar. In einem neulich ergangenen Entscheid konnte das Bundesgericht zu dieser Frage Stellung nehmen. Das Gericht hielt fest, dass, sofern die Konventionalstrafe auf den Ausgleich vermögensrechtlicher Nachteile des Arbeitgebers ausgerichtet ist und darüber hinaus die Arbeitnehmerhaftung gemäss Art. 321e OR verschärft, die Konventionalstrafe nichtig ist. Zulässig bleiben Konventionalstrafen bei Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten, die als Disziplinarmassnahmen ausgestaltet sind. Diese Disziplinarmassnahmen müssen die zu sanktionierende Verhaltensweise und die daran angeknüpfte Sanktion umschreiben sowie verhältnismässig sein. Hat dieser Entscheid allenfalls Auswirkungen auf die mit einer Konventionalstrafe verbundenen nachvertraglichen Konkurrenzverbote?

Der Sachverhalt

Eine Ärztin wurde als geschäftsführende Ärztin in einer Arztpraxis angestellt. Unter dem Titel «Konventionalstrafe» wurde Folgendes vereinbart: «Bei Zuwiderhandlungen gegen diesen Vertrag, insbesondere gegen das Konkurrenzverbot oder die Geheimhaltungspflicht, schuldet die Arbeitnehmerin eine Konventionalstrafe von je 50 000 CHF pro Verstoss. Die Bezahlung der Konventionalstrafe befreit die Arbeitnehmerin nicht von der weiteren Einhaltung des Vertrages, insbesondere des Konkurrenzverbots, der Geheimhaltungspflicht oder des Verbots der Abwerbung. In jedem Fall, auch bei Bezahlung der Konventionalstrafe, kann die Arbeitgeberin die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes sowie den Ersatz weiteren Schadens verlangen.» Infolge Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten (Aufnahme einer Nebentätigkeit als Belegärztin ohne Zustimmung der Arbeitgeberin, Verweigerung der Rückgabe d er ZSR-Nummer) hat die Arztpraxis die Konventionalstrafe geltend gemacht. Nachdem die erste Instanz die Klage abwies und die zweite Instanz die Klage teilweise guthiess, erhoben beide Parteien Beschwerde ans Bundesgericht.

Konventionalstrafe bei Vertragsverletzungen

Die Haftung des Arbeitnehmers ist in Art. 321e OR geregelt und darf nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgeändert werden (Art. 362 OR). Eine Konventionalstrafe, die den beim Arbeitgeber eingetretenen Schaden ersetzen soll (sog. Ersatzcharakter einer Konventionalstrafe), zielt somit auf die Schadenersatzpflicht des Arbeitnehmers ab, welche im Arbeitsrecht aufgrund der Bestimmung zur Haftung des Arbeitnehmers beurteilt werden muss. Somit sind sämtliche Konventionalstrafen, welche bei einer Vertragsverletzung zu Lasten des Arbeitnehmers vereinbart worden sind und einen Ersatzcharakter aufweisen, auf die Vereinbarkeit mit der Arbeitnehmerhaftung zu überprüfen. Bewirkt die Konventionalstrafe, dass das Haftungskonzept gemäss Art. 321e OR zuungunsten des Arbeitnehmers abgeändert wird, ist die vereinbarte Konventionalstrafe nichtig. Die Arbeitnehmerhaftung ist unter anderem verschuldensabhängig ausgestaltet. Das Bundesgericht legte den Vertrag nach dem Vertrauensprinzip aus und sah in der Formulierung «Ersatz weiteren Schadens» einen Hinweis, dass die Konventionalstrafe somit (zumindest teilweise) Ersatzcharakter aufweise. Da die Konventionalstrafe unabhängig vom Verschulden der Ärztin und zudem unabhängig vom Vorliegen eines Schadens vereinbart war, lag eine Verschärfung der Arbeitnehmerhaftung in zweierlei Hinsicht vor. Die Konventionalstrafe war somit nichtig.

Konventionalstrafe als Disziplinarmassnahme

Eine Konventionalstrafe kann zulässig sein, sofern es sich dabei um eine Disziplinarmassnahme handelt. Die infrage stehende Klausel prüfte das Bundesgericht dahingehend. Bei der Prüfung bezog sich das Bundesgericht auf das Arbeitsgesetz (Art. 38 ArG). Diese Bestimmung verlangt, dass Ordnungsstrafen in einer Betriebsordnung angemessen geregelt werden. Damit auch Ordnungsstrafen beziehungsweise Disziplinarmassnahmen in einem Arbeitsvertrag gültig vereinbart sind, muss die Höhe der Strafe bestimmt und verhältnismässig sein. Zudem sind alle unter Strafe gestellten Tatbestände sowie die Sanktion klar zu umschreiben. Nicht von Bedeutung war, dass die geschäftsführende Ärztin dem persönlichen Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes nicht unterstellt war. Sie galt als höhere leitende Angestellte (Art. 3 lit. d ArG). Auch bei leitenden Angestellten sind diese Grundsätze einzuhalten. Im Ergebnis hielt die infrage stehende Klausel diesen Anforderungen nicht stand. Weder waren die Tatbestände hinreichend klar umschrieben, noch waren die daran anknüpfenden Massnahmen verhältnismässig, da die Konventionalstrafe immer in der gleichen Höhe, d. h. unabhängig von der Art und Schwere der Verletzung, geschuldet gewesen wäre.

Zulässige Konventionalstrafen

Besteht der Anschein, dass eine Konventionalstrafe bei Vertragsverletzungen auch den beim Arbeitgeber entstandenen Schaden abgelten soll, liegt teilweise ein Ersatzcharakter vor. Ob ein Ersatzcharakter vorliegt, wird in den meisten Fällen erst dann klar sein, wenn die Vertragsverletzung begangen worden und der Schaden eingetreten ist. Das Gericht wird retrospektiv prüfen, ob eine Verschärfung der gesetzlichen Arbeitnehmerhaftung vereinbart worden ist. Verschärft die vereinbarte Bestimmung die Haftung des Arbeitnehmers, ist sie nichtig. Entspricht die Klausel auch nicht den Anforderungen an eine Disziplinarmassnahme, entfällt die Möglichkeit des Arbeitgebers, sich erfolgreich auf die Bestimmung zu berufen und eine Konventionalstrafe geltend zu machen. Mit Blick auf die üblichen Formulierungen wird der fehlende Hinweis auf ein Verschulden bei Konventionalstrafen, welche bei einer Vertragsverletzung geschuldet sind, dazu führen, dass die entsprechende Klausel nichtig wird. Allenfalls ist sie zulässig, wenn sie als Disziplinarmassnahme qualifiziert wird. Daher sind insbesondere bei Konventionalstrafen, welche Vertragsverletzungen sanktionieren wollen, die Grundsätze für das gültige Vereinbaren von Disziplinarmassnahmen dringend zu beachten.

Auswirkungen auf Konventionalstrafe bei nachvertraglichem Konkurrenzverbot

Die Konventionalstrafe bei einem nachvertraglichen Konkurrenzverbot ist explizit im Gesetz erwähnt (Art. 340 ff. OR). Zudem besteht bei einem übermässigen Verbot die Möglichkeit des Richters, dieses unter Würdigung aller Umstände nach seinem Ermessen einzuschränken, d. h. es besteht nicht die Gefahr, dass dieses vollumfänglich dahinfällt. Und zudem wird eine nachträgliche Konkurrenzierung mit grosser Wahrscheinlichkeit vorsätzlich begangen, insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer vor Ausscheiden aus dem Betrieb explizit darauf hingewiesen wurde.

Fazit

Konventionalstrafen bei Verletzung des Verbots einer nachvertraglichen Konkurrenzierung sind von Konventionalstrafen bei Verletzung von (weiteren) arbeitsvertraglichen Pflichten zu trennen. Und Konventionalstrafen bei Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten

  • müssen den Anforderungen an Disziplinarmassnahmen standhalten, insbesondere sind die verpönten Handlungen und die daran anknüpfende Sanktion klar zu umschreiben. Die Disziplinarmassnahme muss dabei angemessen sein.
  • dürfen nicht zu einer Verschärfung der Arbeitnehmerhaftung führen.

Beitrag veröffentlicht am
14. Dezember 2018

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