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krfacts Ausgabe Mai 2015 Berücksichtigt Ihr Testament die neue Europäische Erbrechtsverordnung?

Grenzüberschreitende Erbfälle

Seit Einführung der Personenfreizügigkeit steigt die Anzahl von Personen, die ausserhalb ihres Heimatlandes wohnen und arbeiten oder Vermögenswerte wie Immobilien, Bankkonti oder Beteiligungen besitzen. Dies gilt sowohl für die Schweiz wie auch für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Staatsangehörigkeit, der Lebensmittelpunkt und der Ort, wo sich unsere Vermögenswerte befinden, verteilen sich oft auf mehrere Länder. Falls im Erbfall solche Anknüpfungspunkte zu mehr als einem Staat bestehen, kann dies zu komplexen rechtlichen Fragen und ungewollten Folgen für die Erben führen. Stirbt beispielsweise ein deutscher Staatsangehöriger mit letztem Aufenthalt in der Schweiz und einem Ferienhaus in Spanien, ist vorab zu klären, ob Deutschland, die Schweiz oder Spanien für die Abwicklung des Nachlasses oder Teile davon zuständig ist und welches nationale Erbrecht Anwendung findet. Die Anwendung des Schweizer Erbrechts kann im Einzelfall zu anderen Ergebnissen als nach deutschem oder spanischem Recht führen. Die gleiche Problematik stellt sich für Schweizer, die im Ausland leben oder Vermögenswerte im Ausland besitzen.

Auswirkungen der Europäischen Erbrechtsverordnung auf EU-schweizerische Erbfälle

Die neue EU-Erbrechtsverordnung (Verordnung [EU] Nr. 650/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 04. Juli 2012) gilt für Erbfälle ab dem 17. August 2015 . Sie führt nicht zu einem einheitlichen materiellen europäischen Erbrecht. Ebenfalls nicht Gegenstand dieser Verordnung bildet das Erbschaftssteuerrecht. Mit dieser Verordnung wird in der EU aber vereinheitlicht, welcher Staat bei grenzüberschreitenden Erbfällen zuständig ist und welches nationale Erbrecht Anwendung findet. Damit sollen die vorstehend erwähnten Kollisionskonflikte zwischen den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten vermieden werden. Die EU-Erbrechtsverordnung findet in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark, Vereinigtes Königreichund Irland Anwendung.

Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU. Entsprechend hat die EU-Erbrechtsverordnung in der Schweiz auch keine formelle Geltung. In der Schweiz gilt bei grenzüberschreitenden Erbfällen grundsätzlich das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG). Aus Sicht der EU ist die neue EU-Erbrechtsverordnung aber auch auf EU-schweizerische Erbfälle anzuwenden, die am und nach dem 17. August 2015 eintreten. Die Schweizer und die EU-Regelungen können im Einzelfall entscheidend voneinander abweichen. So gelten nach der EU-Erbrechtsverordnung im Verhältnis zur Schweiz der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort und die Lage von Vermögenswerten in einem EU-Mitgliedstaat als entscheidende Anknüpfungspunkte zur Bestimmung der Nachlasszuständigkeit. Das Schweizer IPRG stellt dagegen vornehmlich auf den letzten Wohnsitz des Erblassers ab. Aufgrund dieser unterschiedlichen Regelungen besteht für die Erben das Risiko, sich plötzlich mit zwei erbrechtlichen Verfahren in zwei verschiedenen Staaten auseinandersetzen zu müssen.

Welches Erbrecht findet auf EU-schweizerische Erbfälle Anwendung?

Nach der EU-Erbrechtsverordnung soll der Nachlass in der Regel dem Recht desjenigen Staates unterstehen, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Stirbt somit z.B. ein deutscher Staatsangehöriger am oder nach dem 17. August 2015 mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so gilt Schweizer Erbrecht. Die Schweiz knüpft grundsätzlich an den letzten Wohnsitz des Erblassers an. Auch wenn in den meisten Fällen der letzte gewöhnliche Aufenthalt mit dem letzten Wohnsitz des Erblassers übereinstimmt, können sich im Einzelfall schwierige Abgrenzungsfragen zwischen dem letzten gewöhnlichen Auf-enthalt und dem letzten Wohnsitz ergeben. Dies gilt insbesondere für Personen, die sich oft in mehr als einem Land aufhalten, beispielsweise aufgrund von verschiedenen Wohnstätten.

Folgen der Anwendung eines „ungewollten fremden Erbrechts“

Die Anwendung des schweizerischen Erbrechts kann für Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz im Einzelfall zu Abweichungen und nicht gewünschten Ergebnissen führen. Gleiches gilt für Schweizer mit Wohnsitz im europäischen Ausland. Auch für sie kann das „unbekannte ausländische Erbrecht“ unliebsame Überraschungen bereithalten. Zu denken ist dabei insbesondere an Formvorschriften bei letztwilligen Verfügungen, das Bestehen oder auch das Nichtbestehen von Pflichtteilsrechten für überlebende Ehegatten und Kinder und die sich daraus und aus dem Ehegüterrecht ergebende frei verfügbare Erbquote.

Rechtswahl als wichtiges Planungsinstrument

Dem Erblasser steht es sowohl nach Schweizer IPRG wie auch nach der EU-Erbrechtsverordnung frei, den Nachlass willentlich seinem Heimatrecht zu unterstellen. Diese Rechtswahl stellt ein wichtiges Planungsinstrument dar und verhindert auch bei einem späteren Wechsel des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts eine ungewollte Änderung des anwendbaren Erbrechts.

Fazit

EU-Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz oder Schweizer Bürger mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Vermögenswerten in einem EU-Mitgliedstaat sollten sich hinsichtlich der Auswirkungen der EU-Erbrechtsverordnung von spezialisierten Rechtsanwälten beraten lassen. Dabei können Regelungen getroffen werden, die sowohl die Anforderungen des Schweizer IPRG wie auch der EU-Erbrechtsverordnung berücksichtigen. Damit lassen sich zukünftige unliebsame Zuständigkeitskonflikte wie auch die ungewollte Anwendung „fremden Erbrechts“ vermeiden.

Beitrag veröffentlicht am
27. Mai 2015

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