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KMU-Magazin Nr. 11, November 2016 Die optimale Vorgehensweise bei Baumängeln

Mangel und Bauen – zwei Begriffe, die unweigerlich miteinander verknüpft sind, denn kaum ein Bauwerk wird ohne Mängel abgeliefert. Doch was ist ein Mangel? Welche Ansprüche bestehen und was ist bei ihrer Geltendmachung zu beachten? Diese Fragen sollen beantwortet werden.

Jeder versucht sie zu vermeiden, vorhanden sind sie am Ende in aller Regel doch: die Baumängel. Ihre Ursachen sind so vielfältig, wie Baustoffe beim Bauen verwendet werden. Nicht selten haben Baumängel ihren Ursprung in kleinen Unachtsamkeiten oder neuen Konstruktionsdetails, von denen es beim Bauen unzählige gibt – jeder Bau ist so ein Unikat.

Der Begriff des Mangels

Ein Mangel liegt immer dann vor, wenn der Ist-Zustand des Bauwerks nicht dem vertraglich vereinbarten Soll-Zustand entspricht und es ihm damit an einer Eigenschaft fehlt, die es nach Inhalt des Vertrags haben sollte. Hierbei kann es sich um eine zwischen den Parteien vereinbarte Eigenschaft handeln oder um eine Voraussetzung, die das Bauwerk grundsätzlich aufweisen muss, wie z.B. ein dichtes Dach. Folge eines Mangels ist in der Regel eine Beeinträchtigung des Werts oder der Gebrauchsfähigkeit des Bauwerks.

Die Bedeutung der Abnahme

Spätestens auf den Zeitpunkt der Abnahme hin muss ein Bauwerk mängelfrei sein. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, prüfen der Besteller und der Unternehmer – sofern sie die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 vereinbart haben – im Rahmen einer gemeinsamen Abnahme (Art. 157 SIA-Norm 118). Diese findet auf die Anzeige des Unternehmers hin statt, er habe das Bauwerk vollendet. Die Abnahme ist für die Mängelrechte des Bestellers von entscheidender Bedeutung. Mit ihr findet in aller Regel nicht nur eine erste Prüfung des vollendeten Bauwerks statt, sondern mit der Abnahme beginnen auch alle für die Mängelansprüche geltenden Fristen zu laufen. Dabei sind insbesondere zwei Dinge zu beachten:

  • Eine Abnahme mit gemeinsamer Prüfung findet nur dann statt, wenn die Parteien die Anwendung des Regelwerks der SIA-Norm 118 miteinander vertraglich vereinbart haben. Die mangels einer solchen Vereinbarung zur Anwendung gelangende gesetzliche Lösung sieht eine Abnahme nicht vor. Gemäss Gesetz hat der Unternehmer das Werk einzig abzuliefern (Art. 367 OR).
  • Selbst wenn die Parteien die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 vereinbart haben, kann eine gemeinsame Prüfung durch den Besteller und den Unternehmer unterbleiben, wenn keine Partei die gemeinsame Prüfung verlangt oder der Besteller die Mitwirkung bei der Prüfung unterlässt. Diesfalls gilt das Werk einen Monat nach der Anzeige des Unternehmers, die gemeinsame Prüfung durchführen zu wollen, als abgenommen. Verweigert der Unternehmer die Mitwirkung bei der Prüfung, kommt es nicht zur Abnahme (Art. 164 SIA-Norm 118).

Werden bei der gemeinsamen Prüfung keine oder nur unwesentliche Mängel festgestellt, ist das Werk mit Vollendung der Prüfung abgenommen (Art. 159/160 SIA-Norm 118). Allfällige bei der Prüfung festgestellte, vom Besteller gerügte Mängel sind vom Unternehmer innert einer angemessenen, vom Besteller angesetzten Nachfrist zu beheben. Solche Mängel sowie die für ihre Behebung angesetzte Frist sind im Protokoll über die Abnahme (Art. 158 Abs. 3 SIA-Norm 118) festzuhalten. Werden Mängel bei der Abnahme bemerkt, vom Besteller aber nicht gerügt, so gilt das Werk hinsichtlich dieses Mangels als genehmigt und der Unternehmer hat hierfür nicht mehr zu haften (Art. 163 SIA-Norm 118).

Haben die Parteien die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 nicht vereinbart und kommt infolgedessen das Werkvertragsrecht nach Schweizerischem Obligationenrecht (OR, nachfolgend Werkvertragsrecht genannt) zur Anwendung, findet grundsätzlich keine gemeinsame Prüfung statt. Nach der Ablieferung durch den Unternehmer muss der Besteller das Werk «sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist», selbst prüfen und den Unternehmer über hierbei entdeckte Mängel in Kenntnis setzen (Art. 367 OR). Will der Besteller den Verlust seiner Mängelansprüche vermeiden, so tut er gut daran, beides sofort zu tun. Entdeckte Mängel sollte er dann aber jedenfalls innert Wochenfrist rügen.

Die Mängelrüge

Mit der Mängelrüge werden dem Unternehmer Mängel angezeigt und deren Verbesserung verlangt. Bei der Ablieferung (OR) bzw. der Abnahme (SIA) entdeckte Mängel sind sofort zu rügen. Bei Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts nach OR gilt das generell auch für später entdeckte Mängel. Ist demgegenüber die SIA-Norm 118 vereinbart, steht dem Besteller nach der Abnahme eine Rügefrist von zwei Jahren ab Abnahme zu. Während dieser Frist kann der Besteller später entdeckte Mängel jederzeit rügen. Einzig Mängel, die weiteren Schaden verursachen können, müssen dem Unternehmer unverzüglich gemeldet werden (Art. 172 f. SIA-Norm 118).

Nach Ablauf der zweijährigen Rügefrist auftretende – sogenannte versteckte – Mängel sind dann aber auch unter der SIA-Norm 118 sofort, das heisst in der Regel innert Wochenfrist ab Entdeckung, zu rügen. Die Rüge ist dabei sowohl nach OR als auch nach SIA präzis und klar abzufassen und klar darauf hinweisen, was falsch sein soll. Ebenso muss der Besteller eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er den Mangel nicht akzeptieren will. Zu Beweiszwecken lohnt es sich zudem, die Mängelrüge eingeschrieben zuzustellen oder sich den Zugang der Rüge vom Unternehmer schriftlich bestätigen zu lassen.

Die Mängelrechte

Nur wenn ein Mangel rechtzeitig und formgerecht vom Besteller gerügt worden ist, stehen ihm die Mängelrechte zu. Sowohl nach Gesetz (Art. 368 OR) als auch SIA-Norm 118 sind das die Nachbesserung, die Minderung oder der Rücktritt vom Vertrag (Wandelung). Zu beachten ist aber, dass bei vereinbarter SIA-Norm 118 dem Unternehmer der Nachbesserungsanspruch zusteht und ihm der Besteller die Möglichkeit hierzu gewähren muss.

Nicht so hingegen beim Werkvertragsrecht nach OR. Hier kann der Besteller in jedem Fall frei wählen, welchen Anspruch er geltend machen will. Zu beachten ist allerdings, dass die Ausübung eines Mängelanspruchs ein Gestaltungsrecht darstellt und damit unwiderruflich ist. Hat der Besteller also beispielsweise einmal den Minderungsanspruch ausgesprochen, ist er hieran gebunden und kann nicht nachträglich die Nachbesserung verlangen. Zu den Mängelrechten ist im Einzelnen, was folgt, zu beachten:

  • Mit der Nachbesserung verlangt der Besteller die nachträgliche Beseitigung des Mangels. Eine Nachbesserung kann der Besteller nur dann nicht verlangen, wenn die nachträgliche Mangelbeseitigung nicht möglich ist oder eine Nachbesserung sich vernünftigerweise nicht rechtfertigt, weil der sich für den Besteller hieraus ergebende Vorteil in einem Missverhältnis zu den dem Unternehmer entstehenden Kosten steht. Hierbei werden die Nachbesserungskostenaber in keinem Fall durch die Werkkosten begrenzt, das heisst, die Nachbesserungskosten können die Werkkosten ohne Weiteres übersteigen, wenn der sich aus dem mängelfreien Werk für den Besteller ergebende Vorteil das rechtfertigt. Nicht vom Unternehmer zu tragen sind die Ohnehinkosten, das heisst die Kosten, die dem Besteller auch angefallen wären, wenn der Unternehmer das Werk von allem Anfang an richtig erstellt hätte. Sie gehen immer zulasten des Bestellers.
  • Erklärt der Besteller, Minderung des Werkpreises zu verlangen, so nimmt er das Bauwerk mit dieser Erklärung ab. Der Unternehmer seinerseits hat ihm den sich aus dem gerügten Mangel ergebenden Minderwert zu ersetzen. Dieser bestimmt sich nach der relativen Methode, das heisst vereinfacht, es werden die Werte des mängelfreien und des mängelbehafteten Werkes ermittelt. Die Differenz entspricht der Minderung. Daraus ergibt sich auch, dass der vereinbarte Werklohn der maximalen Minderung entspricht.
  • Schliesslich steht dem Besteller das Recht zum Rücktritt (Wandelung) vom Vertrag dann zu, wenn ihm die Annahme des erstellten Werks nicht zugemutet werden kann und dem Unternehmer aus dem Rücktritt nicht unverhältnismässige Nachteile entstehen. Erklärt der Besteller den Rücktritt, so wird er von der Vergütungspflicht befreit und kann bereits geleistete Vergütungen zurückfordern. Das Werk steht demgegenüber dem Unternehmer zu. Er muss es aber vom Grundstück des Bestellers entfernen. Tut er das trotz einer vom Besteller angesetzten Nachfrist nicht, so kann es der Besteller auf Kosten des Unternehmers entfernen (lassen).

Schadenersatz

Nebst Nachbesserungs-, Minderungs oder Rücktrittsrecht hat der Besteller immer auch Anspruch auf Ersatz des sich aus dem Mangel ergebenden Schadens (Mangelfolgeschaden). Vorausgesetzt hierfür sind das Verschulden des Unternehmers sowie die Kausalität des Schadens zum Mangel.

Beweislastverteilung

Die Beweislast besagt, wer was zu beweisen hat. Wird die SIA-Norm 118 nicht als anwendbar vereinbart, so hat der Besteller nicht nur die Rechtzeitigkeit der Mängelrüge, sondern auch das Vorliegen eines Mangels zu beweisen. Bei vereinbarter SIA-Norm 118 ist er für alle während der ersten zwei Jahren (Rügefrist) gerügten Mängel vom Beweis des Mangels befreit, das heisst, der Unternehmer muss den Nachweis erbringen, dass das von ihm abgelieferte Werk mängelfrei ist (Art. 174 Abs. 3 SIA-Norm 118). Der Besteller hat diesfalls nur die Umstände, die ihn auf einen Mangel schliessen lassen, nachzuweisen. Für Mängel, die erst nach Ablauf der zweijährigen Rügefrist auftreten (verdeckte Mängel), obliegt die Beweislastauch bei Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 dem Besteller.

Verjährung

Unabhängig davon, ob sich die Parteien auf das Werkvertragsrecht nach OR oder die SIA-Norm 118 geeinigt haben, verjähren rechtzeitig geltend gemachte Mängelansprüche für unbewegliche Bauwerke mit Ablauf von fünf Jahren nach der Abnahme (Art. 180 SIA-Norm 118) bzw. Übergabe (Art. 371 OR) – es sei denn, die Parteien hätten eine längere Verjährungsfrist vertraglich vereinbart. Mängel an beweglichen Bauwerken verjähren nach OR demgegenüber nach zwei Jahren. Tritt die Verjährung ein, so kann der Besteller seine Ansprüche rechtlich nicht mehr durchsetzen.

Der Besteller kann die Verjährungsfrist aber unterbrechen. Hierzu reicht – wie oft gemeint – ein eingeschriebener Brief nicht. Vielmehr setzt die Verjährungsunterbrechung die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs oder eine Schuldanerkennung des Unternehmers voraus. Eine generell ebenfalls die Verjährung unterbrechende Betreibung des Unternehmers unterbricht gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei Mängeln an Bauwerken die Verjährung in der Regel nicht.

Herausgeschoben werden kann der Eintritt der Verjährung zudem unkompliziert mit einer zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung, mit der der Unternehmer erklärt, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Einrede der Verjährung zu verzichten (Verjährungseinredeverzichtserklärung). Umstritten ist, ob ein solcher Verzicht über den Zeitpunkt von zehn Jahren nach Abnahme / Übergabe hinaus erklärt werden darf. Für vom Unternehmer nachgebesserte Werkteile beginnen die Rüge- und Verjährungsfristen neu zu laufen. Zusammenfassend erklärt sich das damit, dass mit der Nachbesserung die Anerkennung des Unternehmers einhergeht, dass das nachgebesserte Bauwerk unter einem Mangel litt.

Fazit

Mit Blick auf die Mängelansprüche empfiehlt es sich für den Besteller, die Anwendungder SIA-Norm 118 mit dem Unternehmer vertraglich zu vereinbaren, denn:

  • die Abnahme des Werks bringt nach SIA-Norm 118 den Anspruch auf eine gemeinsame Prüfung des Werks mit dem Unternehmer mit sich;
  • bei der Abnahme nicht entdeckte Mängel können vom Besteller bei vereinbarter SIA-Norm 118 während der ersten zwei Jahren jederzeit gerügt werden, was den Verlust der Mängelansprüche infolge verspäteter Rüge erheblich mindert; und
  • für alle während der ersten zwei Jahren aufgetretenen Mängel findet unter Anwendung der SIA-Norm 118 eine Beweislastumkehr statt, das heisst, nicht der Besteller muss den Mangel beweisen, sondern der Unternehmer die Mängelfreiheit des Werks.

Der Unternehmer profitiert bei der vertraglichen Vereinbarung der SIA-Norm 118 insbesondere davon, dass ihm der Nachbesserungsanspruch unentziehbar zusteht, was für ihn in der Regel die preisgünstigste Art Die optimale Vorgehensweise

bei Baumängelnder Mängelbeseitigung darstellt.

Beitrag veröffentlicht am
2. November 2016

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